Hickenbottoms Erbe

Salims Nacht war kurz und grauenhaft. Seine Gedanken tanzten Polka und ließen ihn nicht eine Minute schlafen. Dementsprechend war er völlig übermüdet, als Picasso sich am Morgen bemerkbar machte.
Nachdem der jüngste Spross gefrühstückt hatte, beschloss Salim, mit ihm nach draußen zu gehen, um die Mädchen nicht versehentlich zu wecken.
Sie hatten bereits eine Weile im Wasser gespielt, als plötzlich Mandy hinter ihnen stand.
"Guten Morgen,", flötete sie fröhlich.
"Wo kommst du jetzt her?" Salim drehte sich halbherzig zu ihr. Noch immer war er unsicher, wie er auf den gestrigen Abend reagieren sollte.
"Ich war unterwegs und bin am Strand eingeschlafen." Sie kam näher, um ihm einen Kuss auf die Wange zu geben, doch Salim wich zurück. Er wollte ihr keine Szene machen, aber gleichzeitig war es ihm gerade zuwider, von ihr berührt zu werden.



"Was ist los?", lachte sie.
"Warst du allein?", grummelte er.
"Wenn du es genau wissen willst,", schmunzelte sie, "Tina war dabei."
Er nickte kurz mit angespanntem Unterkiefer.
"Habt ihr miteinander geschlafen?"
Mandy starrte ihn an. "Was?"
"Ob ihr S** hattet..."



"Was ... Wie ... meinst du das?"
"Mandy, so schwierig ist die Frage nicht. Du weißt doch, was S** ist..."
Noch immer schaute sie fassungslos und suchte nach Worten. Diesen Tonfall hatte sie noch nie bei ihrem Mann gehört. Er sprach kurz und kühl. Sie spürte, wie ihr Herz begann, zu pochen.
Salim seufzte. "Tina war hier und hat nach dir gefragt."
"Und daraus schließt du, dass wir etwas miteinander haben?"



"Sie hat sich ziemlich merkwürdig verhalten. Darum bin ich ihr gefolgt."
Ungläubig riss sie die Augen auf. "Du hast mir nachspioniert??"
"Ich war besorgt, Mandy. Ich dachte, dass sie -"
"Du dachtest, du hättest das Recht ihr nachzulaufen und herum zu schnüffeln! Das ist widerlich, Salim."
"Widerlich ist das, was ihr getan habt!", schrie er.
"Wieso? Weil wir zwei Frauen sind?"



Nun war er es, der fassungslos da stand. Eine Sekunde zögerte er und überlegte ob er tatsächlich hörte, was er hörte. Sie stritt es nicht einmal ab. Stattdessen versuchte sie, ihn mit einer völlig veralteten Weltanschauung zu ködern. "Weil ihr beide verheiratet seid!", schnauzte er dann, "Ihr beide habt Familien, Kinder."
"Jetzt wirst du wieder moralisch. Salim, der großartige Mann, der niemals lügt, betrügt oder auch nur den Hauch eines Fehlers begeht..."



"Du wirst mir nicht die Worte im Mund verdrehen." Wütend fuhr er mit den Händen durch die Luft. "Du nicht! Ich habe euch gesehen und ihr habt das nicht das erste Mal getan. Wie lange geht das schon so?"
"Keine Ahnung, was spielt das für eine Rolle?"
Wieder seufzte Salim. Er konnte nicht glauben, wie uneinsichtig Mandy war. Sie schien absolut keine Reue zu spüren. Sah sie sich sogar im Recht? War ihr gar nicht klar, was sie ihm und auch den Kindern antat? Dieser Streit würde zu nichts führen.



Einen Augenblick sammelte er sich, bevor er das Wort ruhig an seine Frau wandte: "Ich verstehe es nicht, Mandy. Ich habe doch alles getan, um dich glücklich zu machen."
Einen Moment schwieg sie.
"Es war einfach zu viel, Salim.", murmelte sie dann - beinahe so, als wäre sie selbst gerade erst über diese Erkenntnis gestolpert.
"Bitte? Was soll das wieder bedeuten?"



"Du erdrückst mich mit deiner Fürsorge. Ich ertrage das nicht."
"Das hättest du mir sagen sollen."
"Ich wusste nicht, wie."
"Aber eine Affäre?"
"Das hättest du doch nie erfahren sollen."
"Ach, wie rücksichtsvoll von dir ... Soll mich das trösten?"



"Ich bin was ich bin.", wich sie seinem Blick aus.
Er nickte leicht, drehte sich dann um und ging zurück zur Hütte.
"Ich werde abreisen. Mir ist die Lust auf Urlaub mit dir vergangen."
"Was ist mit den Kindern?"

"Ich werde sie fragen, ob sie bleiben oder nach Hause fahren wollen."
Damit verschwand er hinter der Tür.
Mandy blieb zurück. Traurig und wütend stand sie da im flachen Wasser und überlegte, was nun zu tun wäre. Sie würde etwas Zeit brauchen, um sich zu entscheiden.