0 Neuanfang … …………………………………………………………………………………………………………………………………………….. Danke für die Erfahrungen und Kenntnisse, die ich im RPG sammeln durfte. Nach einer kurzen rauschhaften Zeit gehen die Geschichten um Lotta und Co. hier in 🌺 HERLAND weiter - ein Stück weit im Crossover mit den 📜 WiWo News. Wer weiß, vllt. mengt sich irgendwann sogar noch ein wenig P. mit rein 😏 …
Hier in HERLAND bitte keine Kommentare. Wenn, dann lieber per PN … oder auch gerne in den WiWo-News (siehe Signatur) oder auf dem Discord Server. Dort ist alles auch als PDF hinterlegt. Zugang zum Discord Server auf Anfrage per PN.
Ein Brummen an ihrem Ohr weckt Elani. Wer ruft denn jetzt mitten in der Nacht an?
Asante?! Verwundert nimmt die Ex-Gourmetköchin den Anruf an, horcht verschlafen eine Weile, bis sie schlagartig … putzmunter ist! << Wo bist du gerade? Wo soll ich hinkommen? >>
Leicht aufgebracht versucht Elani ihre Stimme zu dämpfen, um Keito im Nebenraum nicht zu wecken: << Was schleichst du denn hier im Haus herum? Das … das ist … ungehörig, Asante! Was sollen unsere Gastgeber von uns denken, wenn du erwischt wirst? W a s hast du entdeckt …? >>
Elani ist hoch verwirrt, was ihr Cousin zweiten Grades da treibt. So etwas … kennt sie nicht von ihm! Merkwürdig klingt er … irgendwie so … bezwingend. Fast gegen ihren Willen erhebt Elani sich von ihrem Lager, kleidet sich flüchtig etwas über – ihre Gastgeber waren recht großzügig mit neuen Klamotten – und will sich schon auf den Weg machen, bis ihr Keito wieder einfällt.
Hoffentlich ist er nicht aufgewacht! Nicht auszudenken, was er in solcher Lage wieder anstellen würde. Keito ist zuweilen ein unberechenbarer Teen mit etwas … Genpool seines Erzeugers. Elani fröstelt es leicht … immer, wenn Bilder von Terence wieder in ihr hochkommen. Sacht drückt sie die Türklinke zum Nebenzimmer runter, das sich ihr Sohn mit ihrem Cousin teilt.
Leer! Beide Schlafstätten! Erschrocken presst Elani eine Hand vor den Mund. Hat er … Keito etwa mitgenommen? Ist Asante wahnsinnig? Das wird ja immer wahnwitziger!
Jetzt hat es Elani auf einmal eilig … Auf leisen Sohlen schleicht sie nun ihrerseits durch die weitläufigen Gänge, verirrt sich noch ein paar Mal, bis sie endlich in den richtigen Flügel des vermeintlichen ‚Paradieses auf Erden‘ – wie sie diese Anlage bezeichnet – unter wiederholt achtsamem Umschauen einbiegt.
Das muss der Raum sein! Na warte, wenn du Keito in irgendeine üble Sache reinziehst … Was ist nur in dich gefahren - mein lieber sonst so fürsorglicher Cousin? Innerlich recht aufgekratzt öffnet Elanie die unverschlossene Tür …
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Hah! Die Macht ist in Asante gefahren! Natürlich hatte er den funkelnden Stein angepackt! Ha, ha!
Asante freut sich mächtig! Fühlt sich das gut an! Es durchströmt ihn, es durchließt ihn … Er spürt es bis in die Fingerkuppen, bis in den letzten Winkel seines Körpers. Ich wusste es …Es war die richtige Entscheidung! Nun Elani, nun … auch du! Glaube mir …
Mitten in der Nacht hatte er sie geweckt. Verschlafen war sie ans Handy gegangen. Hier gibt es endlich genug Strom … Auch eine Art moderne Magie! Asante kann nicht anders als sich gerade prächtig zu amüsieren.
Er erwartet sie. Sie m u s s kommen! Sie kann gar nicht anders … Es ist das Beste für dich, Elani! Bis in die Zehenspitzen fühlt er eine fast unbezwingbare leicht aus dem Handgelenk schüttelbare Macht in sich, die selbst mit Worten andere verlocken kann …
Et voilà, da steht sie auch schon im Türrahmen, schaut ihn verunsichert an … Sie spürt d i e Veränderung!
„Komm nur rein, Elani, und schließ fein die Tür hinter dir!“ Asante winkt sie näher heran. Sie kann nicht anders, als dieser Handbewegung zu folgen … Gebannt blickt sie dabei mit angsterfüllten Augen ihren Cousin an, versteht nicht, was gerade geschieht …
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Das wird ja immer besser! Diebisch freut sich der ‚Gastgeber‘ in seinem Versteck über ein weiteres Opfer seiner Intrige …
Die denken wohl, die können ohne mich hier rumspionieren und alles erkunden! Was verschweigen die mir? Erwachsene! Erbost hockt Keito hinter einem der schweren tiefhängenden Wandvorhänge, spukt verächtlich auf den dichten Fransenteppich vor ihm im Gang. Gerade ist auch seine Ma in dem Raum verschwunden …
Dachtest du wirklich, du könntste mich abhängen? Lieber Asante, du verschätzt dich gewaltig! Du ahnst nicht, w a s ich von meinem Alten alles lernte ...
Bisher hatte Keito nie viel Gebrauch von Terence ‚Lehren‘ gemacht. Aber nun …
Nein, er hatte auch seinem ‚Onkel‘ Asante längst nicht alles erzählt und seiner Ma schon mal gar nicht. Als Kind hatte Keito es sogar noch für ein Spiel gehalten, wenn er irgendwo ganz leise durch ein Fenster in fremde Wohnungen einsteigen sollte ...
Ja, es war kriminell. Sein Alter war kriminell. Da lässt sich nichts beschönigen. Terence hatte in keiner Hinsicht Skrupel gezeigt. So ein strafunmündiges Kind war seinem Pa gerade recht gewesen …
Nur Yuna gegenüber hatte Keito das mal angedeutet … Gleichaltrige wollen einen nicht immer gleich ‚bessern‘ so wie Erwachsene! Vielleicht noch in so einer ‚Besserungsanstalt‘ … Er würde ihr so gerne noch mehr erzählen … loswerden, was an ihm nagt. Sie hörte immer zu, ohne ihn zu verurteilen … bis er’s … vergeigte – ihre Freundschaft.
„Sie wollen immer das Beste, die Erwachsenen … aber das kriegen sie nicht!“ Keito muss fast lachen in Erinnerung an ihre Worte. Das war so einer von Yunas Sprüchen, die sie irgendwo ausgegraben hatte. Nach außen hin war sie viel angepasster, hatte viel weniger Streit mit ihrer Mum als er mit seiner. Sie machte ‚ihr Ding‘ eher … versteckter …
Er entsinnt sich noch, wie sie ihm seine Maschine abrang, als sie noch keinen Führerschein hatte. Wie sie ihn auf den Beifahrersitzt dirigierte und wie eine Wahnwitzige mit überhöhter Geschwindigkeit die Strandpromenade entlangraste. Hatte ich mich da schon in sie verguckt?
Aber die Freundschaft ist mir mehr wert!, maßregelt und zügelt Keito seine Gedanken. Die hätte ich durch mein Drängen und meine Ungeduld nicht so leichtfertig aufs Spiel setzen dürfen. Sein Blick heftet sich wieder auf die Tür vor ihm.
Überrasch sie einfach! Sollen sie doch versuchen, mich wieder rauszuschmeißen. Da drin läuft irgendwas ganz Mysteriöses ab … Und ich will wissen, w a s!
Und schon sprintet Keito voran …, Elani hinterher!
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„Ha, ha!“, lacht es verhalten von der anderen Seite des Flures her. „Und Nummer drei!“
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„What …?!“ „Aaaaaaahhhhh …!!!!“ „Keito!“ „Neeeeiiiiin!“ „Zu spät! Verflucht!“ „Ja, verflucht sind wir alle!“
Drei Stimmen kreischen aufgeregt durcheinander! Aber … der Vorgang ist nicht mehr zu stoppen und Keito schon mittendrin! Elani hatte noch in letzter Sekunde versucht, sich zu wehren … Vergebens! Asante, überzeugt das Richtige zu tun, hatte sich bereits an ihre Wandlung gewagt. „Ich will nur dein Bestes, Elani!“
Huch, das erzählen sich Erwachsene sogar gegenseitig? Verwundert hört Keito die Worte seines ‚Oheims‘ noch, während er mit seiner Ma durch die Luft gewirbelt wird und eine Energie unbekannten Ausmaßes durch seine Glieder fließen spürt, die scheinbar von Asante ausgeht. Im Gegensatz zu Elani begrüßt er dieses Gefühl von Stärke. Nimmt die Gabe, die erteilt wird, freudig an. Sie ist ihm … sehr willkommen.
Dass sie in seinem Falle unwillig gegeben wurde, merkt er erst, als sich die schwebenden Leiber senken und seine Füße wieder Boden berühren.
Watsch!*„Autsch!“ Im nächsten Moment hat er eine von einem hoch erzürnten Asante sitzen! Mitten ins Gesicht! „Du Idiot, du unsäglicher! Das war nicht für dich bestimmt!“, tobt Elanis Cousin. Sie selber schreit unvermittelt erschrocken auf … Magie in den Händen eines Teens! Auch noch Keito! Asante ist entsetzt vom Ausgang seiner ‚Mission‘!
Empört reibt sich Keito die schmerzende Wange. Asante hat richtig zugelangt. Schockiert betrachtet Elani zuerst den sich rötlich abzeichnenden Handabdruck im Gesicht ihres Sohnes, dann ihren wutbebenden Cousin. Zuletzt sieht sie an sicher selber herunter. Das, was da nun in ihr steckt, macht ihr Angst. „Ich … wollte d a s nicht!“, versucht sie zaghaft auszudrücken, stockt gleich wieder.
Schmerzvoll schließt Asante die Augen. Er wollte ihr Kraft und Mut geben … und jetzt schaut sie ihn mit genauso waidwunden Augen an wie einst Terence, wenn sie sich zu schwach für Gegenwehr fühlte. Nur wenn sie andere verteidigte, konnte sie zuweilen zur Löwenmutter werden …
Bockig sucht Keito Abstand von Asante … „Selber Blödmann!“, zischt er Elanis Cousin gehässig an. Super, jetzt hasst mich auch noch mein Neffe! Nie zuvor hatte Asante zu solch erzieherischen Mitteln gegriffen. Die Hand ist ihm einfach vor Schreck ausgerutscht. Der Junge muss aber auch begreifen wie unkontrollierbar dieses ‚Werkzeug‘ in den Händen eines jungen Menschen ist … Asante ist nicht bereit, sogleich Abbitte bei dem Teen zu leisten. Keito hatte sich das seiner Meinung selber zuzuschreiben und ihm nicht hinterher zu spionieren …
Die Tür öffnet sich ein weiteres Mal! Ertappt blicken sich die drei Ogbandas um, als der blauhäutige Gastgeber grinsend eintritt. Elani zieht nach einem kurzen Zusammenzucken leicht den Kopf ein. Keito verzieht unwirsch die Mine und Asante blickt dem zu Reichtum gelangten ‚Strauchdieb‘ mit schmalen Augen abwartend entgegen. „Willkommen, willkommen, meine Lieben, in meinem R e i c h!“, säuselt es den dreien entgegen. „Mein Heim … sei euer Heim!“
Der Kerl hat gute Laune? Wieso? Wir sind hier … eingebrochen! Misstrauisch ziehen sich Asantes Augenbrauen in die Höhe. Ihm schwant nichts Gutes. Er wittert … eine Falle, in die er blindlings reintappte und in die er die anderen noch mit reinzog. Der Ex-Militarist versucht angesichts der Lage, kühlen Kopf zu bewahren, spürt zum ersten Mal, was es heißt, andere Präsenzen zu fühlen … wie ein Kribbeln auf der Haut, ein Sträuben der Nackenhaare. D a s da ist nicht nur ein einfacher Dieb!
Und schon hebt Gargamel – wie Keito ihn in diesem Moment einer Schlumpfsendung entlehnt tituliert, obwohl der nicht blau war - die feingliedrigen Finger und summt irgendwelche Beschwörungsformeln über sie allesamt herab …
Dampf wallt vom Boden auf, lässt ihre Leiber darin sich nahezu von den unteren Gliedmaßen her auflösen. „Endlich, endlich …“ lacht der blauhäutige Gastgeber ekstatisch, „… bin ich freiiiiiiiiii!!!!“ Er ist nicht länger an diese elende Flasche dort hinten in der Ecke gebunden! Sie hat neue ‚Besitzer‘ gefunden.
Ein unglaublicher Sog, eine umgehende Schrumpfung setzt ein, zieht Mutter, Sohn, Cousin dematerialisiert in einer langen Windfahne mit den Füßen voran durch einen schmalen Schlund - einen Flaschenhals sozusagen. Jeder Laut, jeder Schrei der drei erstickt in diesem unirdischen Dunst, bis sich die enge Röhre wieder zu einem bauchigen Raum weitet, aus deren Anhöhe sie nun nacheinander auf rundherum weich gebettete Polster purzeln.
‚Matratze‘ entstammt dem Arabischen, entsinnt sich Asante überflüssigerweise genau in diesem Moment, dankbar, dass sie sich wenigsten nicht die Knochen beim Fallen brechen.
Ein kurzes Ploppen über ihren Köpfen lässt alle kurz darauf zusammenfahren und hochschauen. Ein Schlag aufs ‚Dach‘ rüttelt sie noch einmal ordentlich durch, während sie wie durch Watte ein leicht hysterisches Gelächter vernehmen: „Original verkorkt von Pallhuber und Söhne! Ach, ich liebe Loriot!“ Der Blauhäutige hat ein eigenes Heimkino …
Ihr neues ‚Heim‘ wird in leichte Schwingungen versetzt. „Ich glaube, man trägt uns gerade irgendwo hin!“, konstatiert Asante nüchtern die Lage. „Wahnwitz! Sind wir jetzt Flaschengeister durch d e i n e n Budenzauber, oder was!?“, macht Keito konsterniert den Cousin seiner Mutter maulig an. Er ist gerade so sauer auf Asante. Die Ohrfeige wird noch Folgen haben. Und dieser Mist auch! Warte nur ab …!
„Was geschieht hier! Asante … warum?!“ Elanis flehende Blicke richten sich an ihren Cousin. Warum tat er mir das an?
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Ich werde einen feinen Preis dafür erzielen! Begehrte Ware vor allem auf dem indischen Markt … Auf jeden Fall muss die Flasche aus dem Haus, um mir nicht mehr schaden zu können!
Hochzufrieden macht sich der magische Meisterdieb in den mittlerweile frühen Morgenstunden auf die Reise …
„Iiiiiii-diiiiii-ooooo-ten!“ Wie ein HB-Männchen hüpft Sultan Ali wutentbrannt vor seinen leicht lädierten Wachen auf und ab. Am meisten ärgert er sich aber über sich selbst, dass er diese oberschlauen Weibsbilder völlig fehl einschätzte … Diesen Ärger lässt er natürlich nicht an sich selbst aus, sondern an den eh schon mit Beulen versehrten Diensthabenden der letzten Nacht. „Wiiiiiie konnte das geschehen?! Und woooooo … ist mein Teppich?“
Selbstverständlich hatte der Sultan nach Bekanntwerden der Flucht all seiner holden weiblichen Exponate nebst dem verfluchten Wächter Feisal sofort seine Schatzkammer untersucht. Er riecht es förmlich, wenn nur ein Goldtaler fehlt. Dieser elende persische Dieb hatte sich ganz sicher ein paar davon eingesteckt und ebenso seinen wundervollen fliegenden Teppich. Ali könnte heulen … Er hatte ihn ‚verschont‘ als er ihn damals auf frischer Tat ertappte! Undankbares Gesindel! Aber jetzt … schreit das nach Rache!
„Sollen wir sogleich einen Trupp die Verfolgung aufnehmen lassen?“, bietet einer der Lakaien zur Entlastung der eigenen Schmach an, seine Wache nicht so recht verrichtet zu haben. Verächtlich schnaufend winkt der Sultan ab: „Zu Fuß, zu Pferde? Pah, die sind schon längts über alle Berge mit … mit …!“meinem Teppich. Verdrossen schlägt sich Ali Pascha mit der Faust in die Handfläche. „Es braucht einen anderen Plan! Damit durchkommen lasse ich sie nicht!“, schreit er in loderndem Zorn über diese Freveltat auf. Nein, auf keinen Fall. Diesmal geht es Faisal wirklich an den Kragen … und dieser Miyu und … ihrer Tochter Yuna auch. Die waren sicher federführend! Ich war viel zu nachsichtig!
Einen Moment noch grollt der Sultan vor sich hin, den Rücken seinen Wachen zugedreht … „Ha, holt mir … den Geheimtrupp! Sofort!“, bellt er als nächstes die eh schon verschreckten Diener an, während er sich schwungvoll wieder zu ihnen umdreht.
Ja, die können in alle Richtungen ausschwirren und sich heimlich hier und dort umhören, wer was gesehen, was bemerkt hat. Muss ja nicht gleich jeder erfahren, dass ich, Sultan Ali Pascha, von einem Haufen Frauenzimmer über’s Ohr gehauen wurde und … die bereits vielfach angepriesene Party mit exotischer Tanzdarbietung ins Wasser fällt. Wie unangenehm für seine Reputation … „Kein Wort, hört ihr, fällt außerhalb dieser Mauer über den Vorfall!“, droht der Despot seinen Wachen mit dem Zeigefinger. Er wird sich für heute Abend schon irgendeine Ausrede einfallen lassen …
Wo würden die Flüchtigen hingehen? Nach Persien, in die Heimat des heimtückischen Teppichdiebs? Oder jede der Damen in Richtung ihrer Heimat? Seine diskret ermittelnden Leute sollen sich unauffällig in alle Winde verstreuen! Augen und Ohren offen halten …
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Schnell wie der Wind hatten sie die persische Grenze überflogen und sich damit bereits tausende Meilen weit von ihrem zwar behaglichen, aber eben doch auch sehr einengenden Gefängnis mit all seinen zu befürchteten Unannehmlichkeiten entfernen können.
Befreit jauchzend und übermütig lachend liegen sich alle gerade in den Armen. Sie sind mitten in der Wüste in eine Art Niemandsland gelandet und genehmigen sich ihr erstes wohlverdientes Mahl in Freiheit. Faisal hatte noch vorsorglich hier und dort Proviant vor Abflug stibitzt. „So köstlich, eine einfache Feige!“, schwärmt Jorunn über das schlichte Angebot und lächelt Miyu dabei selig an. „Meine Retterin!“ Wieder und wieder muss die Schwedin die neugewonnene Freundin und Herzensdame umarmen, ihr Gesicht, ihre Wangen, ihre Lippen liebkosen. Lachend lässt sich Miyu hintenüberfallen und zieht Jorunn mit sich. „Ich kann dir gar nicht sagen wie froh ich bin … was mir erspart blieb!“ Leiser setzt sie nur für Jorunns Ohren nach: „… was Yuna erspart blieb!“
Faisal breitet noch weitere Früchte und trockenes Gebäck auf dem Teppich aus, reicht Wasser in einer fein ziselierten Flasche herum: „Stärkt euch ein bisschen, vertretet euch die Beine und ruht dann bis zum Abend aus, meine Lieben. Ich möchte nicht bei helllichtem Tag am Himmel entdeckt werden.“ Besorgt blickt der flüchtige Haremswächter in die Runde. Er hat ihnen noch nicht gesagt, dass er sehr wohl davon ausgeht, dass der Sultan die Verfolgung aufnehmen wird. „Schmiedet schon mal Pläne, wie oder wohin es weitergehen soll!“ Momentan geht sein eigener kaum weiter als bis zu dem von Miyu genannten Ort im Osten des Landes …
In Grüppchen ziehen sich nach dem kleinen Mahl alle in der mittlerweile höher ziehenden Sonne an schattige luftige Plätzchen zurück. Die drei Teens sind noch am agilsten in der dösigen Wüstenhitze und haben es sich unter einem Felsvorsprung bequem gemacht.
Faisal ‚entführt‘ die liebreizende Romana zu einem Plausch unter einem verdorrten, aber dennoch Schatten spendenden Gestrüpp in der Umgebung. Werden wir je unsere Erlebnisse verwinden? Faisal fängt ganz behutsam ein Gespräch an …
Miyu findet gemeinsam mit Jorunn Zuflucht in einer kühlenden schmalen Höhle, die sich im Innern immer weiter verjüngt, so dass am Ende nur noch eine Maus die Tiefe des ganzen Ganges erkunden könnte.
„Du gehst also ganz sicher nach Schweden, Jorunn?“ Die blonde Frau neigt Miyu, die verträumt zu ihr hochschaut, zärtlich ihr Antlitz zu: „So viele Jahre bin ich meiner Heimat fern … Ich muss einfach zurück und nach dem Rechten sehen - nach meinem Schwestersohn! Er ist so … verloren. Aber ich werde dich sehr vermissen, Miyu.“ Sanft streicht Jorunn eine Strähne aus Miyus Stirn. „Du verstehst das. Ich weiß es. Auch für dich geht doch Yuna stets vor …“
„Wär‘ schön, wenn es wirklich immer so gewesen wäre, Jorunn …“, seufzt Miyu aus tiefstem Herzen. „Vielleicht stünden wir heute anders da … Oft genug musste meine Tochter für meine ehrgeizigen Projekte zurückstecken, für mein Engagement … Und auch ihr Vater war viel unterwegs …“ Etwas ratlos blickt Miyu in die weite Ödnis der Wüste außerhalb der kleinen Grotte.
„Yuna hätte meine Hilfe gebraucht, mehr Halt, mehr Orientierung … im letzten Jahr. Sie wusste gar nicht mehr …“ Miyu stockt kurz, hört das Gelächter der drei Mädchen in einiger Entfernung. Yuna wirkt trotz der eigentlich dramatischen Umstände gerade recht gelöst, regelrecht ein wenig glücklich … Muss die kleine Winterhütte unserer Ahnen in Japan wirklich das Ziel bleiben? Miyu gerät immer wieder ins Grübeln darüber. Wäre Yuna nicht besser dran, wenn …
„Sie sollte sich nicht zu sehr an Khulan verlieren …“, lässt Jorunn gerade warnend verlauten. „Auch Nishay ist ihrer Herkunft und den Traditionen sehr verbunden … Das Serail war ein Gefängnis mit wenig Möglichkeiten!“
„Oh!“, entfährt es Miyu. Soviel zu … Neigungen!„Und du?“ Etwas atemlos hält Miyu inne, ihre Finger spielerisch über Jorunns Knie gleiten zu lassen … Sie wollte sich nichts weiter einbilden, was ihre kurzzeitige Verbindung bedeuten mag, aber dennoch … klopft ihr das Herz gerade bis zum Hals, wird der Mund ganz trocken … Miyu versucht ein Schlucken zu unterdrücken …
„Ich?! Ich will dich wiedersehen, Miyu!“ Jorunn setzt sich auf, nimmt Miyus Gesicht sanft in beide Hände, schaut ihr sehr ernst in die Augen. „Gib‘ mir die Adresse in Japan bitte! Sobald ich meine Verpflichtungen in Skandinavien etwas regeln konnte, will ich mich auf die Suche nach dir machen. Verflucht sei dieser elende Sultan, dass er uns all unsere Mobilphone nahm!“
Es würde schwer werden, sich ohne solch ein kleines Gerät bis in den Norden Europas durchzuschlagen … Jorunn weiß, dass sie auf ihrem Weg … scheitern kann – vielleicht nie ankommt. „Ich muss von hier aus meinen Weg suchen, kann nicht noch weiter landeinwärts mit euch gehen. Heute Abend, Miyu …“ Jetzt laufen doch die Tränen … „Ja, natürlich Jorunn! Du musst gehen, ich weiß …!“ Eng aneinander gekuschelt halten sich beide Frauen fest in den Armen. Vielleicht sehen sie sich zum letzten Mal …, werden einander nie wieder begegnen …
„Du hast eine Schwester?“, versucht Miyu die blank liegenden Emotionen auf etwas Pragmatischeres zu lenken und gleichzeitig ein wenig mehr über Jorunn zu erfahren, die ihr gerade eingestand, dass sie sich auch mehr wünscht als nur eine kurzweilige einmalige Begegnung.
„Hatte …!“, leichter Schmerz zeichnet sich in Jorunns Augen ab. Miyu drückt sie fester an sich. „Sie war viel älter als ich. Ich war quasi … ein Nachzügler-Kind meiner Eltern.“ Nun lächelt Jorunn leicht in Erinnerung. „Sie hat mich mit aufgezogen. Ich verdanke ihr viel …“ Ihr Blick verdunkelt sich wieder etwas, als die Schwedin fortfährt: „Sie heiratete einen Norweger und kurze Zeit später bekamen sie einen Wonneproppen von Sohn, der … seinen Vater nie kennenlernte!“
Miyu wartet einige Sekunden bis sie dann doch vorsichtig nachfragt: „Was ist passiert?“ Jorunn muss tief Luft holen, bevor sie dann die dramatischen Ereignisse gepresst in einem Zug hervorbringt: „Ihr Mann fuhr zur See … und dort ist er auch begraben, nach einer stürmischen Nacht. Meine Schwester wurde früh Witwe. Sie hat sich ganz gut geschlagen – alleinerziehend. Doch dann nach langem Leiden verlor ihr Bub viel zu früh auch noch die Mutter.“
Voller Anteilnahme hakt Miyu nach: „Ach herje, wer guckt denn nun nach dem Kleinen?“, und stutzt augenblicklich als Jorunn nun doch etwas verschmitzt lacht und gluckst: „So klein ist der Kleine nicht mehr … Meine Schwester war wirklich wesentlich älter als ich …“ Auf Miyus fragenden Blick hin erklärt die Schwedin schnell weiter. „Der Junge war gerade mal volljährig, hatte eben erst die Schule abgeschlossen … Ich war noch die einzige Verwandte, der einzige Halt …“ Wieder umwölkt sich Jorunns Stirn als sie die weitere folgenschwere Last vor Augen hat, die den Sohn ihrer Schwester traf … Dessen Schicksalsschlag lässt die Schwedin aber Miyu gegenüber aus, lässt ihre Darstellung mit dem Satz „Und dann verschwand ich auch noch …“ ausklingen. Zwei Stoßseufzer entweichen der Höhle, die den beiden Frauen gerade Schutz vor all der Unbill des Lebens da draußen bietet.
Miyu schmiegt sich an Jorunn, um ihr Trost zu spenden und die empfängt die wohltuende Wärme des biegsamen Leibes der geliebten Fluchtgefährtin. Beider Lippen verschmelzen sich zu einem langen intensiven tiefen Kuss. Ein letztes Mal verzehren sie einander in willkommener Leidenschaft, als gäbe es kein Morgen … … … … …
Es ist bereits wieder dunkel als Jorunn aufbricht. Miyu ist noch im tiefen Schlaf vollkommener Verausgabung gefangen. Zart streicht ihr die Schwedin zum Abschied über die Wange. Sie will kein Aufheben um die Trennung machen und geht still und leise ...
Still kauert Miyu auf dem fliegenden Teppich, während die Landschaft unter ihnen nur so dahinsaust. Yuna beobachtet ihre trauernde Mutter und mag ihr eigenes Glück gerade gar nicht so zeigen. Alle vermissen Jorunn.
Sie hatte so etwas Warmherziges, Fürsorgliches an sich … Ein bisschen ist Yuna an Elani erinnert. Kurz flackert auch ein Bild von … Keito auf, dass sie erschreckt wieder wegschiebt. Ohne weiter nachzuspüren zu wollen, was dieses wiederkehrende dumpfe Unbehagen erzeugt, wendet sie sich wieder Khulan zu.
„Da drüben! Ja dort!“, weist Nishay aufgeregt in Richtung eines kleinen Ortes entlang einer Eisenbahnstrecke. Yuna wendet augenblicklich ihr Augenmerk der Inderin zu, verdrängt alles andere.
Faisal beginnt den Landeanflug. Er wird von Mal zu Mal besser in seinem Können. Anfangs hatten sie ihn lachend Bruchpilot getauft bei den ersten holprigen Versuchen, den Teppich zur Erde zurückzubefördern. Sorgsam achtet er darauf, außer Sichtweite der Ortschaft zu landen. Nach wie vor sind sie Flüchtige und Faisal ist weiterhin überzeugt, dass der Sultan nicht ohne weiteres aufgibt. Immer wieder schaut er sich vorsichtig in den Orten um, die er zur ‚Auffüllung‘ ihrer Vorräte ansteuert, ob ihnen jemand auf den Fersen ist. Er und Romina ergänzen sich auf ihren Beutezügen dabei hervorragend als Gaunerpärchen … Hier ein Brot, dort ein paar Früchte, ein Stück saftiger Braten geradewegs vom Spieß abgesäbelt … Faisal hat seine helle Freude an der süßen Maid.
„Bist du sicher, dass das die richtige Bahnstrecke ist?“, versichert er sich gerade nochmal bei Nishay rück.
„Ja, ja, ganz sicher!“ Die Augen der Teenagerin leuchten in Vorfreude auf ihre Heimat, trotzdem sie weiß, dass sie niemals wieder in ihr früheres Leben oder zu ihrer Familie zurückkehren kann. „Die Gerüche, die Farben … Die Musik! Wenn ihr es nur mit eigenen Augen sehen könntet …
… Ihr müsst mich irgendwann mal besuchen kommen. Bitte, bitte, unbedingt! Hier, die Adresse meiner Tante!“, drängt die junge Inderin besonders Yuna und Khulan ein kleines zerfetztes Stück Papier auf. Yuna ist leicht besorgt. Anfangs klang das nach einem guten Plan. Sie hatte Nishay sogar ermutigt und ihr ihre Fähigkeiten vor Augen gehalten. Aber kann man wirklich in einer indischen Großstadt als weiblicher Teenager untertauchen und überleben – womöglich ganz auf sich allein gestellt? „Was ist, wenn deine Tante … nicht … dort ist oder … dich nicht aufnimmt?“
Khulan wirkt gelassener, hat wenig Vorstellungen von Metropolen und war schon früh gewohnt in den einsamen Weiten von Tundra und Taiga allein die Nächte zu bestehen und Herden zu hüten oder vermissten Kälbern nachzujagen. „Hej, Nishay ist weder auf den Kopf noch auf den Mund gefallen. Die wurschtelt sich schon durch. Du angelst dir schnell einen Maharadscha und wirst Mutter von zig Stammhaltern, oder?“, witzelt die Mongolin.
Dass Nishay generell mehr Jungen zugetan ist, aber trotzdem ihren Spaß mit Mädchen hatte, wurde Yuna durchaus bald klar. Aber so mit Heirat und Mutterglück hat die junge Inderin dann doch nicht so viel am Hut: „Jetzt quatsch du mal zur Abwechslung nicht blöd, Khulan.“, korrigiert Nishay feixend die Frendin dann auch schnell. „Ich mach‘ mit meiner Tante ’n Wellnesstempel auf oder so ’n Programmierschuppen. Wenn ich erstmal nur wieder ein Handy in Händen hätte …“
Nishay leidet neben Yuna am meisten unter Elektronikentzug: „Verdammt! Dann könnte ich sie einfach anrufen und gut wäre … Sie würde mich sicher abholen …“, nachdenklich legt Nishay einen Zeigefinger an die Lippen, „…, wenn sie da wäre!“
Nun mischt sich Miyu ein, zieht eine Augenbraue etwas streng hoch: „Yuna hat schon recht! Du bist … über ein Jahr von zuhause fort. Woher willst du wissen, ob deine Tante noch an dieser Adresse zu finden ist. Was macht sie überhaupt? Arbeitet sie oder so etwas? Kann sie dich überhaupt unterhalten, bis du selber arbeiten gehen kannst?“
Nishays Mine verrät doch etwas Unsicherheit. „Siiiieee … wollte Sport studieren … innn’nem … andern Land …“, nuschelt der Teen leicht vor sich hin. „Ich kann aber trotzdem dort wohnen!“, schießt sie leicht trotzig hinterher. „Die Bude ist’n Erbstück. Ich weiß, wo der Schlüssel liegt!“
Verwundert hebt sich nun auch die andere Augenbraue von Miyu: „Studium? Wie alt … ist deine Tante denn?“ Nishay zuckt nur mit den Achseln: „Weiß nicht so genau!“ Ganz so gut kennt sie ihre entfernte Verwandte jetzt nicht wirklich, weiß hauptsächlich nur, was man ihr in der indischen Großfamilie Übles nachsagt: Unmoralisch, verwerflich, Schande für die Familie …, irgendeine etwas von Babylon … und auf jeden Fall keine Heilige …
Damit hatte die Tante schon mal ein Stein im Brett bei Nishay! Soweit die Teenagerin das erfasste, erschöpfte sich deren ganze Amoralität schon darin, einen eigenen und nicht den ihr vorherbestimmten Weg zu gehen, einfach selber Pläne fürs Leben zu schmieden und sich die Partner nach eigenem Gutdünken auszuwählen – ohne verheiratet zu sein. Oh je!
Miyu schwant irgendwie, dass die Anverwandte nicht wesentlich älter als Nishay sein mag. Auf der anderen Seite … wirkt die junge Inderin durchaus schon etwas älter und Ausweise hat eh keine von Ihnen, die das Gegenteil von Volljährig beweisen könnten. Der Sultan hatte ‚seinen‘ Frauen alles abgenommen … Papiere, Elektronik.
„Ist das wirklich dein Plan, notfalls allein in dieser Wohnung … zu bestehen?“ Auch Faisal äußert Bedenken, doch Nishay nickt eifrig. Hier ist nun die kürzeste Entfernung per Bahn zur Bleibe ihrer Muhme. Faisal hatte alle restlichen Taler zusammengekratzt, die ihnen noch geblieben waren, damit der Teenager die Bahnreise bezahlen kann und nicht noch zu Fuß quer durchs Land ziehen muss.
„Vielleicht führt euch ja … euer Weg über die südliche Seidenstraße bei mir vorbei, wenn ihr bei dieser Farsane wart!“, mutmaßt Nishay hoffnungsvoll und schüttelt sich gleichzeitig leicht fröstelnd bei dem Gedanken an diese für sie recht schon kühle Region im Nordosten Persiens. Wer geht da freiwillig hin … außer die Kälte resistente Khulan?
„Wir … haben leider noch keine konkrete Idee, wie es danach weitergeht!“, gesteht Miyu. Was macht sie sich eigentlich auch vor? Ohne Romanas und Faisals Überlebenskünste wären sie schon längst am Ende und könnten kaum für sich sorgen in dieser hauptsächlich aus Wüstensand geformten vertrockneten Landschaft. Sie wäre Nishay keine Hilfe! Leicht fällt es Miyu nicht, den Teenager ziehen zu lassen. In einem knappen Jahr erst wird das Mädchen tatsächlich großjährig.
Yunas Blick pendelt derweil hin und hergerissen zwischen den beiden jugendlichen Schicksalsfreundinnen umher. Die Frage nach nördlicher oder südlicher Route ist wie die Qual der Wahl zwischen den beiden liebgewonnenen Kampfgefährtinnen der letzten Tage.
Gleichwohl schlägt Yunas Herz eindeutig mehr in Khulans Richtung beziehungsweise bis zum Hals, wenn die ihre mandelförmigen dunklen Augen verlangend über ihren Körper wandern lässt, sie mit diesem süßen Augenaufschlag taxiert, die Lippen zum Kuss schürzt …
„Sobald wir Handys, einen Laptop oder sonst was haben, werde ich die Netze nach dir durchforsten!“, schwört Yuna der Inderin heilig und … fängt den verneinenden Blick ihrer Mutter auf. Es wird nichts dergleichen geben, um sie niemals nachverfolgen zu können, wenn sie in Japan angekommen sind. Sie müssen vollständig aus der Welt verschwinden … quasi wie nicht existent!
Yuna schlägt die Augen nieder, denn wieder kommen die Bilder hoch … an Keito … seinen Pa … die furchtbaren Erlebnisse.
Miyu könnte sich vor den Kopf schlagen. Warum hat sie Yuna nicht für den Moment den Glauben gelassen, dass es so sein würde …, dass sie frei durch die Welt kommunizieren und wandern würden, dass alles irgendwie wieder gut werden würde …
Das Glück ist ein flüchtig Ding! Miyus Blick fällt unwillkürlich auf Khulan. Sie denkt dabei an Jorunns Warnung. Ob es der Schwedin gut geht auf ihrem Weg gen Norden?
„Ich muss diesen Zug kriegen!“ Nishay ist bereits aufgesprungen und wird noch einmal ganz fest von Khulan zum Abschied gedrückt: „Halt die Ohren steif! Du schaffst das …!“ Yuna winkt dem Mädchen noch eine Weile wehmütig nach, als es auf den Bahnhof zueilt.
Faisal steuert nach einem weiteren Ruhetag in der nächsten Nacht den Teppich auf das Zentrum einer großen persischen Stadt zu. Er hätte nicht gedacht, dass ihn Miyus Weg ausgerechnet in seine Heimatstadt führt. Zufälle gibt es … Allmächtige! Die macht sich wohl auch die Welt wie sie ihr gefällt! {Jupp, macht sie ? …}
„Welche Adresse genau?“, verlangt der ‚Steuermann‘ von seiner Mitfliegerin zu wissen. Miyu hat sich Farsanes Anschrift zum Glück gut eingeprägt und hofft, den Straßennamen halbwegs richtig auszusprechen ...
„Wie war das?“ Faisal wendet sich verwundert um. Farsane ist kein seltener Name in Persien aber … auch noch die gleiche Straße? Miyu haspelt sich noch einmal in der fremden Sprache ab, wiederholt ihre Aussage. Faisal hat aber schon längst verstanden … leider Gottes.
„Hausnummer?“ Die Gesichtszüge des Fluchthelfers wirken auf einmal recht versteinert. „14 …“, erwidert Miyu vorsichtig. Was ist denn auf einmal mit ihm los?
„Jetzt schlägts aber 13!“, entfährt es Faisal heftiger als beabsichtigt. Die vier Frauen, die noch mit von der Partie auf dem Reise-Teppich sind, schauen ihn mit großen Augen fragend an, ob er sich irgendwie noch weiter erklärt … Doch Faisal zieht es im Moment vor, zu schweigen. Vor sich hin grummelnd fliegt er tatsächlich lieber die Hausnummer 13 an.
„14 ist da drüben!“, weist er mit einer Hand blind noch ein paar Meter über dem Boden schwebend auf die gegenüberliegende Straßenseite, hält die Augen dabei geschlossen als könne er nicht hinsehen … „Dort wohnt d e i n e Farsane!“ Faisal kann den etwas bitteren Unterton in seiner Stimme nicht verbergen. Betreten schaut er zur Seite, statt Miyu an: „Ich komm‘nicht mit rein!“ Wir werden uns am besten gleich hier draußen verabschieden und dann alle unserer Wege gehen ...
So abrupt hatte sich der ehemalige Wächter des Serails allerdings nicht vorgestellt, seine Reisegefährtinnen hier einfach an Ort und Stelle stehen zu lassen, nur … in d e m Haus … kann er sich nie mehr blicken lassen. Farsane wird wohl auch nicht erpicht sein, mich wiederzusehen …
Romana wird nun doch etwas ungeduldig, legt beruhigend eine Hand an Faisals Wange. „Nun sprich schon, Faisal. Welche Laus ist dir denn gerade über die Leber gelaufen?“ Sie waren sich während der Reise etwas nähergekommen, also … sie und Faisal ein winzig kleines bisschen mehr als die anderen … Aber, aber … noch nicht sooo nah.Also, nur nichts falsch verstehen …
Romana will es nach all den Jahren beim Sultan behutsam und sittsam und ehrbar … also, gaaanz langsam … angehen … Ach man …! Was mach‘ ich mir vor! Am liebsten würde ich mich Faisal sofort in die Arme werfen und mich den ganzen Tag eng an ihn kuscheln. Aber nein, nein! Dann bekäme er noch einen schlechten Eindruck von mir … Verschüchtert zieht die junge Frau ihre Hand wieder zurück.
Faisals Augen verengen sich grimmig, dabei will er die liebliche Romana gar nicht böse anschauen. Aber gerade fühlt er sich bedrängt, etwas zu offenbaren, was er am liebsten unter den Teppich kehren würde. „Hah!“, lacht er unfroh auf. Was für ein dämliches Bild!
Miyu und Yuna sehen sich nur irritiert an. Yunas Augen fragen nur ‚kapierst du das?‘ Miyu verneint mit einem kurzen Blinzeln und bedeutet gleichzeitig mit stoischer Mine, verhalten in der Sache zu reagieren. Ihnen bleibt auch kaum etwas anderes übrig, denn sie schweben noch immer zig Meter über dem Boden. Yuna linst zum ‚Haus‘ dieser Farsane rüber. Ganz schön protziger Schuppen! Sie nickt leicht seitlich mit dem Kopf in die Richtung, bedeutet durch Heben der Augenbrauen: ‚Was hältst du davon?‘ Mutter und Tochter sind in nonverbaler Kommunikation geübt, mussten schon manche brenzlige Situation in dieser Art meistern. Miyu hebt nur sacht die Schultern, was so viel wie ‚weiß noch nicht so recht!‘ bedeutet.
Faisal senkt langsam den Teppich zur Erde herab - immer noch in einigem Abstand zu Farsanes Haus. „Ich bleibe hier!“, erklärt er bestimmt. „Okeyyyyy!“, etwas irritiert wie enttäuscht ist Miyu über diese unverrückbare Bestimmtheit in Faisals Haltung schon. Irgendwie hatte sie sich gewünscht, der Rest der Gruppe würde noch ein wenig gemeinsam bei dieser hoffnungsvollen Adresse verweilen und ausruhen. Sie hatten doch einiges zusammen durchgemacht ...
„Vielleicht ist es besser, wenn nicht gleich so viele vor der Tür stehen …“, wägt Romana ab, die eigentlich im Moment nur recht unentschlossen zwischen allen Parteien hin und herschaut. Bei Faisals etwas verhärteten Gesichtszügen wagt sie gerade weder näher an dieses Haus heranzutreten, noch den jungen Mann nach dem Grund seiner Bitterkeit zu fragen. Sie möchte weder die Freundinnen ziehen noch Faisal allein zurücklassen, verharrt daher ratlos irgendwie an Ort und Stelle.
„Vielleicht hat Romana recht!“, bekräftig Yuna den Vorschlag der Fluchtgefährtin milde lächelnd, um sie nicht ganz so ratlos dastehen zu sehen. „Stellen wir uns doch erst einmal nur zu Dritt in dem Haus vor und schauen wie wir empfangen werden. Dann kommen wir zurück und berichten …“
Der Teen hakt seine Mum und Khulan unter, zieht sie leicht mit sich. Yuna möchte Khulan am liebsten nie mehr loslassen, hofft sehr, dass sich ihre Wege nicht trennen mögen. Immer mehr hat sie das kühne junge Mädchen liebgewonnen, das jetzt auch beherzt mit auf das gegenüberliegende Gebäude zumarschiert und lachend nach vorn sieht – in Erwartung einer kräftigenden Mahlzeit und feinen weißen Laken für die Nacht.
„Wir werden bestimmt fürstlich empfangen! Gleich öffnen sich euch die Pforten zu einem Paradies …“, witzelt Yuna noch zuversichtlich nach hinten, als sich Romana … unbemerkt ein dunkler Schatten nähert ...
„Ahhhhhhyyeeee …!“ Schrill schreit Romana in der dunklen Nacht auf, als sie von hinten gepackt und in die nächste dunkle Gasse gezerrt wird. Faisal - mit konzentriertem Blick noch auf Farsanes Haus gerichtet - vermag im ersten Moment gar nicht so schnell zu reagieren, als ihm auch schon der Teppich entrissen wird und er einen heftigen Schlag gegen die Brust verspürt: „Mmpppfffff ...“
Der ehemalige Wächter Sultan Ali Paschas fängt sich wieder, teilt seinerseits nun heftig mit beiden Fäusten aus, greift den Kerl beim Nacken, um ihn niederzuringen. Zwei? Sind das zwei oder mehr? Fast zeitgleich sieht Faisal, wie Miyu, Yuna und Khulan wieder kehrt machen und helfen wollen. „Flieht! Das sind die Häscher des Sultans!“, brüllt er den drei Frauen entgegen, bedeutet ihnen mit energischer Handbewegung, weg zu bleiben und dass er Romana folgen wird, während er schafft, seinen Angreifer auf etwas Abstand zu halten.
Eingedenk zweier Teenager an ihrer Seite erscheint Miyu dieser Schritt ratsamer. Und so nickt sie ihrem Fluchthelfer nur kurz zu und zerrt beide Mädchen umgehend hinter das nächste Gebüsch. Mit klopfenden Herzen vernehmen die drei ohne weitere Sichtmöglichkeit nur noch, wie Faisal scheinbar weiterhin tatkräftig ausschenkt und eine fremde Stimme die Nacht verflucht. Dann … davoneilende Schritte …
Miyu fröstelts. Sie denkt an Irunn, hofft, dass kein Scherge des Sultans der Schwedin gefolgt ist, als hinter ihnen das Haus zum Leben erwacht. Licht dringt plötzlich aus Fenstern und einer geöffneten Tür hervor …
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Faisals Angreifer gibt letztendlich Fersengeld, eilt mit dem Teppich als Beute unterm Arm davon. Verzweifelt hetzt Faisal Romanas Entführern durch die engen Gassen hinterher, schnappt sich auf dem menschenleeren Bazar von einem der Stände das nächstbeste Objekt zur Verteidigung, das seinen Weg kreuzt.
Keiner der Frauen wünsche ich, je wieder gefasst und ins Serail zurückgebracht zu werden, aber ausgerechnet Romana …! Das verstört ihn am meisten. Seine Lungen brennen, sein Atem geht heftig und stoßweise, aber er ist nicht bereit aufzugeben, denn nur wenige Meter vor ihm stiebt der ‚Teppichdieb‘ durch die schmalen Straßen, weiß scheinbar das Gefährt nicht zu nutzen …
Noch im vollen Lauf wirft Faisal mit der schweren Flasche in seinen Händen nach dem Vordermann und … trifft gut gezielt den Hinterkopf. „Uuurggghhh!“, geht die dunkle Gestalt in die Knie, sinkt vornüber. „Nummer eins!“, freut sich Faisal unbändig, greift sich ‚seinen‘ Teppich wieder und blickt wild um sich. Wo ist Nummer zwei? Wo ist Romana?
Faisal kniet sich zu dem Niedergestreckten runter, packt ihn am Kragen, schüttelt ihn kräftig und verlangt Auskunft: „Wo ist dein Kumpan hin?“ Stöhnend schüttelt des Sultans Lakai nur leicht den Kopf. Faisal versetzt ihm ein paar Ohrfeigen: „Rede! Oder es gibt noch mehr!“ Er weiß sich in seiner Wut und Angst um Romana keinen anderen Weg als weitere Schläge anzudrohen. Doch wieder nur flehendes Kopfschütteln … „Er weiß es nicht! Verdammt!“, stößt Faisal den Mann verärgert auf den Boden zurück, lässt einen kurzen Augenblick den Kopf hängen … Wäre ja zu schön gewesen … Wir alle frei … … …
Aber … eigentlich ist … das Ziel doch klar! Faisal richtet sich wieder auf, entschlossener denn je, dem Sultan und dessen gedungenen Dienern entgegenzutreten. Miyu, Yuna und Khulan sind in Sicherheit – bei Farsane! I c h muss mich um Romana kümmern!„Wart’s nur ab, Ali Pascha!“, verflucht er gen Nachthimmel laut den Despoten. Schon entzünden sich Lichter hinter manchen Fenstern … „Was ist da los? Was ist das für ein Lärm!“, schimpft es auf die Gasse runter.
Schnell schwingt sich Faisal auf den zurückeroberten Läufer und nimmt die Verfolgung von Romana auf. Ich lass dich nicht im Stich, Liebste! Die süße Maid ist ihm teuer geworden.
Vielleicht kann er diese Frau wenigstens retten. Wer weiß, was aus Farsane wurde, nachdem … sie einander im biblischen Sinne ‚erkannten‘. Ihre Familie hatte ihn zum Teufel gejagt … Sie vielleicht auch? Lang ist’s her …
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Heftig wehrt sie sich: „Glaub ja nicht, ich mach‘ es dir leicht!“ - „Umpf! Ahhhh! Grrrrrrr …!“ Beflügelt von dem Mut der Fluchtgefährtinnen, den sie kennenlernen durfte und in der Hoffnung, dass jemand nach ihr suchen würde, setzt Romana immer wieder ihre Fingernägel, Fäuste, Hände und Zähne gegen ihren Peiniger ein, um ein Vorwärtskommen zu behindern. Allein, ihre Kraft reicht nicht ganz, aber Romana ahnt, dass die ‚Ware‘ vor ‚Rückgabe‘ nicht beschädigt werden darf. Sonst hätte sie wahrscheinlich schon längst Verletzungen zu befürchten gehabt.
Wieder setzt sie mit einigen gekonnten Tritten ihrem Entführer redlich zu, dem es nun aber endgültig zu reichen scheint, nachdem ihnen offenkundig keiner direkt auf den Fersen ist. Ablenkung gelungen! Unsanft fühlt sich Romana zu Boden geworfen. Hände und Füße werden ihr gebunden, ihre Schreie mit einem Knebel erstickt. „Nun, hab ich‘s leicht, du Fliegengewicht!“ Mühelos wird sie über eine Schulter geworfen. Stumm und unter Tränen kann Romana nur noch hilflos ihrer Verschleppung beiwohnen …
„Was … sucht ihr in unserem Garten?!“ Die drei Frauen – nun auf der verkehrten Seite des Gebüsches, hinter dem sie sich geduckt hatten – fahren heftig zusammen, als sie von einer markanten Stimme angerufen werden, die in Farsanes Haus hinter ihnen im Türrahmen steht.
„Ähm, äh …“ Miyu ist schon viel im Leben gewöhnt gewesen, aber so langsam ist sie auch einfach nur noch erschöpft, überfordert, nicht ganz Frau der Lage … Zuviel passiert auf einmal. Irgendwie hatte sie gehofft, eine junge Frau würde hilfsbereit in dieser Tür erscheinen – jene besagte Farsane. Stattdessen steht dort ein vollbärtiger wehrbereiter stattlicher Herr, der sie arg an den Sultan erinnert. Auch das Prachtgemäuer weckt unangenehme Erinnerungen …
Khulan scheint ähnliche Gedanken zu hegen. Der Wagemut von vorhin verfliegt. Misstrauisch beäugt sie die Figur im hellen Schein des Innenlichtes. Dennoch wagt sie sich einige Schritte vor. „Wir suchen … Farsane!“ „Farsane?“, kommt es fragend zurück. Farsane, Farsane? Vielleicht die Vorbesitzer?
„Wohnt sie hier?“, hakt Khulan forschend nach. Der Kerl lässt sich zu sehr Zeit mit einer Antwort! Die Mongolin beobachtet, wie der Mann vor ihr mit etwas zusammengekniffenen Augen seinen Bart krault und eine Antwort abzuwägen scheint, während er seinen Blick langsam über die drei Frauen gleiten lässt.
Die recht beringte Hand sät noch mehr Verdacht in Khulan, dass sie hier möglicherweise einen recht windigen Händler vor sich haben, der nicht unbedingt auf redliche Weise zu dem ganzen Prunk kam und auch sonst kaum Skrupel in seinen ‚Geschäften‘ kennt. „Jaaaaa, natürlich …! Ja, ja! Seid ihr … Freundinnen von ihr? Kommt nur herein. Wir freuen uns … auf Bekannte von … … … äh, Farsane!“
Miyus und Yunas Nackenhaare stellen sich auf. Betroffen schauen sie sich gegenseitig an. Irgendwie erscheint ihnen das Ganze auch äußerst suspekt. Kein weiteres Nachfragen, was sie hier mitten in der Nacht hinter einem Busch machen? Das zögerliche Antworten des leicht verschlagen dreinblickenden Herrn fällt auch ihnen auf. Khulan hingegen tastet sich keck weiter vor: „Und Sie sind …?“
Wieder dauert es eine Weile, bis ihr Gegenüber sich seinerseits schrittweise auf scheinbar ganz wackligem Boden an Kenntnissen vorwärts wagt: „Ihrrrrrr … gutmütiger … Großvater?!“ Eher wohl der böse Wolf!, geht es Yuna durch den Kopf und merkt wie ihre Mum schon leicht weiter zurückweicht, sie sacht nach hinten zieht …
„Vielleicht bitten Sie unsere … ‚Freundin‘ erst einmal an die Tür, damit wir mit ihr sprechen können?“, schlägt Yuna vor. Keine der drei Frauen ist im Moment gewillt, einen Fuß über die Schwelle des Hauses zu setzen. „Oh, oh Farwane schläft noch!“, erwidert der so überaus gastfreundlich gesinnte Herr. „Doch kommt nur rein und trinkt erst einmal eine feine Tasse Kaffee!“ Von solcher Art Kaffee hat Miyu eindeutig die Nase voll.
„Farwane? Hah!“, empört sich Khulan mit in die Hüften gestemmten Fäusten. „Du willst uns wohl auf den Arm nehmen!“ Unvermittelt wechselt sie in weniger höfliche Anrede. „Was ist mit der Farsane passiert, die hier wohnen sollte?“ Ebenso unvermittelt fällt die Maske und barsche Antwort folgt: „Was weiß ich! Ich wollte nur freundlich sein … Ihr müsst euch doch … offenkundig verstecken? Na, da seid ihr doch an der richtigen Adresse!“ Wieder wird einladend die Tür offengehalten, begleitet von hämischem Gelächter … „Wir haben Besuch! Kommt mal alle her!“
Das ist das Signal zum Aufbruch! „Das ist eine Falle! Los, hauen wir ab!“, schreit Khulan aufgebracht und macht auf dem Absatz kehrt. Zu Dritt rasen die Frauen auf die nächsten Gassen zu, verschwinden in den dunklen Schatten von Torbögen und dem Gewirr von Basarständen.
Nach einer Weile gönnen sie sich - stark keuchend - endlich innezuhalten. Frustriert und ermattet lassen sie sich an Ort und Stelle auf dem harten Steinpflaster nieder. Niemand scheint ihnen gefolgt zu sein. So weit so gut! Sie brauchen ein paar Minuten, um halbwegs wieder zu Atem zu kommen, den Puls zu entschleunigen.
„Und nun?!“, fasst Yuna ihre desaströse Lage zusammen. Müde lässt sie ihren Kopf auf die angewinkelten Knie sinken. Faisal und Romana sind verschwunden. Die beiden in dieser großen Stadt wiederzufinden gliche der Suche einer Nadel im Heuhaufen. Die erhoffte Anlaufstelle in Persien hat sich auch zerschlagen. Miyu versucht Fassung zu wahren, aber es will ihr zum allerersten Mal auf dieser ständigen Flucht vor allem und jedem nicht mehr ganz gelingen. Tränen verschleiern ihren Blick.
„Es tut mir so leid, Yuna! Ich treffe einfach … die falschen … Entscheidungen. Ich weiß nicht … weiter!“ Diese Hoffnungslosigkeit einzugestehen, die sie gerade überwältigt, lässt Miyu noch mehr in sich zusammensacken. Sie haben kein Geld, keine Verbindung mehr zu irgendwem noch, kein Handy … Jack muss schon vom Schlimmsten ausgehen, denn sie haben sich noch nicht einmal mit einem Brief oder irgendeinem anderen Zeichen wie vereinbart bei ihm melden können.
Auch Yuna bricht jetzt in Schluchzer aus, weil sie keinen Ausweg aus ihrer desolaten Lage mehr erkennen kann. Ein Arm legt sich um ihre Schulter, Khulan drückt sie fest an sich, liebkost Yunas tränenverschmierte Wange. „Gebt euch nicht auf! Das ist nicht das Ende!“ Schniefend blickt Yuna zur geliebten Freundin hoch. Auch Miyu richtet ihren fragenden Blick auf das immer noch recht wagemutig wirkende Mädchen. Wo kommt sie nochmal her? Miyu fallen wieder Irunns Wort ein, dass Yuna sich etwas vorsehen sollte …
„Mein Weg ist euer Weg! Zumindest, wenn ihr die nördliche Seidenstraße in Erwägung ziehen könntet.“ Miyu schluckt leicht als sich alle drei wieder in die Höhe stemmen. Es geht auf den Winter zu … Es würde bitter kalt werden in den endlosen Steppen der nördlichen Breiten. Es gäbe kaum Menschen, kaum Ansiedlungen in dem weiten Areal. Jack würde wiederum nichts von ihnen hören … Yuna klammert sich an Khulan wie eine Ertrinkende, weint haltlos … Miyu kann das Wechselbad zwischen Verzweiflung und Hoffnung ihrer Tochter regelrecht körperlich spüren. Ihr Magen verengt sich. Was, wenn das wieder eine Fehlentscheidung ist? Wir wären absolut abhängig von Khulan!
Miyu macht sich nichts vor. Jacks Forschungsreisen führten ihn kaum in nördliche Hemisphären und etwas winterfest in einer immer noch annehmlichen Winterskihütte zu sein, bedeutet nicht, sich in einer Region mit Permafrost tatsächlich bewähren zu können. Dafür fehlt es Miyu und Yuna schlichtweg an Erfahrung.
Ganz pragmatisch wirft Khulan ein: „Ihr könnt ja noch ein Weilchen über meinen Vorschlag nachdenken. Erst einmal brauchen wir was anderes am Leib – oder zumindest ums Haupt, um hier besser untertauchen zu können.“ Sie zeigt sich nicht im mindesten verstimmt, dass Miyu und Yuna nicht gleich antworten und dreht sich einfach um, um systematisch die unbewachten Markstände zu durchstöbern. „Was die hier alles unverschlossen liegen lassen …“ Yunas Augen blinzeln unter Restfeuchte ganz verliebt die junge tapfere Mongolin an.
„Ja, so kann’s gehen!“, rückt Khulan, ganz zufrieden mit ihrem Werk, noch ein paar letzte Fransen um Yunas Gesicht zurecht. „Ehrlich?“, entgegnet Miyus Tochter etwas weniger glücklich. „Müssen wir das tragen?“ Noch nie hat sie dermaßen ihr Haupt bedeckt. Irgendwie fühlt sie sich recht eingeengt. Auch Miyu schaut nicht ganz froh in ihrem aufgepimpten Outfit drein, aber ihr ist klar, welchem Zweck es dient: um besser in der Menge unterzutauchen und nicht weiteren unerwünschten Gelüsten ausgesetzt zu sein. Liebevoll umarmt Khulan den neu eingewickelten Teen: „Ist doch nur für’ne Weile, bis wir hier wieder raus sind.“ Yuna schmiegt sich in Khulans Arme, wiegt sich eine Weile in deren Wärme.
Miyu schaut etwas verlegen weg. Immer wieder taucht Jorunn Gesicht vor ihren Augen auf. Wo mag sie jetzt stecken? Und was wusste sie … von Khulan? Warum hat sie es mir nicht erzählt? Miyu ist noch immer nicht zu einer Entscheidung gekommen. Die nördliche Route der Seidenstraße ist … gefährlich! Eine Herausforderung an Kraft und Zähigkeit.
Wie sollen wir da nur halbwegs vorankommen …, uns orientieren, wenn erst einmal der Schneefall einsetzt? Miyu blickt wieder zu Yuna hinüber. Verlier dich bitte nicht, meine Tochter. Eigentlich wird ihr jetzt erst klar, dass sie nie genauer wusste – bis auf diese Sache mit … Keito – wie oder mit wem Yuna ihre Neigungen auslebte. Der Teen war manchmal abends aus, sollte aber bis Mitternacht immer zurück sein und hielt sich auch bis auf eine Nacht daran.
Nie brachte Yuna Mädchen, in die sie vielleicht verliebt war, mit nach Hause, obwohl sie doch gewiss sein konnte, dass es keinerlei Einwände von ihrer Mum geben würde. Diese Liaison mit Keito schien Miyu … erst nur eine Scharade zu sein, die Yuna zuletzt sogar sehr zu verunsichern schien. Schlau wurde Miyu nie aus der Freundschaft der beiden Teens und muss erst jetzt erkennen, dass sie nie wirklich mit Yuna darüber redete, wie sich Beziehungen für sie entwickelten. Immer hatte Miyu zu viel um die Ohren gehabt ...
Yuna jetzt so verliebt zu erleben, erfreut Miyu einerseits … Andererseits fürchtet sie auch, dass ihre Tochter sich gerade etwas zu sehr fallen lässt. Ist es ihre erste Verliebtheit dieser Art? Wie weit war sie schon … aktiv? Vielleicht hatte Miyu sich zu wenig Gedanken bisher gemacht, weil sie sich mit dem Thema Schwangerschaften bei einer lesbisch orientierten Tochter nie auseinandersetzen musste … wie auch Vater Jack nicht. Tja, bis … Keito auf den Plan kam! Ich habe einiges Versäumt in deinem Leben, meine Tochter! Diese Erkenntnis sackt schwer in Miyu ein, drückt ihr eh schon gedämpftes Gemüt noch weiter nieder. Lässt sie noch schwerer den weiteren Weg erkennen, den sie als nächstes beschreiten sollten. Jack als guter Freund fehlt ihr an ihrer Seite, Elanis warmherziges Gemüt, Lottas zuweilen fröhlich-kindliches ... Und Jorunns Umarmungen fehlen ihr auch.
Dumpf und gebeugt hockt Miyu auf dem Absatz eines Hauseinganges. Wie soll es nur weitergehen? „Mum, was ist denn?“ Betreten hockt sich Yuna zu ihrer Mutter runter. Oh Gott, jetzt tröstet mich noch mein eigenes vernachlässigtes Kind! Zum zweiten Mal in dieser Nacht bricht Miyu in Tränen aus. „Ich bin einfach nur gestresst, hungrig, müde, erschöpft …“ Aber sie weiß auch, dass es mehr als dass ist, was sie gerade so niederringt. Das Gefühl, so vollkommen am eigenen Kind versagt zu haben!
„Es tut mir leid! So unendlich leid, mein Kind!“ Yuna versteht gerade nicht, worum es geht. „Wir alle sind es gerade ziemlich leid, ich weiß, aber … irgendwie … müssen wir weiter, Mum!“ Angestrengt versucht sie, ihre Mum von der Erde hochzuziehen. „Komm schon, Mum! Komm hoch!“ Yuna zehrt weiter an ihrer Mutter, bis Miyu endlich mithilft, sich selber wieder aufzurichten. „Ja, natürlich, du hast Recht, mein Kind!“, lässt Miyu ein müdes Lächeln über ihr Gesicht gleiten, versucht, sich wieder zusammenzureißen und ihre Lage nicht noch durch momentane Lethargie weiter zu verschlechtern.
Khulan drängt Mutter und Tochter weiter in die nächste Gasse, um ein paar Lebensmittelreste ausfindig zu machen. Davon wird nachts weniger zurückgelassen, eigentlich nur frische Abfälle, an denen sie sich laben müssen und die nicht mehr so sättigend sind. Wenigstens finden sie ausreichend zu trinken. Die letzte Mahlzeit liegt jetzt schon fast 16 Stunden zurück. Bald wird die Stadt zu neuem Leben erwachen. Kaufen können sie sich … nichts! Kein Geld mehr ...
„Und, habt ihr eine Entscheidung getroffen? Kommt ihr mit m i r … zur nördlichen Route?“ Miyu sieht Yunas Augen, die gerade aufleuchten und weiß …, ihre Tochter hat ihre Entscheidung schon längst getroffen …
Mit Mühe und unter lautem Fluchen hatte Kapitän van Houten das Schiff wieder unter Kontrolle bringen können. Nun dümpeln sie wieder in völliger Windstille vor sich hin. „Was zum Teufel war das?“, faucht der Pirat wiederholte Male aufgebracht. Nie zuvor war ihm ein so plötzlich auftosender und bald darauf abflauender Sturm in diesen Breitengraden untergekommen.
Malecantus spürte es gleich, als er wieder an Bord kam … diese verblassende fremde Präsenz an Tanuí - als umwebe ihn ein leichter Duft okkulter Nachhaltigkeit. Der Insulaner fühl in seinem Rücken des Magiers bohrende Blicke. Was weiß der schon wieder? Oder was ahnt er zumindest? Immer wieder ist Tanuí über Malecantus Fähigkeiten überrascht. Aber scheinbar will ihn der Magier nicht hier vor versammelter Mannschaft ansprechen.
Nur Merlin wirft schon mal eine Frage mit wundersam erstaunten Augen auf: „Wie … hast du den Sturm da draußen in der See so heil überstehen können, Tarek?“ Er nennt Tanuí oft noch bei dem ihm zuerst bekannt gewordenen Namen, was dem Insel-Exilanten bitter aufstößt, weil er mit seiner Zeit auf Batuu und dem ganzen Elend zu gerne abschließen würde.
„Bin halt ein exzellenter Schwimmer!“, erwidert Tanuí einfach nur keck dem Zauberlehrling und schaut vorsichtig zu Malecantus rüber, der leicht die Stirn runzelt. Auch Merlin hebt eine Braue als er dichter an Tanuí herantritt und plötzlich etwas für ihn Fremdes an ihm bemerkt, was sich aber schon wieder zu verflüchtigen scheint. „Was …?“ Verwirrt schaut auch er zu Malecantus rüber, der nur leicht den Kopf schüttelt. Sie werden wohl später unter sechs Augen klären, was hier die letzten Stunden passiert ist …
Van Houten hocherfreut, seinen Fahrgast wieder sicher an Bord zu haben, schlägt Tanuí wohlwollend auf die Schulter: „Na, dass nenne ich aber ein Glück. Musst dich ja wirklich hervorragend wie ein Fisch im Wasser bewegen, wenn du das überstanden hast. Wie hast du es denn bloß geschafft, wieder aufzuschließen. Wir waren ganz schön abgetrieben worden …“ So ein Großsegler lässt sich nicht einfach wenden. Sie hätten nicht wieder kehrt machen können.
Malecantus ist ganz gespannt auf Tanuís Ausrede. Denn dafür hält er dessen Äußerungen. Sicher kann er gut schwimmen …, aber das … übersteigt doch die Fähigkeiten eines Normalsterblichen. Noch immer fühlt der erfahrende Magier den übernatürlichen Hauch, der Tanuí anhaftet. Merlin hatte es zuletzt auch bemerkt. Sein Spürsinn als Eleve ist nur noch nicht sehr ausgeprägt.
„Ja, ich … also … mit meiner ganzen Kraft …“ Tanuí windet sich nun doch etwas verlegen um eine Antwort. Wie soll er bloß erzählen, was ihm widerfahren ist da unten 2000 Meilen unter dem Meer? Gregorius schmunzelt in sich hinein. Nein, hier soll nicht allzu viel verraten werden. Ich möchte dieser neuerlichen Geschichte und Geschicke um diesen Tanuí lieber in etwas verschworener Runde auf den Grund gehen.
„Oh, ganz erschöpft, der Kleine. Wir kümmern uns schon um den ‚aus Seenot‘ Geretteten!“, grinst Malecantus unter leicht ironischer Betonung den Kapitän an, während er einen Arm um Tanuís Schulter legt und ihn mit festem Griff die Treppe abwärts unter Deck zieht. Mit den Augen bedeutet er Merlin durchdringend, ihnen zu folgen. Ganz behaglich ist dem ehemaligen Inselmann gerade nicht …
Unten angekommen, drückt Malecantus Tanuí auf einen Stuhl nieder. „Erzähl‘ und lass nur ja nicht wieder etwas aus! Davon habe ich langsam die Nase voll, wenn du was verheimlichst!“, fährt er den jungen Mann barsch an. „Jo, besser ist das!“, pflichtet auch Merlin bei, allerdings weniger angriffslustig als sein Gespiele und hockt sich erwartungsfroh rittlings auf einen der Stühle nieder. Er ist eher neugierig. Malecantus hingegen möchte zu jeder Zeit immer genau wissen, womit er es zu tun hat - besonders wenn fremde Präsenzen im Spiel sind, denn genau danach ‚riecht‘ Tanuí geradezu für ihn.
„Ein Meermann … half mir!“, gesteht Tanuí zögerlich so unter Druck gesetzt. „Und weiter!“, wedelt Malecantus gebieterisch mit einer Hand. „Das war doch noch nicht alles!“ Mit Schrecken erinnert sich Tanuí gerade wieder an diese Handbewegung, die aus einem Sturmtruppler ein Gnom machte. So mit Links aus dem kleinen Finger heraus sozusagen … Hastig sprudelt er alles weitere hervor: „Dieser Paka’a … von der WiWo … Bastion unten … am Meeresgrund … Käpt’n Efraim … Frühjahr … gen Westwinde … durch den Pazifik … nach Takatuka …“
„Häh?“, kratzt sich Merlin irritiert am Kopf. „Das war jetzt etwas zu schnell! Wer war wo? Und wohin sollst du?“ Malecantus hingegen winkt ab. „Ich verstehe sehr wohl!“ Er fixiert Tanuí einen Moment mit seinen irisierenden Augen, wohlweißlich wissend, welch einschüchternde Wirkung dies erzielen kann. Er wendet es auch nur ganz selten bei Merlin an …, falls er ihn mal etwas zur Raison bringen und deutlich machen muss, wer hier der Meistermagier ist!
„Nun!“, startet Malecantus seine eigene Zusammenfassung des Gehörten. „Dieses WiWo-Blatt scheint ja einige Okkulte Figuren bei sich zu vereinen. Einem Meermann begegnete ich persönlich noch nie in meinen ganzen … Jahren nicht.“ Gerade noch hält sich Gregorius zurück, seine 850jährige Lebenszeit zu erwähnen. Er selber behält seine Geheimnisse nämlich sehr gerne für sich.
„Das wird ja immer interessanter, diese Zeitung! Ich bin auch schon sehr gespannt auf unsere ‚zauberhaften‘ Gastgeber im Casino Amerikas.“ Das sie dort von waschechten Magiern empfangen werden, hatte Malecantus bereits von der Künstlerkolonie vernommen. Und scheinbar ist ihm keiner dieser Okkulten übel gesonnen. Vielleicht über die Jahrhunderte … ist mein Frevel in Vergessenheit geraten? Malecantus hofft dies inständig. Das ständige Versteckspiel vor Seinesgleichen wie auch insbesondere vor Vampiren ist er langsam so leid.
Merlin hängt noch einer anderen Äußerung nach: „Kät’n Efraim Långstrump? Lottas Vater … lebt?“ Verwundert lupft er beide Augenbrauen. Viel erzählt hatte Lotta nie, aber das, was er hörte, klang danach, dass sie wohl all ihre Liebsten verloren hätte.
„Ja, ich glaube schon!“ Ein Strahlen erhellt einen Moment Tanuís Gesicht, das im gleichen Moment aber wieder erlischt. „Ich freue mich so sehr für Lotta und bin heilfroh …“, seine Stimme wird immer leiser. „… dass ich ihn nicht auch noch auf dem Gewissen habe. Er war mir … wie ein zweiter Vater!“ Emotional überwältigt schlägt der Insulaner die Hände vor das Gesicht.
Dass ausgerechnet Malecantus ihm mitfühlend einen Arm auf die Schulter legt, hätte Tanuí jetzt nicht erwartet. Merlin auch nicht. Aber der Magier weiß nur zu gut, wie sich selbstverschuldete Einsamkeit anfühlen kann, über soooo lange Zeit. Seine ganze Sippe hatte er vor den Kopf gestoßen für ein bisschen … Anerkennung eines holden Vampires, den er für seinen Freund hielt. „Ja, man kann so jung, so dumm, so … verblendet sein und alles …, alles mit einem Federstrich zerstören … Das weiß ich wohl!“
Abwartend schaut Merlin seinen Geliebten an, ob der noch mehr über seine uralten paranoiden Ängste offenbart. Drängen will er nicht. Es scheint ihm schon lange her, aber in Malecantus Innersten festgenagt wie ein Blutegel zu sein, der ihm einige Lebensfreude entzog und den Magier zuweilen griesgrämiger macht, als er sein müsste. Aber Malecantus schweigt sich vorerst weiterhin über seine Vergangenheit aus.
Tanuí wagt etwas hoffnungsfroher sein Antlitz zu den beiden Magiern zu heben. „Wenn nur ihr beiden mich nicht gänzlich verdammt, will ich aufrecht meinem Schicksal entgegentreten und mich meiner letzten Wochen auf Erden erfreuen.“
Ups! Wieso gibt es jetzt einen Stoß gegen die Brust?„Was redest du da von Schicksal und letzten Wochen …?“, kontert Malecantus verärgert Tanuís ergebene Rede. „Wenn ich mich so leichtfertig aufgegeben hätte wie du es gerade tust, säße ich jetzt garantiert gerade nicht so leibhaftig vor dir! Hör‘ auf mit so einem Geschwafel!“ Oh ja, er hatte sich durch Einiges in einigen Jahrhunderten durchkämpfen müssen. Der Trank des Alterungsstopps machte ihn schließlich nicht unverwundbar. Immer wieder hatte Malecantus seine Haut, sein Leben retten müssen. Gerade auch, wenn er mit verbotenen Früchten, Blumen und Bienchen zugange war …
Und dennoch … hatte er nie seine Finger davon lassen können. Ach ja, immer wieder mit dem Feuer zu spielen liegt ihm wohl im Blut! Und gerade tut sich nochmal eine neue Welt, ein neues Wagnis vor ihm auf. Inselvölker, Meeresbewohner … Ahhhhh! Ein wenig schwelgt Gregorius in pikanten Erinnerungen. Also, das Barockzeitalter war doch …
„Gregorius!“, unterbricht Merlin Malecantus abwegige Gedanken. „Deine Stimmungsschwankungen erstaunen mich doch immer wieder. Dein Minenspiel ist zuweilen wie ein Wechselbad zwischen Blitzgewitter und Sonnenschein!“ Beipflichtend nickt Tanuí. Recht schlau wird er aus Malecantus nicht. Beschweren will er sich aber bestimmt nicht. Letztendlich akzeptieren ihn die beiden ja scheinbar … irgendwie. Gregorius grinst nur dazu. Hört er alles nicht zum ersten Mal.
„Aber wie unser kapriziöser Freund hier sagt …“, wendet sich Merlin nun Tanuí zu, „… denke ich auch, dass du dich nicht gleich über Bord werfen solltest! Und wir begleiten dich natürlich, oder?“ Merlin dreht sich wieder Malecantus zu. „Du kannst ihm doch sicher helfen, heil über den Pazifik zu kommen!“
„Kapriziös, mhm?!“ Malecantus ist mittlerweile wieder recht erheitert. „Du hältst mich also für kapriziös, du … Chorknabe!“ Verschmitzt lächelt er Merlin zu.
„Weißt du, Tanuí …“, wendet sich Gregorius wieder huldvoll dem Schuldgeplagten zu, „… unsere Gnädigkeit verdankst du meinem fehlbaren Lebenswandel und seiner klösterlich angehauchten unfehlbaren Grundgüte. Natürlich kommen wir mit nach Takatuka! Das könnte uns sogar noch besser helfen, Lottas Fluch zu brechen, wenn wir … etwas mehr über ihre alte Heimat erfahren und … ihren Vater treffen …“ Vielleicht erfahre ich auch etwas mehr … über ihre sonderbaren Kräfte und den wundersamen Wolf, dessen Aura mich das erste Mal zu Lottas Haus leitete! Malecantus war diesem Geheimnis die ganze Zeit nie auf die Spur gekommen – wohl auch dank seiner beim Rotschopf verursachten Amnesie. Das wurmt ihn immer noch sehr.
Tanuí kann nur noch ungläubig den Kopf zwischen den beiden Magiern hin und her schwenken. „Chorknabe? Kloster? Merlin?“, fragt er lachend. „Äh, und ihr kommt mit? Ich dachte … ihr sucht nach der Showeinlage in Amerika wieder nach Lotta! Und … und … was wird aus eurem verpackten Manegen Zelt, euren Wohnwagen da in der Ladeluke. Die passen doch nie auf ein … auf ein … Ausleger-Kanu.“ Die Aussicht, nicht allein die Reise über den Pazifik antreten zu müssen, freut Tanuí ungemein, aber … kann es … wirklich sein, dass … die beiden mich begleiten würden?
„Ich war Chorknabe in einem Kloster! Das stimmt! Ist doch nichts Verwunderliches!“ Merlin kann Tanuís Aufregung gar nicht verstehen. „Oh, ja!“, lächelt nun Malecantus leutselig und bietet seinen Goldschatz ‚feil‘. „Mit wunderbarer Goldkehle, die wir vielleicht zu etwas mehr Geld machen sollten …!“ Was ihm einen leichten liebevollen Rüffel des Angepriesenen einträgt: „Was du nicht alles in Gold umwandeln willst, mein lieber Gregorius … Kommerz ist nicht alles!“
Gespielt aufseufzend rechtfertigt Malecantus sein Ansinnen. „Also wirklich, als wäre ich nur hinter Kohlen, Mäusen, Moneten her. Das ist doch sonst dein Revier, die Geschäfte zu überblicken, guter Merlin. Hast du doch bei Lotta auch gemacht! Ich denke aber zur Abwechslung mal mit … bei unserer Haushaltslage. Tanuí hat nämlich recht. Wir passen nicht alle auf so ein kleines Kanu. Wir buchen einfach eine weitere Passage bei unserem guten Kapitän van Houten und gegebenenfalls auch die Lagerung einiger unserer Sachen über die nächsten Wochen! Wir sollten nicht alles mitnehmen … in diesem Land der unbegrenzten Möglichkeiten!“
Merlin denkt einen freundlichen Moment an die gemeinsame Arbeit in Lottas Garten zurück. „Ach ja, Lotta … Eine feine Zeit war das! Säen, ernten …entsaften …“ Tanuí zieht der Gedanke daran etwas eifersüchtig den Magen zusammen, verspürt er erstaunt an sich selber. Er hatte die Magier damals unbedingt loswerden wollen, weil sie seinen Interessen im Weg zu stehen schienen und weil er dachte, also, dass zumindest Merlin … Und jetzt helfen sie ihm! Wie verzwickt das Gefühlsleben doch ist …
Und was hatte Malecantus gerade noch gesagt? „Ihr wollt mit einem Piratenkutter nach Takatuka?“ Regelrechtes Entsetzen befällt den jungen Insulaner. „Unmöglich!“
„Ach ja!“, fällt Merlin jetzt wieder ein. „Da bist du uns auch noch eine Erklärung schuldig! Was hat das mit deiner Abneigung gegen Piraten auf sich? Ich meine, wir alle wollen nicht von einem überfallen werden, aber dein Erschrecken … ging doch etwas weiter, als du das Schiff sahst. Dabei ist van Houten doch ein ganz feiner Kerl und seine liebliche Bente obendrauf erst recht.“ Neugierig hebt sich auch Malecantus Blick wieder.
Über die Piratenbraut Mae Meddock, die er und Lotta einst liebten, mag Tanuí aber noch immer nicht berichten, windet sich wie ein Aal, als er nur allgemein von den Piratenüberfällen auf Takatuka berichtet … „Häufig suchten sie unsere Insel heim. Wir konnten sie immer erfolgreich abwehren … Mein, äh … das Inselvolk wäre doch völlig irritiert, wenn ich jetzt im Schlepptau mit solchem Gesindel ankäme, auch noch nachdem … nachdem ich …“ Er gerät ins Stocken. Merlin vollendet seinen Satz „… nachdem du – wie du glaubst - eine noch größere Bande anschlepptest? So wie ich verstand, wären sie aber sowieso gekommen - auch ohne dein Zutun. Hatten dich aber … umgarnt, getäuscht … für ihre Zwecke noch zusätzlich benutzt. Du warst … ein Dummkopf!“
So wie ich einst …, geht es Malecantus durch den Kopf. Nein, eigentlich hätte er selber keine Rechtfertigung, Tanuí zu verurteilen. Auch wenn ihn das Schicksal Lottas und der Insulaner sehr dauert. Es ist aber nicht seine Aufgaben, hier zu richten. „Warten wir doch erst mal ab, wie dein … Volk und Lottas Vater reagieren werden, Tanuí. Und das mit van Houten erklären wir dann schon!“, wendet er ein paar aufmunternde Worte an den Inseljungen. „Du bist nicht allein!“
Nein! Tanuí sollte nicht einsam sein. Malecantus hat zu viele Jahrhunderte zwangsweise selber aus Verfolgungsängsten die Einsamkeit gelebt, sehnt sich mehr denn je nach Gemeinschaft. Er hegt selber zunehmend einen kleinen Funken Hoffnung auf Vergebung - zumindest bei seiner Art. So wie er und Merlin sich Lottas anzunehmen versuchten, möchte er jetzt ebenso Tanuí unter die Arme greifen, auch wenn er sich zuweilen über diesen Knaben aufregt. Aber Vielleicht soll es ja so sein, dass das Kind wieder … zu seinem Vater findet und Lotta … nach Takatuka zurückkehrt!
Etwas zuversichtlicher als er sich fühlt, versucht Gregorius ein wenig die Laune aller mit ein paar Taschenspielertricks zu heben. „Lasst uns erst einmal Amerika mit einer grandiosen Show erobern. Viva Vegas! Wir kommen!“
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