0 Neuanfang … …………………………………………………………………………………………………………………………………………….. Danke für die Erfahrungen und Kenntnisse, die ich im RPG sammeln durfte. Nach einer kurzen rauschhaften Zeit gehen die Geschichten um Lotta und Co. hier in 🌺 HERLAND weiter - ein Stück weit im Crossover mit den 📜 WiWo News. Wer weiß, vllt. mengt sich irgendwann sogar noch ein wenig P. mit rein 😏 …
Hier in HERLAND bitte keine Kommentare. Wenn, dann lieber per PN … oder auch gerne in den WiWo-News (siehe Signatur) oder auf dem Discord Server. Dort ist alles auch als PDF hinterlegt. Zugang zum Discord Server auf Anfrage per PN.
Nach der Schule hat Keito nun auch noch Einkäufe und Transportdiente vom Markt der Kleinstadt auf dem Heimweg zum Dorf zu erledigen. Vorbei die Zeit, die sich mal Freizeit nannte oder Jugendalter. Er muss jetzt zum Lebensunterhalt mit beitragen, um das Notwendigste zu finanzieren. Ein kleines fast schrottreifes Moped nennt er nun sein Eigen. Halbwegs aus verschiedenen Resten zusammengebastelt, muss er ständig auch unterwegs dran rumbasteln, um überhaupt vorwärts zu kommen. Benzin gibt es auf irgendwelchen Hinterhöfen in Kanistern. Morgens zur Schule lädt er erst Ma bei der Suppenküche ab, um dann die letzte Strecke weiter zu fahren. Auf dem Rückweg lädt er Wasser, besorgt Kochzutaten, Ersatzteile für seinen Bock. Damit sie halbwegs auch die Handyverbindungen noch finanzieren können, versucht Keito nebenbei auch etwas von den Marktsachen im Dorf weiterzuverkaufen … Von den Transportkosten kann er das Benzin wieder refinanzieren.
Wie sehr sich sein Leben verändert hat … Keito lässt nur leicht die Gedanken in frühere Zeiten schweifen, während er sich auf die Waren auf dem Stand vor sich konzentriert. Was könnte Abnahme im Dorf finden? Was in den Baracken am Rande der Stadt? Sein Blick wandert von den Auslagen vor sich zu einem anderen Stand drüben auf der anderen Seite, der oft ein paar interessanter Angebote noch hat … und bleibt plötzlich haften! Yuuuuu ……na?
Erschrocken wischt sich Keito über die Augen … Nur weil er gerade an sie gedacht hat wie sie … früher …? Er schaut wieder hin … … … Niemand da! Es war wohl eine Illusion! Niedergeschlagen senkt er den Kopf einen Moment, um sich dann einen Ruck zu geben. Hör auf zu halluzinieren! Überleben, handeln, Wasser und Früchte besorgen … Ma vom Suppenstand abholen …
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„Sehr köstlich, Madame. Sie können es mir in den Topf füllen.“ Jack hält der freundlichen Köchin einen mitgebrachten Topf entgegen. Sie muss neu sei. Vor ein paar Wochen servierte hier noch jemand anderes ... Jack kommt ab und zu mal für Besorgungen im Ort vorbei und probiert gerne die heimische Küche. Das was er gerade probierte, war … recht exquisit. Eine Geschmacksexplosion. Er kanns nur nicht so in Wort fassen, ist einfachste Verpflegung oft gewöhnt auf seinen Forschungsreisen.
Elani schaut hoch, lächelt nur ganz sacht. So freundliche Worte. Irritiert erkennt sie … asiatische Gesichtszüge und augenblicklich schwappen Erinnerungen hoch, die ihr leicht den Atem stocken lassen. Schnell greift sie nach dem dargebotenen Gefäß und fängt an, Suppe zu schöpfen, blickt dabei immer wieder kurz hoch. Irgendwas rührt an ihr … Den Klamotten nach …, könnte irgend so ein Forscher sein oder so etwas. Immer diese Khaki-Kleidung. Sie muss tatsächlich etwas mehr bei diesem Gedanken lächeln … Jack sieht’s und freut sich irgendwie, dass er das wohl hervorzauberte – wodurch auch immer, denn zuvor wirkte die Dame noch ein wenig wehmütig und in sich gekehrt. „Bitte sehr!“, reicht Elani nun die Schale zurück. „Und wohl bekommts! Und nennen Sie mich einfach Elani.“, stellt sie sich vor. „Madame klingt so förmlich!“ Es erinnert sie an Zeiten im Fünf-Sterne-Restaurant. Die sind eindeutig vorbei und das ‚Madame‘ … auch! „Sehr freundlich!“, erwidert Jack ganz vergnügt, sein Gegenüber etwas aus der Reserve gelockt zu haben. Davon lebt er in seinem Metier auch ein Stück weit. „Ich bin Jack. Sie kochen wirklich vorzüglich, Elani, wenn ich das sagen darf. Ich schau bestimmt mal wieder vorbei und bin gespannt, was Sie dann noch da aus dem Topf hervorzaubern. Bis dann mal wieder. Sayonara.“, verabschiedet er sich mit dem Topf in der Hand, bevor er in der Menge verschwindet.
Sinnend blickt Elani ihm nach … Sayonara? Woran … Und dieses Gesicht … Woher … … … …? Und auf einmal dämmert es ihr … Das Foto in Miyus früherer Wohnung … „Jack, Yunas Vater, ist viel auf Forschungsreisen unterwegs!“, hatte sie auf Elanis Frage hin mal erklärt, das Bild angelächelt und mit den Worten „Sayonara!“ wieder auf das kleine Schränkchen zurückgestellt.
„Jack! Jack!“, ruft Elani Jack Watanabe über den Markt hinterher … kann ihn aber nicht mehr entdecken. Ihr Magen zieht sich schmerzhaft zusammen … Miyu!
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Asante traut seinen Augen nicht. Seit Stunden hockt er hier im Niemandsland auf Beobachtungsposten … und dann … kommt diese merkwürdige Person heranscharwenzelt als stünden nicht auf beiden Seiten bewaffnete Soldaten. „Hallo, hallo!“ Sie wirkt … wie eine Mischung aus … Wildkatze und Rotfuchs … und bringt ihn damit leicht aus der Fassung. „Was haben sie hier zu suchen?“, faucht er sie auch gleich an. „In Deckung! Sind Sie verrückt, oder was?“
„Ja, ok!“ Sie duckt sich leicht und wirkt dabei erheitert wie auch ein bisschen … angeschickert. „Bugsy Melone mein Name. Star-Reporterin der WoWi-Times für die Sektion Afrika! Sie sind hier wohl etwas zwischen die Fronten geraten. Ich bin sehr am aktuellen Stand für unsere weltweite Leserschaft interessiert.“
Ja, ok, Star-Reporterin ist etwas selbst gedichtet und weltweite Leserschaft, nun ja. Aber Bugsy Melone war noch nie sehr bescheiden, vor allem nicht, wenn … sie etwa getrunken hat. Leutselig lächelt sie den Soldaten neben sich an, der irgendwie gerade nicht weiß … wie ihm geschieht.
Sie hatte sich von Dad dazu bewegen lassen, mit zum Markt zu kommen, mal das kleine Lager zu verlassen und wieder ins Leben um sie herum einzutauchen. Sie hatte mechanisch genickt, mehr um ihn zu beruhigen, denn tatsächlich interessiert zu sein und war hinter ihm auf das klapprige Moped gestiegen. Yuna spricht kaum mehr, nimmt nur noch eingeschränkt ihre Umgebung wahr.
Auf dem Markt schaute Jack sich eine Weile um, eine abwesende Yuna neben sich, die einfach nur mitlief und nichts mehr sieht. Er wolle noch Suppe bei einem Stand am anderen Ende des Platzes besorgen …, doch Yuna hatte keinen Antrieb, sich weiter durch das Gewühl zu bewegen und blieb den Moment in der Nähe des Mopeds zurück.
Während Jack sich mit einem leeren Topf in Händen aufmachte, starrte Yuna nur auf die Früchte vor sich am Stand: grüne Bananen und rote exotische Beeren … Rote und grüne Haare … die letzte Nacht, gelacht und getanzt hatten sie … Campari getrunken, den Keito servierte … und dann …
„Kommst du Yuna?“ Jack ist zurück, steht neben dem klapprigen Moped und schwenkt einen vollen Topf mit beiden Händen. Mechanisch folgt Yuna dem Aufruf, schwingt sich hinter ihren Vater auf, um das gefüllte Gefäß während der Rückfahrt zu halten. Im Lager zurück verzieht sie sich wieder ins Zelt. Sie hat keinen Appetit. Sie hat Sehnsucht! Nach was? Sie weiß es nicht, sie spürt sich kaum.
~~~~~~~~ „So was von köstlich …!“ Miyu gerät geradezu ins Schwärmen über die mitgebrachte Suppe. Ihre Geschmacksknospen vibrieren geradezu beim Goutieren in einfachem Schneidersitz auf nacktem Erdboden. Eine Sehnsucht steigt in ihr hoch … Elani! Können alle in Kenia so begnadet kochen! Das muss Elani aus ihrem Heimatland damals mitgebracht haben … diese Fähigkeit und diesen Geschmackssinn.
Miyu versucht, die traurigen Erinnerungen an ihr vergangenes Leben wegzuschieben. Sie darf gar nicht drüber nachdenken, was sie alles zurücklassen mussten … Dieser letzte Abend, so viele Gäste, Gesichter … Was die anderen wohl machen? Sie schöpft erneut von der Suppe … So lecker! Demütig versucht Miyu, sich an den Kleinigkeiten des Lebens noch zu erfreuen, sich nicht ganz aufzugeben … Allein Yunas wegen darf sie das nicht! Das ist noch ihre einzige Aufgabe …, ihre Tochter wieder zu etwas wie Leben zu erwecken …, wenn das noch möglich ist, denn sie wandelt schlafwandlerisch wie tot unter Sterblichen.
Vielleicht ruft der Drachen wieder die Lebensgeister hervor, vielleicht bittet sie deshalb unterbewusst um diese Gunst …
Zögerlich beginnt Jack nun anzusprechen, was er die ganze Zeit vermied: „Es ist nicht mehr all zulange sicher hier. Wir müssen die Forschungsstätte weiter in den Süden verlagern …“ Miyu schaut von ihrer Suppe auf. „Ich weiß!“ Natürlich hat sie das schon längst bemerkt. Früher hatten sie Jack noch oft durch viel Länder auf seinen Forschungsreisen begleitet und nicht selten streifen diese Kriegsgebiete. Auch wenn es nicht die großen in der westlichen Öffentlichkeit beachteten Kämpfe sind … In den betroffenen Ländern leiden die Menschen unter den steten, oft Jahrzehnte währenden Scharmützeln und Schusswechseln in Hinter- oder Grenzland wie auch Entführungen.
„Und wir müssen ins Land unserer Ahnen, Jack … Zur Heilung!“ Jack nickt wissend. Das hatte er schon geahnt. Allein, es fehlen Geldmittel. Miyu hat nichts von Hab und Gut retten oder mitnehmen können. Wie auch. Sie existieren ja offiziell nicht mehr, sind … bestattet. Tote können nichts wegtragen, also sind sie völlig mittellos ohne etwas gegangen, außer ein paar Kleidungsstücken am Leib. Und ein Forscher ohne rechten Wohnsitz außer dem seiner Ex, der jetzt auch ex ist … hat ebenfalls nichts anzubieten. Die Heimatflüge von Jack … hatte Miyu von ihrem Gehalt bezahlt. Mit ihrem restlichen Bargeld waren sie hierher geflohen … Nie würde sie ihre Tochter ausliefern … noch sie irgendwelchen Verhören unsensibler und unfähiger Bullen aussetzen. Nicht, nach allem, was sie durchmachen musste …
Wie sollen Miyu und Yuna nur von Kenia nach Japan kommen? Die ehemalige Rektorin verfällt ins Grübeln …
„Mein süßer Zauberlehrling …!“ Sanft küsst Gregorius den jungen Mann neben sich wach. Nie hätte er gedacht, solch einen Gefährten auf seiner Wanderung durch die Jahrhunderte zu finden: Liebhaber und Eleve in einem!
Genüsslich rekelt Merlin sich neben dem Magier, lässt einen Arm um dessen Taille gleiten, zieht ihn fester an sich, lässt seine Hand über Gregorius Rücken weiterwandern, während der Kuss leidenschaftlicher und fordernder wird. Eigentlich wollte Malecantus nur Frühstück servieren, jetzt wird er selber gefrühstückt. „Ich habe Rührei …!“ Weiter kommt er nicht. Na gut! Soll es doch kalt werden … das Ei! Dabei hat er sich so viel Mühe gegeben … Aber Merlin ist sowieso der bessere Koch und wird wohl gleich, was Neues ‚zaubern‘ …
Er hatte ihn am Abend zuvor wahrlich zu seinem Lehrling gemacht … Ihm die Kraft verliehen … Etwas, was er all die Jahrhunderte zuvor nie tat. Er hatte noch an den Festivaltagen gegrübelt, die Büchse der Pandora zu öffnen und Lotta selber … einzuweihen …, weil es einen Zweiten seiner Art braucht, den Fluch zu brechen … den er – leider Gottes – selber unbedacht heraufbeschwor!
Doch so ist es ihm lieber … mit Merlin. Wer weiß … was Lotta für Unfug angestellt hätte … Aber vielleicht finden sie sie ja eines Tages und dann … kann er sein Versprechen einlösen.
Ermattet fallen beide nach der morgendlichen Leidenschaft aufs Lager zurück, Merlin sinnlich lächelnd, Malecantus hoch verzückt. Und tatsächlich … gibt es jetzt noch echtes Frühstück. Wird auch langsam Zeit. Dem Magier knurrt schon etwas länger der Magen seit den frühen Morgenstunden. „Wie wär’s mit Rührei?“, grinst Merlin frech und erhebt sich. Er hatte sehr wohl mitbekommen, wie sehr Gregorius sich anstrengte, aber … Merlin schmeckt’s einfach nicht, was der Magier verbrät. Ehrlich nicht! Gregorius kann viel …, aber nicht mal ein einfaches Ei braten.
Der Magier fügt sich lächelnd in sein Schicksal, gegen Merlins Kochkünste nun mal nicht anzukommen. „Dafür hast du heute noch viel zu lernen … Abra Kadabra Simsalabim.“ Gregorius umfasst nun Merlins Leibesmitte von hinten, währen der am Herd fuhrwerkt und schmiegt sich eng an ihn ran, drückt ihm einen kleinen sanften Kuss unter dem Haaransatz im Nacken.
„In dem Spruch steckt ‚Sims‘ drin!“, fällt Merlin auf, während er das Rührei in der Pfanne wendet. „Ist das ein Verwandlungsspruch für … Sims?“
„Äh, öh!“ Malecantus löst sich wieder von seinem Lehrling, kratzt sich am Kopf und überlegt zum wiederholten Male, wo der eigentlich seine Einfälle immer hernimmt. „Noch nie drüber nachgedacht, dass das als Wort da drinsteckt. Also, nein! Das ist eher so etwas wie eine Abschlussformel … Wie ein Amen nach einem Gebet!“
Die Erklärung löst Heiterkeit in Merlin aus: „Wie passend … in einem Kloster!“ Flink serviert er den Pfanneninhalt auf zwei Tellern und beide setzen sich zu Tisch. Gregorius stochert etwas gedankenverloren in seinem Ei herum, bevor er die Gabel nachdenklich zum Mund führt. Einen Augenblick ist er von seinem Gedankengang abgelenkt, preist Merlins Pfannenfertigkeit, um dann aber doch nochmal zu seinen Fragen zurückzukehren: „Was ist das eigentlich für ein eigenartiges Gemäuer hier? Wo … sind die Nonnen, von denen zu erzähltest? Die anderen Klosterschüler?“
Ein geheimnisvolles Lächeln umspielt Merlins sinnliche Lippen, die den Magier einen Moment von seinem Begehr ablenken und eher … neue Begehrlichkeit entfachen … Energisch schüttelt Malecantus das Haupt: „Nein, nein, du weichst mir nicht wieder so kunstfertig aus. Was … ist das hier für ein Ort?!“ Diesmal will er hart bleiben … äh, weich, öhm, hartneckisch … Uff, nein, nein unnachgiebig … Puh! Endlich der richtige Begriff!
Gerade will sich der Magier noch demonstrativ behaupten als … sein Handy vibriert und ihn ablenkt ... „Wir haben in dieser Nebelsuppe noch Empfang?“, wundert er sich und sichtet die eingehende Nachricht:
<< Verehrter Herr Wandermaier. Leider, leider haben wir Ihre Vorstellung verpascht. Es ergaben sich anderweitige … Müßigkeiten, die es just zu dem Zeitpunkt nicht erlaubten, Ihren Gaschtaufenthalt in San Myshuno gebührend zu ho…ho…honorieren. Wir wären aber hoch erfreut, wenn Sie Ihren Wanderzirkus … weschtwärts weiter wandern ließen. Bis in die wilden Weiten der … Prärie! Hier erwarten Sie … im Land der unbegrenschten Möschlichkeiten … Welten … voller Mythen, Magie und Manitou mit seinen ewigen Jagdgründen … Oder nennen Sie es Scharlatanerie, wenn man die wandernden Wunderkur-Doktoren hier bedenkt. Auf jeden Fall erwartet Sie neben Büffel und Bischons ein Publikum, dass sich gerne be- wie verzaubern oder auch hinters Licht führen lässt.
In freuschiger Erwartung Ihre Moema Watola >>
Neugierig liest auch Merlin die Nachricht durch. „Deine Moema? Kennst du die?“ – „Kein bisschen!“, ist Gregorius lakonische Antwort. „Vermutlich hat sie die Plakataushänge gesehen und sich die Nummer notiert!“ Der Magier zuckt mit der Schulter und steckt das Handy weg. „Merkwürdige Einladung!“
Ein bisschen aufgeregt ist Malecantus Lehrling nun doch: „Ich war noch nie im wilden Westen … Zumindest in diesem Leben noch nicht ...“ – „Ich schon – meines weilt ja auch schon etwas länger auf Erden …!“, grinst sich jetzt der Magier mal eins. „Gibt echt einen Haufen Scharlatane dort, die umherziehen.“ Merlin hatte Gregorius den Teil seiner Vita zumindest bereits erzählt: das ewige Wiedergeboren werden und immer wieder neu die Zauberkunst erlernen zu müssen. Dass sie sich seit Malecantus schon 850 Jahre währenden Lebens noch nicht früher begegnet sind … verwundert geradezu.
Auf die Bewandtnis mit dem Kloster im Nebel ist der Zauberlehrling aber bisher noch nicht eingegangen. „So jetzt nochmal … und keine Ablenkung mehr in wild west Manier, Merlin!“ Malecantus schickt einen strengen Blick zu seinem ‚Zögling‘, der aber nur unbeeindruckt süffisant lächelt: „Versprich mir, dass wir den wilden Westen bereisen und ich … erzähle dir … von dieser Insel.“ Ergeben nickt der große Magier. Er weiß, dass Merlin weiß, dass er ihn ohne weiteres zwingen könnte, alles preis zu geben, was er wissen will … Aber der Preis dafür wäre zu hoch. Malecantus will geliebt werden und nicht … gehasst! Trotz aller Neugier für alles Mystische und Magische – und er meint jetzt nicht diese durchtriebenen Wunderdoktoren, die interessieren ihn einen Dreck – beherrscht sich Gregorius, übt sich in Geduld und ... wartet … auf Merlins weiteren Bericht.
„Nun, dass ich durch die Jahrhunderte wiedergeboren werde und zwar schon länger als du lebst … hatte ich dir bereits gesagt …“ Wieder nickt Gregorius: „Und dass du stets immer wieder Merlin geheißen wirst … auch.“ Ja, er merkt sich jedes Wort des Geliebten …: „Warum du niemals auf den Trunk des ewigen Lebens dabei gestoßen bist, bleibt mir allerdings ein Rätsel.“ – „Ich blieb nie lang genug am Leben!“, lautet Merlins direkte Antwort. „Oh!“, hebt der Magier eine Augenbraue. „Das tut mir … leid!“
Einen Moment schauen sich beide intensiv in die Augen, messen sich kurz, bis Gregorius die Stille unterbricht: „Ich kann dir nicht sofort geben, was du begehrst! Du bist … ein Lehrling! Du musst erst die oberste Stufe erreichen …“ Der Magier hofft …, dass Merlin versteht und … ihm nicht wegen seiner Kenntnisse über den gewünschten Trank … Liebe vorgaukelt. Warum hatte er sich so lange Zeit gelassen, ihn in sein Geheimnis einzuweihen. Wozu diente das Versteckspiel …? Musste er als Magier erst geprüft … und für gut befunden werden?
„Weiß … Lotta … von dir?“ Die beiden haben tagsüber oft zusammengehangen … waren auf dem Festival zusammen … Malecantus blickt Merlin lange fragend an, bis der sich zu einer Antwort bequemt: „Sie hatte Berührung mit der Anderswelt … kürzlich!“ Die Stille dehnt sich etwas zwischen den beiden Männern aus als Merlin endlich fortfährt: „Ich vermute genau wie du, dass mehr hinter ihr und dem Wolf steckt – wie auch ihrem Kind. Ich kann es aber genauso wenig greifen wie du. Und sie selber … weiß … nichts!“ Gregorius wartet einfach stumm ab, dass Merlin sich weiter erklärt. „Ich habe ein wenig von mir … durchscheinen lassen, gab ihr eine etwas ‚zauberhafte‘ Anleitung für ihre Tierställe. Sie zeigte keinerlei … Erkennen … oder Wissen.“
Der Magier sieht Merlin durchdringend an: „Ich weiß ja – so wie es aussieht – auch nicht alles! W a s … ist dieser Ort …?!“ - „Ein Zugang!“ - „Zu … w a s?“ - „Meiner Zuflucht!“ - „Uuuuund …?“ - „Der … Anderswelt!“ - „War das jetzt so schwer?“ Malecantus grinst: „Unnnnd w a s ist jetzt so anders?“ - „Alles!“ Nun schmunzelt Merlin recht neckisch. „Ich leg dich gleich übers …“, flucht der Magier. „Versuchs mal!“, kontert der Lehrling kokett, pflanzt sich rittlings dem Flucher direkt auf den Schoss und versiegelt den Rest des Fluches mit seinen Lippen.
Und schon wieder hat der großartige Magier vergessen, was er nochmal wissen wollte … zu diesem Ort, an dem sie gerade weilen, wohingegen sein Lehrling zielstrebig … sein Ziel verfolgt als er die geschwollenen Lippen seines ‚Opfers‘ wieder freigibt: „Reisen wir jetzt in den wilden Westen, oder was?“ Dass die Forderung nach dem Trank zu früh wäre, weiß der wissbegierige ‚Schüler‘ durchaus – trotz allen Bezirzens des ‚Lehrherrn‘. Da bliebe Malecantus … har … … unnachgiebig.
„Wie du willst!“, gibt sich Gregorius nach der köstlichen Attacke etwas schneller atmend dann zumindest doch geschlagen. „Mischen wir uns unters Wandervolk der Prärie, unter die Scharen an Scharlatanen mit ihren Wunderkuren, Yeahh!“ – „Yippieh!“ Der Magier erhält noch einen herzhaften Kuss von Merlin zur Belohnung. Und noch einen oben drauf vom Lykoi-Kater, der nun von seiner nächtlichen Nebelwanderung zurückkehrend schmusebedürftig zwischen die beiden Männer drängt. *Prrrrrr*, schnurrt Malecantus ebenso wie das Schmusebündel. Auch Merlin krault dem kleinen Mäusefänger das Anthrazitfarben glänzende Fell. Eigentlich sind ihm Tiere nicht feindlich gesinnt – nur einmal ein merkwürdiger Reviertiger …
Ein Blick auf die Uhr signalisiert Merlin, dass sich die kuschelige Runde nun leider auflösen muss. „Zeit für die Morgenvorstellung. Allein für die Überfahrt in den Westen brauchen wie einige Moneten. Es wird Zeit, dass du wieder Geld verdienst!“, zieht er - den Kater auf dem einem Arm - mit dem anderen Gregorius lachend vom Stuhl mit sich hoch.
Seufzend wirft sich der Magier in sein lächerliches Kostüm für die magische Illusion im Zirkuszelt, das drüben auf dem Festland steht. Gemeinsam mit Merlin taucht er durch die Nebel, die die Insel umweben und sie unsichtbar für jeden Außenstehenden macht. Aber auch am Ufer hat sich der übliche bretonische morgendliche Dunst noch nicht ganz verzogen.
In den sich langsam auflösenden Schwaden tritt langsam eine Gestalt hervor … grüßt zögerlich: „Hallo! Sucht ihr noch … einen … Wanderarbeiter?!“
„Nach wildem Ritt durch die Prärie nun ein kleines … Feuerwasser!“, prostet Moema Farsane gerade vorwitzig zu. Die beiden Frauen gönnen sich eine Rast im nächstliegenden Saloon, lauschen einer Rede über anstehende Wahlen.
Der etwas durchtrieben wirkende Herr neben ihnen am Tresen applaudiert auffällig viel, animiert die Umstehenden, es ihm gleich zu tun. Sein verschlagener Blick kreuzt den von Farsane. Na, wenn das mal nicht so ein hinterhältiger Scharlatan ist, von dem Moema ihr schon erzählte, die zuhauf durch den Wilden Westen Reisen und Wunderkuren anpreisen … „Gestatten, Hinterhältiger Scharlatan!“, stellt sich der Werbetrommler nun vor. Farsane stutzt. Will der Typ sie verar…zten?
„Darf ich Sie zu einem Gläschen einladen? Haben Sie schon gewählt?“, schiebt er sich gewinnend vor und bestellt einfach gleich schon mal einen Doppelten für Farsane und auch Moema. Der älteren Dame nickt er auch gleichfalls freundlich zu. „Ich will ja gar keine Werbung für meine Frau machen … Aber, sie sollten ihr wirklich zuhören …“
Das tat Moema bereits und ihr wurde leicht schwindelig dabei wie die Bürgermeisterin Erdnuss – so ihr Name laut Wahlplakaten – den Himmel auf Erden verspricht und gleichzeitig wie ein Fuchs mit undurchschaubaren Rechenkünsten die rasanten Steuererhöhungen als Reingewinn für einen jeden von ihnen verklärt.
Der Redeschwall der Bürgermeisterin endet und sie gesellt sich sogleich mit einem „Wie war ich Schatz?“ zu ihrem Ehegespons an den Tresen. „‘Bezaubernd‘ wie immer!“, quittiert der Gatte mit einem innigen Kuss, nicht öffentlich verratend, wie nahe dran dies an die Wahrheit rückt – hat er ihr doch einst selber die ‚Gabe‘ verliehen, damit sie jetzt ganz nett im Duett um die Wette zaubern können … Oder im Duell, das doch immer wieder Spaß mit der Geliebten macht. Danach wird es immer recht nett im …
„Und Ihre Rechnung geht immer auf?“, platzt Moema in des Hinterhältigen hinterhältige Gedanken hinein. „Howgh, Frau Bürgermeisterin Erdnuss, Moema Watola!“, stellt sich die Seniorin als Präriebewohnerin vor und Farsane gleich mit. „Farsane?“, fragt Phillipa Erdnuss erstaunt zurück. „Das klingt eher …“ – „Persisch!“, ergänzt die ehemalige Pflegekraft freundlich und prostet der Bürgermeisterin mit dem Doppelten des Hinterhältigen zu. Ihm prostet sie auch fröhlich für die Einladung zu. Doppelt hält besser …
„Ach, und ich dachte … indisch! Liegt das nicht auch gleich in der Nähe?“, kommentiert Moema lustig die Kommunikation der beiden jüngeren Frauen. „Na, Pakistan liegt noch dazwischen …“, versucht Farsane zu erklären. „Aber alles indogermanisch, oder?“, fährt Moema in ihrer Gesprächigkeit rasant fort. Oder spricht da der Doppelte doppelt aus ihr? „Äh, jaaaaaa …“ Farsane hat keine Ahnung, wo Moemas Gesprächsfaden drauf hinausläuft …
„Kolumbus Rechnung ging auch nicht auf!“, kichert Moema in ihr Glas, in das sie etwas tief schaut. „Dachte, er hätte hier Indien gefunden und nun nennt man uns Indianer!“ Die betagte aber noch rüstige Ureinwohnerin bricht in schallendes Gelächter aus. „Und ich … reite mit einer indischen Amazone durch die Weiten der Prärie! Der Kreis schließt sich wieder wie die Erdkugel, die er bis Indien umrunden wollte – wäre Amerika nicht dazwischen gewesen!“ Moema fällt vor Lachen fast vom Stuhl. Farsanes geübter Pflegegriff kann sie gerade noch aufrecht halten und wieder ihn gerade Sitzposition rücken, während sie selber in Moemas Lachen einstimmt … „Stimmt schon irgendwie!“
Die Bürgermeisterin betrachtet die beiden Frauen erheitert, zwinkert ihrem hinterhältigen Gemahl zu und zückt lächelnd zwei Wahlzettel mit je einem Bleistift. Hier braucht es keine weiteren Zauberkünste. Die beiden sind leichtes Spiel. Ihr Scharlatan ist der beste Wahlhelfer der Welt … Zwei auf einen Streich … „Doppelt hält besser!“, lächelt sie Farsane und Moema an, während sie die beiden Wahlzettel zum Ankreuzen mit ihren ranken Fingern über den Tresen schiebt. Bereitwillig setzen die zum Wahlgang aufgeforderten nicht mehr ganz nüchternen Frauen den Bleistift dort an, wo der Bürgermeisterin Fingerkuppe hinweist. Und schwupp hat der Schatzmeister und Wahlhelfer die beiden Blätter schnell eingezogen. „Wir wollen ja nicht, dass jeder sieht, was ihr gewählt habt. Schließlich gilt ja noch immer das Wahlgeheimnis.“ Zufrieden schiebt er die beiden Zettel in die Wahlurne: „Eingetütet!“, grinst er die beiden betüterten Frauen an. „Noch einen Kleinen?!“ Ohne eine Antwort abzuwarten bestellt er für die beiden dunen Frauen nach …
Hach, ihr Schatz weiß zur rechten Zeit in ‚Wahlpropaganda‘ zu investieren. Er ist doch Goldwert als erster Stadtrat. Frau Bürgermeisterin ist recht zufrieden mit dem heutigen Wahlgang. Man tauscht im beduselten Zustand die Visitenkarten aus. Das heißt, Frau Bürgermeisterin und Herr Stadtrat haben welche … Und tatsächlich vertreibt letzterer auch … Wunderkuren wie Scharlatane es halt tun. Moema und Farsane geben hingegen freiwillig den beiden ihre Rufverbindungen preis. Hoffentlich hagelt es jetzt nicht laufend unkoschere Werbeanzeigen … und unlautere Wahlversprechen.
„Weischu wasch?“, fällt Moema gerade ein, nachdem die beiden sich wieder zu ihren gesattelten Pferden draußen vor dem Saloon aufmachen. Irgendwie erinnert sie Hinterhältiger Scharlatan an was … „Wia ham den Schirkuss verpascht … middem Magia! Isch schreib dem ma! Die ziehn doch auch üball rum … Diesche Scharlatane …“ Zum Glück steht Farsane noch etwas aufrechter und auch die Wortkorrektur hilft … einigermaßen vor dem Versenden …
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Immer mehr staut sich Ärger in Achak auf. Er ist schon so viele Sandpisten runter gerast, aber in diesen endlosen Weiten ist das wie die Suche einer Nadel im Heuhaufen, wenn diese beiden verdammten Ladies auch noch ihre Phones abgeschaltet haben und nicht reagieren …
Moemas Enkel hofft sehr, dass Farsane nicht so bewandert mit der Mobilphontechnik ist und die Tracking App nicht entdeckt, die sonst für Kinder genutzt wird. Bewährt sich auch bei … umtriebigen Senioren. Er hat sie nach dem letzten größeren Ausbüchsen installiert gehabt. Nur hat Moema wohl erkannt, dass Achak sie zu orten vermag, auch wenn sie vielleicht nicht genau ahnt, wie er das anstellt … „Verdammt, verdammt, verdammt …“, flucht Achak leise vor sich hin, währen er nach links und rechts die Augen offenhält und nur ein paar wild lebende Mustangs erspäht. „Nicht, nichts, und wieder nichts …“ Sein Fluchen wird lauter, übertönt die Country Musik aus dem Radio, die er genervt abschaltet. Nicht sein Stil, dieses Gefiedel …, aber er versucht die Nachrichten zu verfolgen, falls irgendwas geschaltet wird … von zwei toten Gestalten.
Mein Gott, er sorgt sich doch nur … um beide. Aber Wut treibt besser voran als verzweifelt in der Ecke zu hocken …
Etwas schlägt auf dem Handy auf dem Beifahrersitzt an. Achak greift mit einer Hand danach, lenkt mit der anderen rechts ran … Ein Zeichen … Richtung Buffalo … „Häh?!“ Muss ein anderes Buffalo sein. Dieses liegt jetzt weiter nördlich von ihm … schon einige Fahrtstunden entfernt. Achak rast los und nimmt erneut die Fährte auf …
Er denkt gar nicht daran, die beiden durch Anruf vorzuwarnen, dass er wie ein Tornado herannaht …
Sie haben ihn einfach fallen lassen … mitten im Nebel … Zuvor wurden ihm alle Verdienstorden abgerissen, die Uniform genommen …, alles, was er zuletzt hatte und … das war schon nicht mehr viel, nachdem er seine Heimat zerstört hatte.
Zurückgespült auf die Erde an einem namenlosen Strand, direkt aus einigen Metern Höhe gestürzt. Er hat sich nichts gebrochen, aber die Knochen tun weh, die Prellungen schmerzen. Er hat keine einzige Waffe mehr, nichts zur Kommunikation. Nur seine letzte Zivilkleidung am Leib …
Es war noch mitten in der Nacht gewesen als sie ihn hier mittellos zurückließen. Hungrig, durstig. Schon seit Stunden hatte man ihm nichts mehr gegeben, deutlich gemacht, dass er als Nicht-Außerirdischer nichts mehr zu erwarten hat, nicht mal ihren Kerker. Er ist einfach nichts, hat keinen Wert mehr für sie …, denn s i e war nicht mehr aufzufinden … Sein Fehler, seine Schuld. Er hatte sie aus den Augen verloren … Das Geheimnis der Kraft nie ergründet. Aber das war es, was sie wollten …, und was er ihr geneidet hatte all die Jahre … und seinem Kind … Und dass sie sie erwählen wollten, statt seiner, hatte er kaum ertragen. Sein eigenes Volk … hatte ihn verraten, sein eigener Vater – Häuptling des Stammes - allen voran!
Tarek, Tanuí? Wie soll er sich fortan nennen? Er stolpert vorwärts, fällt wieder in den Sand, spürt die salzige Meeresgischt auf den Lippen, hört nur das Wellenrauschen, kann aber in der dunstigen Dunkelheit kaum etwas sehen. Die Zunge so trocken, aber Salzwasser kann man nicht trinken. Verzweiflung legt sich über sein eh schon finsteres Gemüt. Er will sterben …
…rafft sich lebenshungrig dann doch wieder auf. Weiter, ein Schritt nach dem anderen … Er hört … etwas. Das Platschen wie von einer Plane … im Wind. Er stakst drauf zu mit Beinen wie aus Streichhölzern … Ein Zelt … Er wankt weiter … Ein rotes Zeltdach … Er fällt fast durch den Eingang in das Manegen-Rund, schaut sich verwundert um … Er erkennt es … Er hatte sie auch observiert, die da in Lottas Haus ein und aus gingen. Eine Weile ...
Das Zelt … dieser Wanderclowns! Er hatte sie beobachtet, recherchiert. Wie hatte ihn der Kerl genervt, der jeden Morgen an Lottas Obstbäumen rumhing. Und jetzt ist dieser Typ … auch noch hier! Ein fast hysterisches Lachen entringt sich seiner Brust, während er sich im Sand der Manege auf den Rücken wälzt. Kismet, oder? Ist s i e … auch hier?
So langsam schöpft er wieder Atem wird ruhiger, verharrt noch eine Weile auf dem Rücken liegend mit dem Blick ins Zeltfirmament erhoben. Ob’s hier was Ess- oder Trinkbares gibt? Erstmal nach der Erstversorgung schauen … Langsam erhebt er sich wieder, schaut sich vorsichtig um … Niemand zu sehen noch zu hören.
Draußen entdeckt er nur zwei Waggons. Weniger als sonst … Sind nur die beiden hier? Wie betreibt man zu zweit einen Zirkus? Leise versucht er sich an einer der Türen. Unverschlossen. Drinnen findet er tatsächlich einen Wasservorrat und … etwas muffiges Popkorn. Besser als nichts! Ein bisschen besser geht es ihm jetzt. Ein ganz klein wenig …
Er durchsucht den zweiten Wagen. Ebenso unverschlossen … Nichts deutet drauf hin, dass hier auch eine Frau mit Kind wohnt. Die beiden Männer scheinen allein unterwegs zu sein … ohne ihren ganzen üblichen Tross … Er setzt sich einen Moment hin, überlegt … Das hat was zu bedeuten, dass er ihnen direkt vor die Füße fällt … Eine Chance vielleicht. Welche, weiß er gar nicht so recht … Aber eine, an die er sich klammert … ohne sonstiges rechtes Ziel vor Augen.
Ein bisschen Dösen gönnt er sich bis zum frühen Morgen als er Stimmen hört … leicht belegt im Nebel. Er schreckt hoch, richtet alles schnell, um seine Spuren zu verwischen, hastet nach draußen als käme er geradewegs … irgendwo aus einem Wald! Gibt’s hier einen?Kann man in der dicken Schwadensuppe kaum erkennen … Er blinzelt umher, doch schon kommen sie näher …
Am besten … er gibt vor, auf Arbeitssuche zu sein … ein Wanderarbeiter eben. So zerrissen wie er gerade aussieht … Und die nur noch zu zweit …? Die brauchen doch noch einen …
Wird nicht sein angenehmster Lebensstandard sein … Egal, er hat keine andere Wahl. Sie haben ihn nie gesehen! Wie soll er sich nennen? Von Tanuí haben sie vielleicht schon gehört. Also … Tarek! Er lächelt fein … und überlegen, wähnt sich gerissen!
Er bemerkt ihr Stutzen nicht … als sie ihn auch sehen und nicht nur hören. Sieht nicht wie Merlin den Magier kurz an der Schulter zurückhält und bedeutet, mitzuspielen … als er seine Dienste als Wanderarbeiter entbietet, weiß nichts von den Handyaufnahmen auf dem Festival, die Asante Lotta zuspielte und die wiederum Merlin und der … Malecantus.
Er hatte eben nicht sauber observiert, nicht alles mitbekommen, nicht wohin s i e gegangen ist. Deswegen ist er ja rausgeflogen … aus dem ‚Verein‘ da oben … und muss sich nun … mit sehr wenig begnügen. Er ist sehr verwöhnt worden … als sein Stern hochstand und er noch im Genuss von erbaulicher Gunstbezeugung stand … als er glaubte wie ein Vogel über allem zu fliegen, ja sogar vermeinte, sie alle zu lenken … auch i h n, den Leutnant … mit seiner süßen verführerischen Mine … seinem lieblichen Erscheinungsbild … Doch tief ist er gestürzt, der gefallene sinnliche Engel. Die Flügel gestutzt … Er hat nicht mal mehr … ein Handy. Heutzutage das nahezu ‚Schlimmste‘, was einem auf diesem Planeten passieren kann. Er hatte sich sooooo daran gewöhnt. Die Hölle auf Erden … ohne so ein Ding. Jawoll
„Klar können wir immer eine helfende Hand brauchen!“, fasst sich Merlin als Erstes. Die beiden Wanderleute sehen sich kurz an. „Aber sicher doch!“, erwidert Gregorius bedächtig. Sie brennen darauf, zu ergründen, was es mit ihm auf sich hat. Vielleicht … hilft es i h r weiter. Oder schützt sie, wenn sie mehr erfahren … was er eigentlich vor hat.
„Tarek also, mhmmm?!“, lächelt Merlin den Neuankömmling an. Sie werden ihn schon schwer schuften lassen und heimlich ausquetschen. Er scheint nicht zu ahnen, dass sie ihn … ‚kennen‘. „Kannst du stricken?“ Ein leicht diabolisches Lächeln kann Malecantus bei der Frage nicht ganz unterdrücken. „Ich fange gerade mit einem kleinen Paar Söckchen an …“ Hat er gerade beschlossen, wieder Kindersachen zu stricken und auch eine Mütze für Lotta. Wer weiß, was die beiden brauchen. Hoffentlich geht es ihnen gut. Es ist … sein Kind, von dem, der da ... vor ihm steht! Der Magier spürt, dass hinter diesen lieblichen Zügen leicht Wildes, Unbändiges und Argwilliges ruht. Ihm nicht ganz unähnlich. Nur Merlin ist der wohl Unbescholtene in der Runde. Der wirklich Gutherzige. Was nicht heißt, dass Malecantus sich nicht um andere sorgt und die schützt, die ihm lieb und teuer sind.
Tarek irritieren diese etwas irisierenden Augen, die ihn so eindringlich … begutachten. Er hat sich noch nie … mit einem Magier eingelassen und er hat … keine überlegene Technologie mehr zu Hand. Das kurze Gefühl von Überheblichkeit schwindet leicht. Er blickt etwas vorsichtig auf. „Stricken? Ähm, nein! Aber knüpfen und weben … flechten und jagen kann ich …“ Was ihm bleibt, sind seine früheren Fertigkeiten … von der Insel.
Und er kann fechten. Er hatte den gleichen Lehrmeister wie s i e … Aber d a s verrät er besser nicht! Er ahnt, dass es nicht leicht für ihn werden wird … Und er muss verhehlen, dass er weiß, dass dieser Magier … echt ist.
„Unglaublich … zwischen den Fronten …“, Bugsy berichtet mal wieder im Stakkato. „Langsam, langsam!“, beschwichtig Don El Artichocke die junge Frau am Telefon. „Wo bist du genau? Kenia?! Wie … wann …? In ein paar Wochen startet doch dein nächstes Semester an der Uni! Wo ist Paka’a? Noch zuhause? Und das Entchen? Auch? Gut, gut!“Wenigstens ein paar in Sicherheit, aber Bugsy mal wieder umtriebig in Gefahrenzone …
„Asante? Wer ist Asante? Soldat! Aha! Half dir da raus? … …. Sag ihm meinen Dank! Puh!“ Don El Artichocke wischt sich die augenblicklich aufgetretenen Schweißperlen von der Stirn. „Trauriges Schicksal? Wer? Der Asante? Ah ja! Kannst du mir alles später erzählen. Komm bitte erst einmal heil nach Haus, ja!“
Hätte sie sich nicht eine einfachere Recherchearbeit für die Semesterferien raussuchen können? Er wäre auch über einen Bericht über Gorillas am Kilimandscharo für die Zeitung zufrieden gewesen … „Ilsebill, was soll ich nur mit ihr machen?“ Die rosige Vertriebsqualle zuckt nur galant mit den gallertartigen Schultern. „Guter Don, du kannst sie nicht immer behüten ...“
Wie wahr! Don El Artichocke gönnt sich einen kleinen Spaziergang mit dem Puggle-Fuchs als ihn die nächste Nachricht erreicht: „Ach, Frau Bürgermeisterin Erdnuss, was für eine Freude! Wieder in Amerika … auf Stimmenfang? Na, was machen die Ureinwohner? Sind sie weiterhin gewogen zu erwägen … eine dir genehme Wahl zu treffen? Wie? Neue Freunde … Feuer … Was … Taufe? Äh, Feuerwassertaufe?“ Don El Artichocke hört auf der anderen Seite schallendes Gelächter. „Scheint ja gut für dich zu laufen, Phillipa. Grüß mir die Scharlatane. Den Kleinen wie den Großen.“, verabschiedet er sich von der Bürgermeisterin von SimCity und allen zugehörigen Stadtteilen.
…………………………………………………………………………………………………………………………………………….. 3 ERINNERUNGEN …………………………………………………………………………………………………………………………………………….. 3.1 – Bilder an der Wand … Schildkröte in der Hand ...
https://www.youtube.com/watch?v=NOsFQ-VUeMw
Jetzt, wo die Zivilisation unweigerlich näher rückt, kommt Lotta doch nicht umhin, sich einigen Erinnerungen zu stellen … Sie tritt an die Küchenschublade, entnimmt das Handy und blickt dabei auf diese merkwürdig schimmernde Kette, die sie in einer kleinen Höhlung fand. Sie lässt die knöchernen Glieder des Geschmeides durch die Finger gleiten. Von wem die wohl stammen …? Tja, hätte sie mal in Biologie aufgepasst … aber sie besuchte ja nie wirklich eine Schule … Der eine Tag in ihrer Kindheit und die letzten Monate zur Alphabetisierung an Miyus Schule zählen wohl nicht!
Lottas Magen zieht sich schmerzhaft zusammen in Gedanken an die tote Rektorin, an ihr Tochter Yuna. Warum war ich nicht da gewesen, hatte sie nicht geschützt mit Leib und Leben? Und wie müssen sich Elani und Keito fühlen, dass ausgerechnet sein Vater …? Tränen rinnen über Lottas Gesicht. Nun zum allerersten Mal … seitdem. Sie hatte keine gehabt in den ersten Wochen des Schocks, war paralysiert geflohen, der Angst vor übergroßem Schmerz ausgewichen … Lottas Knie geben nach und sie muss sich mit zittrig Knien setzen. Zum Glück sind Wolf und Kind draußen im Schnee und sehen nicht, wie die junge Mutter gerade in sich zusammenfällt … Handy und Kette noch verkrampft in beiden Händen, während Schockwellen sie endlich überfluten, den Körper unter Schluchzern schauernd erbeben lassen.
Fast eine Stunde lang schüttelt sie die Erinnerung bis die Quelle salziger Tränen langsam versiegt und die lang zurückgehaltene Eruption verdrängter Emotionen allmählich abebbt. Wärme strömt langsam, wo sie im nun wieder etwas entspannteren Körper vermag, durch ihre rechte Hand. Eine leichte Hitze wandert von dem zarten Glimmen der Kette den Arm hinauf über das Brustbein und legt sich sanft um ihr Herz. Verwundert schaut Lotta auf, atmet einmal ganz tief ein und aus. Warum muss ich ausgerechnet jetzt an meine Mutter denken, die ich nie kennenlernen durfte?
Das Herz wird nicht ganz erwärmt von dem rätselhaften Geschmeide in ihrer Hand, aber etwas leichter wird ihr zumute … und Lotta kann weitere Bilder zulassen, ohne gleich wieder zusammenzubrechen. Hannah! Hannah hatte ihr von ihrer Mutter erzählt. Lotta ist ihr so dankbar dafür. Sie vermisst sie … alle. Takatuka auch, weiß sie: Opa José, der so schöne Geschichten erzählen konnte, Hannahs Torten, das Angeln mit Nael ... Selbst Alma in ihrer etwas verwegenen Art war unvergleichlich. Viele Male hat Lotta bereut, was sie ihr einst antat … durch andere Ängste getrieben. Es war nicht recht von ihr gewesen … egal, was sie einst fürchtete.
Und was war Julius für ein lustiger Kerl, wenn er ein bisschen zu viel getrunken hatte. Lächelnd denkt Lotta zurück an das Festival, als sie sich - Elani, Asante, Maryama und Lotta - eine Familie nannten … Das Herz zieht sich wieder schmerzhaft zusammen. Unbewusst presst ihre Finger fester um die Kette in ihrer Hand, als versuche sie, mehr noch von der fein strömenden innewohnenden Kraft auf sich umzuleiten. Bilder mit Freundin in Phils Lokal tauchen auf und Lotta schafft es, sogar zaghaft zu schmunzeln … Wie Maryama den Kosakentanz wagte …, den Kopf auf Lillys Schulter bettete … Das war filmreif! Wer jetzt wohl Phil beliefert?
Sie hatte sich dort einiges aufgebaut … mit Merlins Hilfe sogar recht geschäftsträchtig. Wo die Wandersleute jetzt wohl hin sind? Malecantus hatte keine Lösung gefunden … für den Fluch, den er ihr aufgeladen hatte: Das nahezu Black Out über ihre Zeit auf der Insel und über Takatukas Vater und Mae. Umso kostbarer zehrt Lotta nun von den Erinnerungen, die ihr geblieben sind - die Zeit davor … und danach.
Lillys wunderbares Pianospiel … Sie hatte sich doch noch vorgenommen, dem Spiel der Vampirin, die ihr das Leben vor dem Unhold Terence rettete, zur Einweihung der neuen Schule zu lauschen. Lottas Blick fällt auf die kleine gestrickte Schildkröte, die Takatuka so liebt. Gerade hockt das Häkeltier mitten auf dem Küchentisch. Viola hat sie also nicht gestrickt … hatte Lilly noch am letzten Abend des Schulballs erklärt … Der letzte Abend! Lottas Augen füllen sich schon wieder … Die Quelle, der Salzsee hat wohl nachgeschöpft. Unwillkürlich legt sie die Hand mit der Kette in den Schoß. Die innere Pein wird leicht gemindert, die geschundene Seele wieder sanft beruhigt durch den Goldschimmernden knöchernen Tand.
Die nun wieder klaren Augen wandern im Raum umher. Was hatte sie neben Strickzeug, Schildkröte und dem verpackten Bild noch mitgebracht? Ihre aus dem Hafenbecken geborgene Truhe mit dem letzten Satz Degen, der ihr blieb und den frohen Batikstoffen. Recht exotisch in diesen Gefilden. Das Bild! Es ist jetzt an der Zeit … Lotta holt es hervor, entfernt sorgsam die Schnüre und das Packpapier und marschiert nach draußen zu ihrer kleinen Werkstatt. Hier ist sie oft wie einst … in ihrem letzten Heim. Hier soll es hängen, damit sie es jeden Tag betrachten kann. Eine Erinnerung an ihre Insel und … an die künstlerisch begabte Ellie und ihren Bruder Ben. Ihre früheren Nachbarn. Sie hatte sich gar nicht mehr verabschiedet. Das tut ihr unendlich leid. Es ging so schnell …!
Der Wolf und Takatuka sehen Lotta mit Bild in die Werkstatt treten und folgen ihr … Das Kind lächelt. Etwas, was es wiedererkennt? Lotta betrachtet noch lange das Bild. Sie hatten doch noch … die Docks verschönern wollen …
Mit dem Handy in der Hand macht sich Lotta auf den Weg zum Bauleiter Reuben Sturlason … Sie hat ziemlich darüber nachgegrübelt, welche Dienste sie zu Geld machen könnte. In Erinnerungen schwelgend ist ihr klar geworden, dass sie einiges anzubieten hat und sich schon mal in ihrer letzten Heimstätte ganz gut mit diversen Fertigkeiten hoch gearbeitet hatte … Auf jeden Fall soll es für Strom und Telefondienste reichen … Wenn nur endlich hier ausreichend Funkmasten für Mobilphone stünden. Derzeit arbeitet die Mannschaft noch mit altem Funkgerät.
Lotta sieht Sturlason einen Baum markieren. Die scheelen Blicke der drei ‚Missmutigen‘ – wie sie sie innerlich nennt - ignoriert sie einfach … weitestgehend. Der Stumme jagt ihr leichte Schauer über den Rücken, ahnt sie doch, dass sein abwägender Blick ihr folgt.
Die Gemütlichen grüßen herzlich. Thorger Kristensen und Sven Johanson erinnern Lotta ein bisschen an ihren Vater, auch wenn der … alles andere als blond war. Sie winkt den beiden freundlich entgegen. Himani Yokomo verbeugt sich ganz höflich in ihre Richtung. Das wirkt … recht japanisch und unweigerlich ist Lotta an Miyu erinnert. Sie nickt zurück, eine leichte Verbeugung andeutend, so wie sie es gerade bei ihm gesehen hat.
Björg Börnstin, die geschäftige rechte Hand des Bauleiters, ist Lotta mittlerweile auch geläufig. Alle anderen Namen kennt sie nicht und die der drei unangenehm stierenden Gestalten will sie gar nicht erst wissen … Die Junggesellen der Horde wie sie von den anderen vernahm.
„Reuben, Björg, hört mal zu …“, ruft sie Bauleiter und rechte Hand an und wedelt mit dem Handy in der eigenen. „Also, erstmal danke, dass ihr meine Hütte stehen lasst und das mit einem moderaten Kaufpreis verhandelt habt!“ So ganz besitzerlos war das Grundstück dann doch nicht gewesen … Lotta holt erstmal vorsichtig Luft in der eisigen Kälte. Manchmal fällt das Sprechen schwer, wenn man fast Eiskristalle ausbläst. Vielleicht … ist e r deswegen so … wortkarg? Lotta holt augenblicklich ihre Gedanken zurück. Hier spielt die Musik!Es geht um … Geschäfte! Was ist sie jetzt dankbar, von Oleg Proschinsky und Brett Jenkins noch halbwegs Lesen und Rechnen gelernt zu haben …
„Also, ich hab‘ mir … was zur Bezahlung überlegt, das mir … auch später etwas einbringen könnte.“ Lotta hält eine beredte Pause und lässt ihre Ansage etwas nachwirken. Jupp, sie muss ein bisschen was dafür springen lassen, dass ihr Knusperhäuschen in den großen Plan des künftigen Touristenmagneten passt. Reuben und Björg hatten ihr Falun farbiges Hüttchen bei einer ausgesprochen leckeren Tasse Tee genaustens inspiziert und für passend pittoresk im Rahmen des geplanten anheimelnden skandinavischen Wintersport-Mekkas befunden. „Als wäre es von uns extra dafür konzipiert worden, oder Reuben?“, hatte Björg gegrinst und seine Tasse zuprostend gen Bauleiter erhoben. Nun stehen beide gespannt vor Lotta, Björg an einen Baum gelehnt, der noch aufrecht steht, aber … bald nicht mehr – dem Kreuz von Reuben zufolge. „Also, was hast du zu bieten, dass … dir auch noch … weiter nützt?“ Reuben guckt ein wenig skeptisch. Er weiß noch nicht, was die junge Frau so alles draufhat.
„Nun ja!“, beginnt Lotta. „Ihr sagtet doch, ihr wartet noch auf einen Mann aus Stockholm, der den Gipfel erklimmt und die Vorrichtung für den letzten Funkmasten installiert …“ Dann stockt sie einen Moment, zögert etwas unsicher, bevor sie dann doch raus posaunt: „Der steht vor euch … Oder d i e!“ Und bevor die etwas ungläubigen Minen dagegen reden … sprudelt Lotta lieber hastig weiter. „Ich kann vorzüglich klettern, bin bestens ausgerüstet. Vielleicht biete ich später mal Klettertouren an. Ich kann auch Skifahren, Snowboarden … und ihr habt vielleicht meine kleine Werkstatt gesehen. Ich bin handwerklich ganz schön begabt, habe eigene Wintergärten früher gebaut, Fenster repariert, Böden verlegt, Katzenkratzbäume und Blumentöpfe zurechtgesägt (und mit bunten Strasssteinchen beklebt, aber das sagt sie hier lieber nicht …). Ich bin … eure Frau fürs Grobe. Jawoll!“ Lotta unterstreicht ihre Aufzählung mit in die Seiten gestemmten Fäusten, während sie sich so hoch aufrichtet wie sie nur kann und dabei fast auf den Zehenspitzen wippt. Hoffentlich glauben sie mir …! Innerlich ist leicht angespannt, versucht aber, sich nichts anmerken zu lassen, sondern möglichst souverän rüber zu kommen.
„Beachtlich!“, meint Björg gedehnt, während er sich nachdenklich dabei am Kinn kratzt. Der etwas stämmige Thorger tritt hinzu mit einem dünnen Baumstamm auf den Schultern. Der leicht beleibte Sven trabt gemütlich hintendrein mit dem hinteren Ende des Gehölzes. „Hab gerade ein bisschen mitgehört. Björg, Reuben, gebt euch einen Ruck. Ich hab‘ sie klettern gesehen, Sven hier auch! Sie kann‘s!“, bescheidet Thorger dem Bauleiter und seiner rechten Hand. „Und die Hütte hält sie auch ganz ordentlich instand!“, schaltet sich nun auch Sven ein. Die beiden müssen‘s wissen, lädt Lotta sie doch öfter mal zu Tee ohne Kuchen ein, um über Kinder und Enkel zu plaudern. Lotta genießt diese fast familiäre Atmosphäre ein bisschen. Es fehlt nur das Mehl für ein rundes Torten-Erlebnis. Auch Eier sind eine Fehlanzeige, es sei denn, sie wollte bei Schneehühnern stehlen.
„Okey, Okey!“, lacht Björg nun und hält Lotta die Hand zum Einschlagen hin. „Schon gut, schon gut! Los Reuben, Hand drauf! Sie soll unser Mann, äh, unsere Frau sein! Nach d e m Aufstieg hätte sie auch alles für den Standort der Hütte abgegolten, oder?“ Der Vorarbeiter blickt zum Bauleiter hin, der nun auch lächelnd einschlägt: „Abgemacht Lotta. Das spart uns einiges. Allein schon die Reisekosten des Mannes aus Stockholm. Und Ansgar wird es schon recht sein!“Ansgar? Ist wohl der Bauherr! Lotta denkt sich nichts weiter … Reuben winkt irgendjemanden zu …
Jetzt muss nur noch die Stromfrage und die Kosten für Telefonanbieter geklärt werden. Dazu braucht es auch noch ein wenig mehr Moneten … Und ein bisschen Mehl für Kuchen …wäre auch nicht schlecht … und … Hühnereier. Lotta ist wieder auf den Geschmack gekommen, nicht nur Wildbret und Lachforelle zu gustieren. Sie entbietet also weitere Dienste, die sich in ‚Kohlen‘ umwandeln ließen. „Ich kann für eure Verpflegung auch jagen und fischen, Socken stopfen und Norweger stricken …“
„Ansgar ist Norweger!“, grinst Thorger breit als hätte er den ultimativen Scherz auf Lager. Lotta schaut irritiert auf und erblickt plötzlich neben sich … ein völlig unbewegtes Gesicht. Nein … da … ein fast verschwindendes herablassendes Lächeln umspielt die Mundwinkel. Leicht amüsiertes Funkeln in den Augen.Er lacht sie aus! Lotta könnte vor Verlegenheit im Erdboden versinken. Ausgerechnet dieses wortkarge Exemplar steht vor ihr. D a s ist also Ansgar!
Wie sich herausstellt, ist er der ‚erste‘ Mann für die Bergbesteigung und Versenkung der Einfassung des Funkturms. Der aus Stockholm wäre der ‚Zweite‘ gewesen. Tja, Lotta ist nun die würdige ‚Nachbesetzung‘ für die Gipfelerstürmung zu zweit … Oh Mann!
Er bekam etwas ‚Fronturlaub‘ und hat den Wildwuchs neben sich gleich mit eingepackt. „Schaff‘ sie bloß hier weg!“, hatte der Kommandeur Asante angebrüllt als hätte er zu verantworten, dass diese umtriebige Dame hier mitten im Gefecht auftauchte. Er hatte sie nur als erstes in Deckung gezogen, sonst nichts.
Genervt wie fasziniert blickt er zur Beifahrerseite, während er das Militärfahrzeug in Richtung Elanis Hütte steuert. Wieder erinnert sie ihn an diese Mischung aus … zwei urwüchsigen Geschöpfen. Wo mag Lotta nur stecken? Wie es wohl Maryama geht? Er wünscht ihr, dass sie ihn schnell vergisst und einfach ihr Leben weiterlebt und glücklich wird. Das Herz wird ihm schwer, wenn er an die wunderbaren Stunden mit ihr zusammen denkt. Er hatte geglaubt … gehofft …, dass es …
„Hier wohnst du also, Asante?“, unterbricht ihn die neugierige Stimme von Bugsy erneut in seinen Gedanken. „Äh, ja, also eher … meine Cousine zweiten Grades, Elani Ogbanda, mit ihrem Sohn Keito. Ich habe meine Unterkunft sonst im jeweiligen Militärlager. Aber ich komme so oft zu Besuch wie es eben geht.“ Im Prinzip ist er dieser ‚Starreporterin‘ dankbar für den kurzzeitig bewilligten Heimaturlaub und die Aufgabe, sie dem Kommandeur des Lagers aus den Augen zu schaffen.
Asante ist lieber bei Elani und seinem quasi Neffen im Dorf als im Gefechtsstand. Er neigt nicht zu falschem Heroentum. Soldaten sind notfalls zum Töten ausgerichtet und um Kriege zu führen. Asante weiß, dass er sich mit seiner inneren Haltung teilweise sehr von seinen ‚Kameraden‘ unterscheidet. Aber … er ist auch nicht der Einzige, der so denkt. Ohne manch politische Intrigen, Wirtschaftsinteressen oder Korruptionen stünden sie nicht unbedingt jetzt dort, wo sie gerade stehen … Nicht immer ist es Freiheit und Gerechtigkeit, die ‚verteidigt‘ wird. Vielleicht … ist es das, was Bugsy Melone für ihr Blatt interessieren würde …
Elani hört das unverkennbare Motorengeräusch, wenn Asante zu Besuch vorfährt. Heute? Sie hatte ihn gar nicht erwartet. Lächelnd tritt sie vor die Hütte und schaut erstaunt auf, wen er mitgebracht hat. „Gestatten, Bugsy Melone, Reporterin!“, stellt sich die Begleitung an seiner Seite dann auch ungefragt ungeniert selber vor. „Sehr erfreut!“, ergreift Elani die dargebotene Hand leicht überrumpelt und schaut etwas ungläubig über die Schulter der jungen Frau hinweg zu ihrem Cousin. Der grinst nur leicht die Achseln zuckend. Was kann er denn dafür? Sie ist wohl wie sie ist. „Sie ist mir fast vor die Flinte gesprungen … so … investigativ wie sie wohl arbeitet!“ Asante schnappt sich erstmal ihr und sein Gepäck von der Ladefläche und kann sich ein Schmunzeln dabei kaum verkneifen. Verspricht irgendwie heiter zu werden … mit der jungen Dame.
„Kommt doch rein!“, lädt Elani nun leicht erheitert ein. „Ich bin gerade am Abendessen kochen …“ Sie wird unterbrochen von einem jungen Mann mit Tränen im Gesicht, der sich mit einem Messer in der Hand an der Theke zu schaffen macht und gerade den Neuankömmlingen zuwendet: „Ich hoffe, die Zwiebeln sind dir jetzt endlich fein genug geschnitten, Ma …“ Ja, Keito hat in den letzten Wochen schwer gelernt, dass alle mehr im Alltag mit anpacken müssen, damit genug zum Leben da ist und was auf den Tisch kommt. „Hi!“, grüßt er nun erfreut Asante und blickt neugierig zu der jungen Frau mit roten Haaren und wuscheliger Frisur. Komische Melone auf dem Kopf! Mit dem Unterarm versucht Keito, sich die Tränen wegzuwischen, damit er besser sehen kann. Hat Asante jetzt schon eine Neue?
Keito hingegen kann noch nicht vergessen. Wieder kommt diese Illusion vom Marktplatz in ihm hoch als er glaubte, Yuna gesehen zu haben. Elani streicht ihrem Sohn zärtlich über den Schopf. Ihm geht es nicht gut. Er hat so viel zu verdauen … wie sie auch. Das gemeinsame Leid schweißt sie gerade etwas enger zusammen. Sie streiten kaum. Keito lässt sich fast wie früher als Kind zum Trost wieder in den Arm von ihr nehmen. Er fügt sich gerade in sein Los, jeden Tag schwer für Schule und Lebenserhalt schuften zu müssen, … weil auch gar nichts anderes übrig bleibt.
Die Stimmung überträgt sich augenblicklich auf Bugsy und für ihre Verhältnisse wird sie direkt etwas schweigsam, beobachtet die Szene zwischen Mutter und Sohn. Auch Asantes schmerzhaft fürsorglicher Blick auf die beiden entgeht ihr nicht. Reporteraugen. Sie wittert … eine Story, fühlt aber mehr noch … Anteilnahme. Sie wüsste gerne die Geschichte dieser drei. Nachdem ihr Asante so … ‚vor die Linse gesprungen ist‘ – Bugsy grinst innerlich bei dieser Analogie – war schon ihr Interesse geweckt, zu erfahren, was diesen etwas traurig und in sich gekehrten Soldaten innerlich bewegen mag, wie er das Geschehen um sich herum wohl betrachtet. Er fiel irgendwie raus zwischen den anderen, deswegen nahm sie ihn nach Peilung der Lage als erstes aufs Korn – ok, oder auch das etwas Kornähnliche Gebräu in ihr aus Irland, das immer noch nachwirkte.
Wenn Don El Artichocke wüsste, dass sie sich noch immer nicht aus dem Staub macht und hier weiter recherchiert … Bugsy muss mal überlegen, was sie ihm später noch zum Besten gibt …, damit er sich nicht so große Sorgen macht.
Auf dem Herweg hatte Bugsy bereits versucht, Asante etwas auszuquetschen. Er hatte vorsichtig geantwortet und selber ‚recherchiert‘, zu welcher Ethnie sie denn zähle und erkundet, was sie denn für Haltungen habe. Und sie hatte begriffen, dass er sich erst rückversichern musste, wen er vor sich hat, bevor man freier zu sprechen wagt. Noch immer spielen Fragen der Stammes-Herkunft eine Rolle im Land, wurde Bugsy bewusst und jetzt wo sie Keito sieht, wirkt es nochmal komplizierter. Noch längst sind Hierarchien zwischen Ethnien, Geschlechtern, Orientierungen und dergleichen mehr nicht überwunden, ist auch Bugsy klar. Nirgendwo auf der Welt!
Als zu Tisch gebeten wird läuft Bugsy bei dem köstlichen Duft schon das Wasser im Mund zusammen: „Du meine Güte, was ist das, das da so köstlich meine Nase kitzelt?“ Elani lächelt erfreut fast so als hätte sie wieder Gäste im Fünf-Sterne-Restaurant. Es macht ihr Freude, Menschen zu bewirten und zu verköstigen. Ihr Markstand kommt auch gut an … mehr als andere hat sie schon bemerkt und sich gleichzeitig gesorgt, dass man es ihr übel nähme. Sie wird nicht mehr ganz als Einheimische angesehen. Zuviel wirkt europäisiert an ihr … nach der langen Zeit.
Bugsy langt kräftig zu, während Elani ein wenig in die Geheimnisse ihrer Küche einweiht, aber … nur begrenzt. Noch immer wahrt sie ihre Rezepte und die besonderen Zutaten wie zu ihrer Zeit als Fünf-Sterne-Köchin. „Wo hast du so kochen gelernt!“, hakt Bugsy nun doch sehr interessiert weiter nach. Hier zeigt sich ihr etwas, das geschmacklich abweicht von der üblichen Küche im Land. „Erzähl’s ihr!“, fordert Asante sein Kusinchen leutselig auf. Er hat Bugsy in der Zwischenzeit für vertrauenserweckend befunden und er ist stolz auf die Leistung seiner Cousine – trotz aller bösen Begleitumstände.
Ein wenig besorgt fragt sich Elani wie leichtfüßig sich Asante auf diese Frau einlässt. Ist er ein solcher Schwerenöter? Achtsam blickt sie von einem zum anderen … kann aber … eigentlich nichts … entdecken … was auf eine Liaison schließen lassen würde. Sie schüttelt innerlich schmunzelnd leicht den Kopf. Wieso muss man überhaupt gleich glauben … nur weil es eine Frau ist …? Sie wirkt recht patent. Elani möchte aber selbst gerne erst einmal Näheres wissen, wer an ihrem Tisch sitzt. Keito lässt erstmal nur seinen Blick neugierig zwischen den Erwachsenen wandern, wartet ab, was hier eigentlich passiert. „Erzähl mir doch erst einmal, was dich so umtreibt. Du scheinst … nicht von hier zu stammen? Was führt dich her, Bugsy?“
Und Bugsy erzählt von dem WiWo-Verlag, Don dem Verleger und väterlichen Freund, Ihren Aufgabenteilungen nach Kontinenten und Zeiten und ihrem ‚Studienfreund‘ Paka’a, der auf ihre Rückkehr wartet. Denn sie hat nur Semesterferien zurzeit. Aha! Die Dame ist liiert, keine Liaison!, quittiert Elani lächelnd innerlich. Asante registriert es auch mit einem ganz leichten Bedauern. Vielleicht aber auch nur, weil er auf Ablenkung aus ist und keine erkennbare Zukunft für ihn da ist außer dem Militär
„Und nun zu … euch! Was führt euch hierher? Irgendwie passt ihr auch nicht ganz in diese Gegend!“ Bugsy ist eine unerbittliche Reporterin, wenn es sein muss und sie ist zu neugierig, will wissen, was hier los ist. Alle drei sehen sich an Elani, Asante und Keito … Etwas schwer seufzend hebt Elani an zu erzählen: „Du hast irgendwie recht, Bugsy. Keiner wird so wirklich heimisch mehr, obwohl dies ursprünglich Asantes und mein Mutterland ist. Keito …“, Elani weist auf ihren Sohn, „… ist nicht hier geboren und sah dieses Land und seine Kultur … und die politische wie gesellschaftliche Lage … zum ersten Mal als wir vor ein paar Wochen ankamen.“
Vor den nächsten Sätzen zögert Elani deutlich. Bugsy wartet geduldig ab. Irgendeine schwere Last scheint die drei zu verbinden und verhalten bleiben zu lassen. „In jungen Jahren … schickten mich meine Eltern fort … Die dauernden Unruhen. Es war nicht sicher …“
„Ist es noch nicht …!“, fällt Asante schwermütig ein, schweigt dann wieder. Keito blick bedrückt auf seinen Teller. Wird sie etwa jetzt noch die Geschichte von seinem Pa erzählen? „Das ist nichts für deine Zeitung, Bugsy. Ich bitte dich!“, fleht Elani jetzt. WiWo mag vielleicht nicht die Wild-Zeitung sein, aber Elani möchte nirgendwo auf einem Titelblatt mit ihrer persönlichen Geschichte landen. Bugsy beruhigt Elani und die zwei anderen schnell. Nie würde jemand namentlich genannt und sie würden keine persönlichen Geschichten veröffentlichen, die nicht von den Betroffenen selber abgesegnet seien. Das sei eine Vertrauensfrage, ein Ehrenkodex des WiWo-Verlages, auf den auch Don äußersten Wert lege. „So sehr man Politikern mit ihren öffentlichen Verlautbarungen auf den Geist geht … Private Ereignisse der kleinen Leute und einfachen Bürger haben einen anderen Stellenwert, einen anderen Schutzrahmen in der Redaktion.“, betont Bugsy nochmal bekräftigend hinterher.
So langsam ist es eher persönliche Anteilnahme als rein journalistisches Interesse, was Bugsy zum Weiterfragen bewegt. „Was ist passiert, dass ihr wieder hier seid? Es scheint … nicht ganz freiwillig zu sein …“ Asante blickt sein Cousinchen an, fängt mit dem angenehmen Teil an: „Sie hat sich hochgearbeitet, war eine Fünf-Sterne-Köchin in einem gefeierten Lokal. Wir waren immer so stolz auf sie, über die wenigen Nachrichten, die wir am Telefon empfingen. Ich bin erst dieses Jahr aus Kenia nachgekommen, zum Sportstudium … Hatte geglaubt, mir beim Militär ein wunderbares Stipendium erworben zu haben, um ein anderes Leben begehen zu können … fern von kriegerischen Konflikten …“, Asantes Stimme bricht leicht als er den Kopf senkt und wieder schweigt. Der ‚angenehme‘ Teil hatte sich schnell in unangenehm gewandelt.
In Elani hinterlässt es Schuldgefühl, ihren Cousin so zu sehen. Auch das ist ihre Schuld, dass er scheitern musste …, weil sie …, weil sie … „Ich lernte den Falschen kennen und lieben …!“ Keitos Kopf sinkt noch tiefer als er tonlos ergänzt: „… meinen Pa!“ Bugsy hört bewegt zu als Elani stockend berichtet wie Terence ihr das Leben zur Hölle machte und Keito erstmalig sacht rauslässt, welche kindlichen Erinnerungen und jugendlichen Erlebnisse mit seinem Vater ihn prägten. Elani schließt entsetzt die Augen. Sie hatte nicht alles gewusst, nicht alles geahnt, sich nicht mal vorgestellt gehabt wie manche Vorkommnisse auf ihn gewirkt haben mussten und was sie ihm zugemutet hatte zu sehen und zu erleben …
Sie war viel zu spät … gegangen. „Und die … die mir half … ist nun tot!“, schließt sie mit Tränen in den Augen. „Ich vermisse Miyu so sehr … und ihre Tochter. Und ich vermisse Lotta und Maryama …!“ Elani birgt ihr feuchtes Gesicht in den erhobenen Händen, kippt leicht vornüber unter der Last der Erinnerung. Sie hatte doch auch noch neue Bekanntschaften geschlossen … Marga, Bella. Es sah doch so aus als wenn nun alles besser würde … Asante erhebt sich, zieht Elani sanft an sich und birgt ihren Kopf an seiner Schulter und seinen an ihrer. „Ich vermisse sie auch alle so sehr …!“ Gegenseitig versuchen sie, sich Trost zu spenden.
Keito schiebt den halbvollen Teller beiseite, lehnt beide Arme auf den Tisch und lässt den Kopf darauf fallen, während ihn gleichermaßen Schluchzer schütteln. Asante und Elani begeben sich sofort zu ihm, knien beidseits nieder, um den gebeutelten Jungen mit ihrer Körperwärme zu umfangen, zu halten, bis er sich halbwegs wieder beruhigt hat. Bugsy sieht dem Schauspiel reglos zu, vergisst fast dabei zu atmen. „Ich hab‘ schon Halluzinationen …!“, gesteht Keito kläglich, das Gesicht noch immer in den Armen auf dem Tisch vergraben. „Ich … ich … hab mir heute eingebildet, Yuna auf dem Markt gesehen zu haben! Aber … aber … sie ist doch tot!“ Wieder bebt der junge Körper von Weinkrämpfen gepackt. Aber Elani schaut augenblicklich hoch … „Heute?“, fragt sie fassungslos. Kann das sein. Zwei … Watanabes an einem Tag? Auf dem Markt?
Heftig rüttelt Elani auf einmal an ihrem Sohn. Asante wie Bugsy blicken sie nur irritiert an. „Sag mir sofort, wann und wo du denkst, dass du sie gesehen hast.“ Der Tränenstrom des Jungen versiegt umgehend. So aus der Situation gerissen schaut auch Keito seine Ma nun hochgradig erstaunt an. Was will sie? Was hat sie? Elani hatte noch überlegt, ob sie überhaupt davon erzählen sollte oder ob es nicht doch eine zu unwahrscheinliche Einbildung gewesen war. Nun aber …: „Ich sah, denke ich, ihren Vater heute auf dem Markt. Just um die Mittagszeit! Jack Watanabe!“
Nun ist es an Bugsy, entsetzt aufzuschreien. „Watanabe? Sagtest du Watanabe? Redest du etwa … von … Miyu Watanabe? Die ist tot?!“ Erschrocken schlägt sie die Hände vor den Mund. Wie grauenvoll!„Don hat nichts gesagt am Telefon … Er weiß … es wohl noch nicht!“, lässt sie die Hände wieder von den Lippen sinken, legt sie nun schockiert an die Wangen. „Wie soll ich ihm … das nur …?“ Ratlos schaut sie die drei Ogbandas an. Plötzlich ist sie mittendrin im Geschehen, emotional beteiligt … Nun ist es an ihr … zu erklären: „Die Watanabes sind frühere Bekannte von Don El Artichocke als sie noch … aktiv auf Protestmärschen und bei … Hausbesetzungen … unterwegs waren. Ich habe sie kennengelernt als ich selber noch sehr jung war. Sie … hatten … eine kleine Tochter …, die immer dabei war.“ - „Yuna!“, lässt Keito mit großen Augen raus.
Alle setzen sich ernüchtert wieder um den Tisch herum, schweigen eine Weile, bis Asante den Faden wieder aufgreift: „Das sind unglaubliche … Verwicklungen, Bugsy. Aber bevor du diesem Don irgendwas erzählst … möchte ich Elanis Frage nochmal aufgreifen!“ Und damit wendet sich der Soldat Keito mit festem Blick zu. „Wann dachtest du, Yuna gesehen zu haben?“ – „Um die Mittagszeit!“, erwidert der Teen mit wachem Blick. Darf er etwas Hoffnung schöpfen …? Kann es sein …? Er schaut seine Ma an. Die blickt gleichermaßen … ambivalent. „Was hat das alles zu bedeuten?“ Elanis Augen wandern zu Asante wie auch Bugsy als hätten die bereits Antworten darauf.
Mit Hoffnung kann Bugsy jedoch was anfangen und die Reporterseele, die Spürnase in ihr erwacht wieder … „Nichts ist sicher, was man zu sehen oder hören glaubte, aber nicht selber überprüfte.“, schlussfolgert sie. „Was genau w i s s t ihr denn, wenn ihr so zügig wie ihr sagtet, aufgebrochen seid?“ – „Eigentlich nur, was die Polizei mitteilte! Die Brindletoner … wohlgemerkt!“ Asante hebt eine Augenbraue. „Nicht unbedingt die gescheiteste der Welt!“
„Die … Idioten, die auch meinen Pa entkommen ließen, obwohl wir ihn im Spukhaus unschädlich machten und ihr ihn mit Lotta zusammen auf einem Silbertablett präsentiertet?“, platzt Keito verächtlich hervor. Asante hebt nun beide Augenbrauen, Elani runzelt die Stirn: „Spukhaus? Hast du mir je davon erzählt, Keito, was da drinnen alles lief?“Hatte er überhaupt je erzählt, was er nachts machte als sie noch in Brindleton lebten? Hier halten ihn wilde Elefanten, Löwen und Hyänen dagegen nachts eher daheim und dass er noch nicht vertraut mit der Umgebung und den Leuten ist.
Asante interessiert hingegen eine andere Frage: „Kann es sein, dass … einzelne … oder … alle … noch am Leben sind?“ Terence auch? Asante erschaudert. Nie erlebte er einen fieseren Charakter als diesen. „Ich werde auf jeden Fall Don kontaktieren!“, meldet sich Bugsy zu Wort. „Er muss davon erfahren und kann am ehesten nachrecherchieren! Wo … und wie wurden die Watanabe-Frauen denn bestattet? Oder wer auch immer … Ich meine …“ Bugsy will nicht pietätlos erscheinen, aber falls nicht … Mutter und Tochter … begraben sind … Uyyyyyyy! Sie hält sich eine Hand vor dem Mund. „Auf dem Windenburger Friedhof, soweit ich weiß!“, steuert Elani Wissenswertes bei und setzt gleich nach: „Wir müssen diesen Jack finden … Irgendwo in der Nähe müsste vielleicht seine Forschungsstätte liegen!“ „Das übernehme ich!“, bestimmt Asante sofort. Er hat den Wagen und ein paar Tage Urlaub, dank Bugsy – der scheinbaren Nervensäge. Also, wenn er mal jemanden brauchen sollte, der an jemandes Nerven sägt … Sie wäre das erste ‚Werkzeug‘ seiner Wahl. Sie hat’s echt drauf wie sie den Lager-Kommandeur auf die Palme brachte … Asante kann schon fast so etwas wie Zuversicht und Erheiterung wieder spüren. D a s ist eine Aufgabe mehr nach seinem Geschmack als Krieg zu ‚spielen‘. Er wird den gesamten verdammten afrikanischen Busch nach einem Jack durchkämmen!
„Ich werde Augen und Ohren auf dem Markt offenhalten!“, verkündet Elani auch etwas hoffnungsfroher. Ist es möglich? Mehr kann sie nicht tun. Der Job in der Suppenküche ist überlebenswichtig, sieben Tage die Woche. Es gibt kein frei.
„Vielleicht … finden wir auch Lotta wieder!“ Asante verspürt fast Aufbruchstimmung. Wenn sie alle wieder zusammenfänden … „Lotta?“, hakt Bugsy nach. Der Name fiel vorher schon mal. „Ihre Haarfarbe war wie die deine …“, lächelt Elani warmherzig Bugsy an. Die Reporterin ist baff wie ein Lächeln so erstrahlen kann - als ginge die Sonne auf. Sie weiß nichts davon, dass Elani einst fast immer so ihr Umfeld erwärmte.
„Geht dein Mobilphone? Hast du nicht ein Bild von ihr? Wir haben seit Tagen keinen Strom!“, bittet Elani ihren Cousin und der zückt sein im Lager nochmal frisch aufgeladenes Gerät, obwohl auch dort sehr hausgehalten werden muss mit den Ressourcen. Er wischt ein paarmal über das Display, zeigt Bugsy und Elani das Gesuchte. Die beiden Köpfe der Frauen beugen sich über die Bilder. „Sehr merkwürdige Bilder!“, kommentiert die Reporterin mit Gespür für das Außergewöhnliche die Fotos, wo diese Rothaarige … weggetragen wird?! Asante nickt nur: „Sie … hatte mehr als nur einen Feind!“ Eine weitere Story? Oder hängt die mit der ersten zusammen? Bugsy will mehr wissen … Einer am Tisch gerade nicht. Ihm wird gerade alles zu viel …
„Ich … muss mich mal … etwas zurückziehen!“ wispert Keito leise. Er kann noch nicht so in die leichte Aufbruchsstimmung der Erwachsenen eintauchen. Wollen sie ihm nur Hoffnung machen? Und wenn alles nur … Selbstbetrug ist? Fällt man dann nicht noch tiefer? Elani nickt ihm lächeln zu. Sie versteht, dass er jetzt einen Moment für sich braucht. Auch Asante schickt ihm einen wohlwollenden Blick, erhebt sich nochmal und drückt ihn ganz fest an sich. Keito ist froh, dass es Asante gibt. Ein anderer Mann, ein anderes Vorbild als es sein Pa war … Oder ist? Was wenn er noch …? Keito schiebt diesen Gedanken schnell von sich und eilt raus zu dem, was er seine Schlafhütte nennen darf.
Er kramt unterm Bett hervor, was er sorgsam verpackt und mitgenommen hat. Das Bild vom Festival. Er will es sich jetzt ansehen. Jetzt … ist es an der Zeit, Erinnerungen wieder zuzulassen. Es waren neben den schweren die glücklichen Tage, die sie mit Bea, der Meerfrau, auf dem Festival verbrachten. Seine zwei Musen der Stunde. Bea hatte ihnen offenbart, was sie wirklich ist – ihm und Yuna. Die Meerfrau war eine wirkliche Freundin geworden. Sie war nicht im Spukhaus gewesen, aber ihr hatte er gleich anvertraut, was sein Pa war … ist. Wie sie beide lächeln … die beiden Mädchen, wie Strandnixen am Meer. Keito sucht nach einem Draht, mit dem er das Bild aufhängen kann. Betrachtet es dann noch lange, während eine zarte Träne bis zum Kinn runterläuft.
Gerne hätte er auch ein Bild von Ellie und Tania. Keito beugt sich wieder suchend unters Bett, kramt in einer Kiste nach seinem alten Handy. Wenn sie doch nur genug Strom hätten, damit er wenigstens das gemeinsame Bild aus der Kunstgalerie betrachten könnte …
Noch weiter hinten unterm Bett liegen seine Malutensilien. Die, die er auf dem Festival besorgte … Vielleicht kann er ja … aus der Erinnerung heraus malen …
Yuna träumt … mit offenen Augen! Sie hat sich tief in den Busch zurückgezogen … sucht unbewusst die Gefahren …, die lauern …, die tödlich sind. Manchmal sehnt sie i h n herbei. Gevatter Tod! Sie war ihm schon mal nah, damals … im Spukhaus, als sie sich fast aufgegeben hatte. Und dann wieder … in der letzten Nacht des Balls … Die letzte Nacht in der Nähe der Brindleton High … E r kann ihr nichts mehr tun! Das ist zumindest klar und Gewissheit. S i e weiß es!
Yuna blickt gedankenverloren in die weite Savanne, nur notdürftig von einem kargen Gestrüpp verborgen. Ihre Eltern bekommen zuweilen nicht mit, wenn sie sich unter der Zeltplane durch nach hinten rauspirscht, während Miyu und Jack glauben, sie hätte sich nur wieder ins Zelt zurückgezogen, wie sie es die meiste Zeit des Tages und die Nacht tut. Nur manchmal lässt sie sich etwas von den Eltern herauslocken wie letztens zum Markt.
Im Zelt hört sie oft sie sprechen, sich Sorgen machen. Mum leidet, macht sich schwere Vorwürfe. Dad geht es auch nicht besser. Beide fühlen sich hilflos, weil sie kaum redet. Aber sie kann die Lippen nicht einfach öffnen, sagen, was sie bewegt, denn innerlich … lebt nichts. Der Drachen … ist das einzige Begehren, der einzige Sinn, der sie noch im Hier und Jetzt hält. Warum weiß sie selber nicht oder woher die Eingebung stammt.
Ein Löwe mit wilder Mähne kreuzt ihren Blick. Sekundenlang starren sie sich an. Dann beschließt er wohl, dass sie keine Jagdbeute ist. Kein Fluchtverhalten, kein Angstschweiß, der herüberweht. Sie fühlt … nichts … die meiste Zeit …
Ist dieser Zustand besser als die peinigende Angst, die sie damals im dunklen Verschlag verspürte? Sie weiß es nicht. Bilder tauchen empor wie aus einer anderen Zeit als hätte es nichts mit ihr zu tun. Sie betrachtet sie distanziert. Auch sich selbst. Die Freude über die Erlösung, die helfenden Hände, Keito, der sie suchte, Viola, die zubiss. Nouki …, die sie auf … diese Hand aufmerksam machte … Die Erlösung währte nicht lange. Etwas wie ein Alptraum hatte sich ihrer bemächtigt. Schon einmal totenähnliche Starre über sie gebracht, Kälte über ihr Herz gelegt. Lottas Wolf hatte sie dann gesucht und gefunden … und tatsächliche Erleichterung verschafft. Bis sie erneut … in eine innere Hölle stürzte, weil sie sich und Mum und diese beiden Frauen … bis auf äußerste standhaft verteidigte …, alles gab … und einen hohen Preis … für ihre jungen Lenzen zahlte … Eine Bürde für alle Ewigkeit! Sie hat … den Drachen verdient!
Da ist noch … diese winzige Kraftquelle … aus der sich dieses Bild vom Drachen schöpft … Rot und Grün soll er sein. Yuna ist wieder an die Früchte auf dem Markt erinnert. Sie hatte noch so viel vorgehabt mit Bea, Tania, Ellie und Nouki … Baden, klettern, wandern, eine Dichterlesung besuchen … Und Keito? Ob er jetzt mit den Mädels unterwegs ist? Regungen … ganz tiefen unten …? Ein Gefühl, etwas zu vermissen? Den vertrautesten Freund an der Brindleton High am meisten …, auch wenn es zuletzt manchmal schwierig mit ihm lief...?
Eine Löwin mit Jungen streicht vorbei, verharrt einen Moment, wartet ab, prüft, ob Yuna eine Gefahr für ihre Kleinen darstellt. Dann … kommt sie langsam näher … schnüffelt dicht vor Yunas Gesicht, die reglos sitzen bleibt. Die leicht feuchte Nase fährt wie zu einem Kuss kurz über Yunas, die plötzlich heftig aufatmen muss, … erwacht, erschrickt …, sich fürchtet und … zum ersten Mal seit Wochen ein starkes Gefühl wieder erlebt … und … sich freut, auch wenn es Angst haben bedeutet. Irgendwie … ist es willkommen. Besser als diese Leblosigkeit, diese innere Versteinerung …
Mit furchtsamem Blick weicht Yuna mit dem Oberkörper leicht zurück, will auf einmal wieder leben, existent sein. Ihr geweiteter Blick in der Löwin Augen offenbart … eine rote und eine grüne Iris. Kann das sein? Verwundert hält der Teen still, bis die Löwin sich abwendet und mit ihren Löwenjungen von dannen zieht. Eines der Jungen … hat blaue Augen. Und wieder ist dieses Gefühl … diese Quelle da … ähnlich wie bei Lottas Wolf auf dem Festival, der ihr Erlösung, ja Erleichterung verschaffte. Rot, grün, blau soll der Drachen werden. Sie hat ihn … nötig!
Yuna schaut sich in der Savanne um, diesmal mit anderem Blick. Gefahren nun abwägend und achtsam damit umgehend - so wie sie es auf vielen Reisen bei ihrem Dad gelernt hat. Rot … grün … angenehmere Bilder tauchen wieder in ihr auf, aber auch Traurigkeit. Jetzt kann sie auch die wieder fühlen. Traurig über das Verlorene macht sich Yuna auf den Rückweg … zu Mum und Dad. Möchte in die Arme genommen und getröstet werden … wie jeder Teen, der verloren umherwandert. Wenn wenigstens Keito noch da wäre … Aber kann ich ihm je wieder begegnen, nachdem sein Pa …? Yuna beginnt zu weinen. Zum ersten Mal nach Wochen.
Miyu sieht schon von Weitem ihre Tochter herannahen. Sie hatte sie gar nicht weggehen sehen. „Jack schau. Wo kommt sie bloß her? Etwas ist … verändert!“ Jack blickt auf und bemerkt es auch. Miyu eilt Yuna mit ausgebreiteten Armen entgegen und Jack hinterher. Etwas sagt den Eltern an ihrer Haltung, dass sie jetzt bereit ist, Trauer und Trost zuzulassen. Im Näherkommen erblickt Miyu Yunas tränennasses Gesicht. Ihre Tochter fliegt ihr geradezu in die offenen Arme. Jack umfängt sie beide und auch Miyu ist nun froh, gehalten und umsorgt zu werden. Zu oft hat sie allein ihre Frau stehen und aushalten müssen im Beruf, in der Familie. Jack war immer weit entfernt gewesen, viel auf Reisen. Und er weiß das, ist froh, jetzt so nah bei beiden sein und helfen zu können, auch wenn er sich gerade genau so hilflos fühlt wie Miyu in manchen Zeiten zuvor schon. Aber nicht allein diese Situation jetzt und hier durchstehen zu müssen, hilft beiden oder … auch allen dreien.
Zu Dritt begeben sie sich ans stetig brennende Lagerfeuer. Die Eltern drängen Yuna nicht. Niemand verlangt zu wissen, was in den letzten Sekunden der Ballnacht tatsächlich passiert ist. Yuna lässt nur knapp durchblicken, dass e r sie niemals mehr verfolgen wird. Einer wurde rechtens begraben. Ansonsten schweigt sie zu dem Thema. Dafür sprudelt umso mehr das Farbthema aus ihr hervor. „Rot muss er sein und grün und blau …!“ Eng an ihre Mum gekuschelt, lässt sich Yuna wie ein Kind das Haupt streicheln und berichtet von ‚ihrem‘ Drachen.
„Ist noch von der Suppe da? Sie riecht so köstlich …“ Yuna hat den ganzen Tag noch nichts gegessen. Zum ersten Mal riecht sie wieder, schnuppert in die Luft. Lässt alle Empfindungen und Sinne wie neu entfacht auf sich einströmen in der gleißenden Abendhitze der Savanne. Miyu schöpft aus dem Topf mit einem Löffel, füttert ihr Kind, das den Kopf auf ihre Knie gebettet hat und ihre Taille mit beiden Armen umfasst als wolle sie ihre Mum nie wieder loslassen. Yuna hat keine Hand frei und öffnet brav den Mund, schmeckt, schnalzt mit der Zunge vor köstlichem Erleben: „Mehr! Es schmeckt … wie von Elani!“ Miyu lächelt. „Ja, das habe ich vorhin auch gedacht!“ Yuna spaltet etwas für den Moment ab … diese Verbindung … zu Terence. Jack schaut hoch. Diese Elani und ihren Sohn hat er nie kennengelernt, obwohl es mal geplant gewesen war. Er ist einfach zu viel unterwegs gewesen … „Die Mutter von diesem Keito, oder?“, hakt er nun doch nochmal nach und könnte sich sogleich vor den Kopf schlagen. Jetzt rührt er damit auch gleich wieder an dessen Vater, zu dem er ja ein bisschen den Gegenpol für den Jungen geben sollte, wie er die beiden mal verstanden hatte und der jetzt …
„Tut mir leid …“, seufzt Jack hinterher. „Ich wollte nicht an Erinnerungen rühren …“ – „Schon gut!“, wendet Miyu milde ein. „Ja, Dad, ich will mich auch wieder erinnern dürfen … zumindest die schönen Bilder bewahren …“ Yuna stoppt einen Moment ihren Satz, um dann doch wieder etwas traurig hinterher zu setzen: „Wir werden sie nie wieder sehen können, nicht wahr? Wie alle anderen auch nicht. Uns gibt es ja nicht mehr!“ – „Ja!“, bestätigt Miyu tief betrübt. „Das wird nie wieder möglich sein!“ Nie wird sie ihre Tochter ausliefern. Jack hätte liebend gerne die Bürde Yunas auf sich geladen. Warum war er nur so weit weg gewesen? Auch er streicht seiner Tochter wiederholt übers dunkle seidige Haar. Er hat so viel von ihrem Leben verpasst …
Mutter und Tochter erinnern sich gemeinsam an Vergangenes und Verlorenes … „Ich hatte dir erzählt, wer mir geholfen hat … im Spukhaus!“ Miyu nickt, lauscht. Viola hatte Yuna geholfen gegen Terence … und nun muss sie dabei wehmütig an Lilly und das geplante Pianospiel in der Schule denken. Auch Jack hört aufmerksam zu. Wird Yuna nun mehr erzählen über die Nacht damals? Sie tut es. Berichtet zum ersten Mal von einem Geist und dass sie … ein zweites Mal dort war … auf ‚Befehl‘. Sie erzählt von Lottas Wolf auf dem Festival und dem gleichen Gefühl eben … mit der Löwin - nur dass sie jetzt die innere Hölle für ihre Tat beherrscht und kein sich bemächtigendes Gespinst von außen. Miyu und Jack sehen sich erschrocken an. Was hatten sie alles nicht geahnt … nicht das Ausmaß dieser Spuknacht damals! Und dann war sie gerade eben … auch noch völliger Gefahr ausgesetzt? In der Savanne? Jack fasst sich an den Kopf. Wann hatte sie sich fortgeschlichen? Können sie als Eltern ihr Kind denn vor gar nichts bewahren?
Lotta und ihr Wolf! Miyu erinnert sich an das gemeinsame Training mit Maryama und Elani. Wehmut ummantelt das Herz, während sie Yuna enger an sich drückt und weiter füttert. Es wird Zeit, ihre Tochter nun tatsächlich zu lehren. Miyu hatte eilig noch das Schwert ihrer Ahnen und eines der Rapiere von Lotta heimlich aus der Schule vor ihrer Flucht besorgt als sie sich soweit wieder nach Terence Überfall aufrappeln konnte.
Jack grübelt auch lange nach. „Der Tiger wäre die rechte Verbindung zum Drachen. Er schützt vor bösen Geistern und Dämonen … ist Sinnbild … für ein langes Leben!“ Der Anthropologe kennt die traditionellen Bedeutungen der japanischen Tattoos, hatte ihnen aber nie Bedeutsamkeit beigemessen - bis … jetzt. Er glaubt Yuna die Geschichte mit dem Geist, obwohl das in seinem bisherigen Leben nie Platz hatte. Meist fand er rationelle Erklärungen für die Mythen und Legenden vieler Kulturen und natürlich ist vieles von Menschen erdacht, um scheinbar Unerklärliches erklärbar zu machen. Aber lässt sich wirklich alles rationell und wissenschaftlich fassen und untersuchen? Jack ist sich nicht mehr so sicher und auch vorher schon ist er auf nicht mehr Erklärbares, auf eben Unglaubliches und an seine rationellen Grenzen gestoßen.
Yuna war nie esoterisch angehaucht, nicht im Ansatz. Eher mathematisch technisch orientiert hat sie sich nie in mythische Fantasien oder Ähnliches verstiegen. Deswegen klingt ihr Bericht umso glaubhafter und auch ihr paralysierter Zustand nach der Freiheitsberaubung in dem dunklen Verschlag konnte nicht alles erklären, was hernach geschah. Miyu hatte Yunas Vater über diesen kalten todesähnlichen Schlaf, unterrichtet und diese Wesensänderungen, die später noch folgten. Der Wolf dieser Lotta wäre auch interessantes Forschungsgebiet …, geht es Jack durch den Kopf. Wölfe kommen in vielen Mythen vor wie Fenris, der Bruder Hels und der Midgardschlange … Mhmmm!
„Und diese Lotta? Auch sie dürft ihr nie wiedersehen?“ Miyu schüttelt das Haupt auf Jacks Frage hin. „Keinen von ihnen! Wir dürfen niemanden in die Bredouille bringen …“ nickt sie leicht in Richtung Yuna, so dass diese es nicht sieht. Es sollen alle, die sie dort zurückließen, ihr Leben unbehelligt weiterleben können wie bisher. Niemand darf wissen, dass es sie noch gibt. Niemand soll gezwungen sein, sich zwischen Rechtsweg und unrechtem Weg zu entscheiden. Das müssen Yunas Eltern und vor allem Miyu allein auf sich laden, einen nicht mehr legalen Weg beschritten zu haben.
Miyu wüsste auch nicht, wie sie Elani und Keito noch unter die Augen treten könnten, nachdem … „Wir werden in Japan ein neues Leben beginnen, fernab der großen Städte, in der alten Hütte meiner Ahnen.“, setzt Miyu zur Erklärung nach. Sie werden keine Versicherungskarte, keine Pässe, gar nichts haben …und nie mehr brauchen. Miyu wird keinen Job mehr annehmen können, der Papiere verlangt. Der Flug hierher war schon abenteuerlich genug ohne richtige Dokumente gewesen. Aber dieser kleine Privatflugplatz … hatte es möglich gemacht. Jack hingegen musste von beiden die Sterbeurkunden entgegennehmen … Es war ein schlimmer Tag gewesen als er die Dokumente im Konsulat von Nairobi persönlich abholen sollte und gleichzeitig wusste, dass Miyu und Yuna schon auf dem Weg zu ihm waren.
Gesättigt und durch die vorzüglichen Aromen auf der Zunge leicht besänftigt schwelgt Yuna weiter in lieblichen Erinnerungen … alles andere verdrängend. Sie möchte für einen Moment wieder glücklich wie ein Kind sein dürfen - sehr wohl ihr Intellekt jedoch auch verstanden hat, welche Zukunft ihnen blüht. „Tani hatte ein wunderbares Outfit an und meines war auch wunderhübsch. Das hat sie mir ausgesucht. Und weißt du, dass sie dichten konnte?“ Yuna blickt vertrauensselig hoch zu ihrer Mutter wie eine Dreijährige, die Schokoladenkuchen bekommt. Miyu lächelt ihrer Tochter sanft zu, streicht ihr liebevoll eine Strähne aus der Stirn. Soll sie ruhig in kindliche Träume entgleiten … Etwas was ihren Verstand umschmeichelt, damit er nicht gänzlich irr läuft. Aber völlige Dissoziation wäre für Miyu nur schwer auszuhalten, Anteile davon zeigt scheinbar Yuna gerade. Die Mutter versucht, ihre Tränen zurückzuhalten und ihrem Kind weiterhin lächelnd Zuversicht zu vermitteln.
„Bea ist eine Meerfrau!“, errinnert sich Yuna. Jetzt und hier kann sie es einmal aussprechen. „Ich weiß!“, antwortet Miyu sacht auf Yunas Offenbarung. „Du wusstest es?“ Yuna lächelt zu Miyu hoch. „Du hast mir auch nicht immer alles verraten, Mum ... Ist schon ok!“ Yuna starrt eine Weile seitwärts ins Feuer, während ihr Kopf weiterhin auf dem Schoß ihrer Mutter ruht. Es tut ihr gut, ihre beiden Eltern so dicht und so zugewandt bei sich zu haben. Zu oft hatte sie zurückstecken müssen. Sie genießt gerade, sich wieder wie ein Kind fühlen zu dürfen, auf das man achtet, nach dem man schaut und dass nicht immer schon so vernünftig und erwachen sein muss in allem.
Aber ohne diese Gabe … hätte sie i h n vielleicht auch nicht bezwungen Hätte dem Maß an Verantwortung, dass sie in dem Moment über alle trug, die sich nicht mehr wehren konnten, nicht standgehalten als sie noch verzweifelt mit der ihm entwundenen Waffe in der Hand schrie: „Hau ab!“, und er dennoch hasserfüllt auf sie zu preschte und ins eigene Verderben rannte … Retten konnte sie letztendlich nur eine … Ihre Mum. Yuna lächelt wieder zu ihr hoch, spaltet Erlebtes wieder ab. „Wir wollten alle zusammen auf den Vulkan klettern … Ellie, Nouki, Bea und ich!“ Schmerzvoll zieht sich Miyus Magen zusammen. Yuna wird nie wieder mit irgendwelchen Freundinnen noch anderen Jugendlichen etwas unternehmen können. „Wir klettern gemeinsam auf den Fuji mein Kind! Nur wir zwei!“ Miyu wird die einzige Gesellschaft ihrer Tochter sein - den Rest deren Lebens.
Ein Lufthauch streift in der Dämmerung dicht über die Köpfe von Mutter und Tochter hinweg, die herumfahren und dem pfeilschnellen Flug erst erstaunt und dann mit lächelnden Augen kurz folgen. Bis zu 160 Stundenkilometer … weiß Yuna. Das war in einem anderen Leben …, denkt die ehemalige Rektorin, … möge ein anderer ein Fenster offen halten … „Die kommen da drüben aus der Höhle. Harmlos!“, erklärt Jack beiden Frauen knapp.
„Und lehrst du mich nun, Mum?“ Yuna richtet sich jetzt gänzlich auf und sieht ihrer Mutter direkt auf Augenhöhe ernsthaft ins Gesicht. „Jetzt gleich?“, ist Miyus erstaunte Frage. Ihre Tochter ist andererseits … wohl auch recht resilient! Jack nickt Miyu nur kurz zu, was so viel bedeutet wie ‚nimm’s wie es kommt!‘ und holt die Schwerter aus dem Zelt. Mutter und Tochter beginnen mit dem Training. Jack trifft stattdessen bereits Vorkehrungen für ihre Weiterreise. Während er sein Lager bald weiter südwärts verlegen wird, müssen sich Miyu und Yuna über die Seidenstraße gen Ostasien durchschlagen.
Später in der Nacht bespricht er mit Miyu noch die Details als Yuna sich schon schlafen gelegt hat. „Ich hab‘ hier noch eine Adresse aus alten Tagen in Persien an der Grenze in Richtung Hindukusch: Farsane Fahani. Sie wird euch sicher weiterhelfen und ein paar Tage beherbergen können, ohne dass ihr weiter auffallt. Sie hat als junges Mädchen bei Übersetzungen geholfen, wollte aber langfristig gerne eine Pflegeausbildung machen.“ Jack lächelt in Erinnerung an die frühere Begegnung mit der zuweilen etwas tollpatschigen jungen Dame. Ob sie wohl ihren Wunschberuf heute ausübt?
„Hier!“, drückt Jack seiner Exgattin und besten Freundin zwei Schiffpassagen in die Hand. „Bis Istanbul schafft ihr es durch den Suez damit in drei Tagen.“ - „Jack, woher hast du …? Womit kannst du … dir das leisten?“ Miyu macht ganz große Augen. In ihrer engen finanziellen Lage sind die Karten ein Vermögen wert. Jack schließt sanft seine Hände um die ihren als Miyu sie ihm zurückgeben will. Er wird den Gürtel sehr, sehr eng schnallen oder sich an einer der Gazellen in der Savanne vergreifen müssen … „Behalte sie. Sie ist auch meine Tochter! Lass mich etwas für euch tun. Euer Weg ist noch lang genug. Wenn ihr vor Wintereinbruch nicht am Hindukusch angekommen seid, nimm eine südliche Handelsroute nördlich durch Indien in östliche Richtung auf den westlichen Rand des Ganges zu!“
Miyu schwirrt der Kopf: „Wie? Östlich, nördlich, südlich, westlich?“ Ähm, man wird sehen. Morgen in aller Frühe geht es los!
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