0 Neuanfang … …………………………………………………………………………………………………………………………………………….. Danke für die Erfahrungen und Kenntnisse, die ich im RPG sammeln durfte. Nach einer kurzen rauschhaften Zeit gehen die Geschichten um Lotta und Co. hier in 🌺 HERLAND weiter - ein Stück weit im Crossover mit den 📜 WiWo News. Wer weiß, vllt. mengt sich irgendwann sogar noch ein wenig P. mit rein 😏 …
Hier in HERLAND bitte keine Kommentare. Wenn, dann lieber per PN … oder auch gerne in den WiWo-News (siehe Signatur) oder auf dem Discord Server. Dort ist alles auch als PDF hinterlegt. Zugang zum Discord Server auf Anfrage per PN.
Das Rauschen des Meeres, der leichte wogende Wellenschlag beruhigen das Gemüt, sind Augen und Ohren gleichermaßen Labsal. Tarek fühlt sich so sehr unter Beobachtung, von allen Seiten. Äußerlich versucht er für jedweden Betrachter gelassen und ruhig zu erscheinen. Es war Mist, vorhin so aus dem Zelt zu stürmen! Aber dieser Blick ständig dieses … Magiers. Malecantus magische Iris irritiert einfach dermaßen … Sie ahnen was …! Sie ahnen was …! Aber woher …? Woher …?
Und sein letzter außerirdischer ‚Arbeitgeber‘ … ist auch hinter ihm her! Tarek hat die nähere Umgebung inspiziert. Seinetwegen oder um Lottas Willen stellen sie aber höchstens einen ab, der auch mal … schlafen und essen muss und wohl nicht jeden Tag anwesend ist. Sie wollen zwar Wissen anreichern über Vorgänge, Kräfte und Mächte in dieser Welt, aber sie haben auch noch ganz andere und größere Sorgen und Aufgaben in der eigenen Welt … auf Batuu! Ausgerechnet sein ihm ehemals zugeordneter Sturmtruppler, der seinen Befehlen zu folgen hatte, wurde nun auf ihn angesetzt. Tarek könnte sich vor Lachen biegen, wenn es nicht so grotesk und auch durchaus gefährlich für ihn wäre. Er hat das Versteck entdeckt, dass seinem Beobachter als Schlafstätte dient. Tja, er kennt ja die Art und Weise … hat sie ja selber eingesetzt …
Für Tarek gibt es nur zwei Wege aus seinem derzeitigen Dilemma: er spielt ihnen zu und verrät Lotta und … sein eigenes Kind! Dann will er aber auch die Lorbeeren ernten und nicht diese Blechbüchse in Rüstung da hinten. Das wäre ein Weg in Ehren zurück nach Batuu …
Die andere Entscheidung würde bedeuten, endlich das angerichtete Unheil zu bereuen und die letzten noch zu retten … Ein winziger klitzekleiner Funken in ihm hofft auf Vergebung dabei. Tarek starrt weiterhin aufs Meer … Es gibt keines auf Batuu … Aber auf Takatuka … und hier … und … überall hier auf dieser Welt … ist so viel mehr Meer! Würde Lotta … verzeihen? Sein Kind … sich noch erinnern …?
Immer wieder zerreißt Tarek innerlich diese Entscheidung des richtigen Weges. Einmal einen so schwerwiegend falschen eingegangen zu sein, auch wenn ihm das Ausmaß vorher nicht im Ansatz klar war, macht es ihm schwer, auf den rechten zurückzukehren …
Eigentlich … weiß er, was er tun sollte, wenn er sich wirklich noch im Spiegel ansehen können will. Seine Seele war nicht immer so vergiftet wie die letzten zwei Jahre … Wie drang das Gift überhaupt so tief ein?
Nun, nachdem er so tief in Ungnade beim Leutnant fiel, fragt er sich das öfter … Musste ich erst schwer stürzen, bevor ich anfing, überhaupt drüber nachzudenken? Beschämt senkt Tarek das Haupt und starrt auf seine leicht im sandigen Untergrund versunkenen Füße. Gleichzeitig lauscht er immer wieder in die Umgebung. Sein Gehör war schon immer gut geschult - seit seiner Kindheit auf der Insel. Am Wellenschlag und seiner Intensität kann er vieles raushören und -lesen. Auch sonst sind ihm die Geräusche der Natur nicht fremd. Er war ein guter Jäger, immer aufmerksam, die Nerven und Muskeln wachsam gespannt, wenn es darauf ankam. Da kommt gar nicht mal jeder technische Schnickschnack von Batuu mit ... Heute scheint sein Verfolger nicht in der Nähe zu sein … Keine verräterischen Geräusche … Wann er wohl wieder auftaucht?
Immer öfter verglich Tarek in den letzten Tagen seine einstigen Fertigkeiten auf der Insel mit denen dieser … dieser Fortschrittswelt und merkt, dass einiges an seiner ursprünglichen Begeisterung mittlerweile in Schieflage gerät. Ja, er kam nicht mit allen Bedienungen dieser kleinen und großen Gerätschaften mit, aber …, wenn diese ausfielen … war diese Erste Ordnung so etwas von verratzt - hilflos wie auf dem Rücken liegende Käfer. Missen möchte er natürlich nicht mehr, auch endlich Lesen, Schreiben und mit Ziffern rechnen zu können, wie auch Lotta mittlerweile. Und dieses kleine vielseitige Gerät, dass sich Handy nennt, ist auch nicht zu verachten … aber auch keine Errungenschaft dieser Batuuaner.
Das hat auch Tarek erfasst, dass es fast überall in dieser Welt recht unerlässlich ist, so ein Maschinchen in der Hosentasche zu besitzen und es auch lesen und bedienen zu können. Nur auf ihrer Insel hat sich einst niemand darum gescherrt – außer … Mae. S i e … konnte das Alphabet vor wie rück und noch mehr, ebenso rechnen wie ein Weltmeister. S i e wollte es eigentlich Lotta lehren und e r … hatte sie eifersüchtig davon abgebracht, währen e r … selbst schon bei Lt. Agnon erste Kultur-Bildung genoss!
Nährte der ein kleines ungut aufkeimendes Gefühl eines jungen unbedarften Menschen bis zur Blüte hochtoxischer Verachtung gegen die einst geliebten Sims? Seitdem Tarek nicht mehr im direkten Einfluss des Leutnants steht … gewinnt ein Gefühl von Verlust immer mehr die Oberhand. Wen oder was aber vermisst er mehr? Als Tarek die beiden Wanderclowns vorhin im Austausch inniger Zärtlichkeit zusammen sah, war ihm fast die Hutschnur geplatzt und er begriff nicht einmal warum … Erst ihn wieder so mit diesen gleißenden magischen Augen inspizieren, was ihn schon in Unruhe versetzte und dann noch vor ihm rumtändeln … Puhhh. D a s war zu viel!
Aufgebracht rannte er nur raus und kam sich gleichzeitig so blöd dabei vor ... Einerseits erinnerten die beiden Männer ihn an die ehemaligen Gunstbeweise des Lt. Agnon, aber ihre scherzhafte wie gleichermaßen liebevolle Art und Weise miteinander versetzte ihn mehr noch in die Zeit zurück auf die Insel … mit Lotta! Lotta! Was ist der richtige Weg?
Abrupt wirft Tarek alle Kleidung von sich und nimmt Anlauf auf die schäumend aufbrandenden Wogen vor ihm, taucht prustend ein in das herbstlich kühle Meer. Ufffffff …! Die Kälte verschlägt ihm im ersten Moment den Atem. D a s sind nicht die Tropen von Sulani, nicht das ewig warme Meer!
Allein schon, um nicht auszukühlen, schwimmt Tarek sich mit kräftigen Zügen einige Minuten warm, bevor er wie einst in die Tiefen abtaucht, in denen er sich frei wie ein Fisch fühlt. Lange kann er den Atem unter Wasser anhalten. Das hat er von früh an trainiert. Das Nass um ihn herum ist jedoch dunkler, trüber als er es kennt.
Nicht viel ist zu erkennen, wo Muscheln oder Korallen zu finden wären. Gibt es hier überhaupt Korallen …? Tarek gleiten durch einen Wald von Seetang, muss geschickt vielen schrundigen Felsen in den Untiefen ausweichen. An diesen haften sie, mit Seepocken übersät, … viele kleine Muscheln. Automatisch greifen seine Hände aus alter Gewohnheit danach, schneiden sie mit einem Stück scharfkantigen Gestein behände ab. Mit einer Handvoll davon stößt er sich vom Felsgrund mit beiden Beinen wieder ab und bricht mit dem Kopf voran durch die Wasseroberfläche, sogleich nach Luft schnappend.
Tropfnass klaubt Tarek mit einer Hand seine Kleidung vom sandigen Erdboden auf und marschiert splitterfasernackt zum Lager zurück. Die Vorstellung müsste bald dem Ende zu gehen, also käme er noch unbesehen zu seinem Schlafwaggon. Kurz bevor er das Zelt passiert, vernimmt er Applaus und dann mehrere Stimmen im Dialog. Oh, sie sind schon fertig und schwätzen mit dem Besuch, statt dass der geht? Neugierig lauscht Tarek an der Zeltwand ...
Gut, dass er hier verharrt. Äußerst … interessant! Ein Sixamer also! Ja, er hatte auf Batuu von diesem Planeten gehört, ist aber noch nie einem von dort begegnet. Ist das nützlich zu wissen?
Schnell huscht Tarek zu dem ihm überlassenen Waggon weiter, als er gewahr wird, dass der Besuch auch noch auf einen Umtrunk eingeladen wird und sich alle anschicken, das Zelt zu verlassen. Es klingt nicht so, als wenn man ihn dabei weiter bedenken wollte.
Überhaupt umkreisen sie sich noch sehr auf Distanz – er und die beiden Zirkusleute. Tarek speist meist für sich allein an einem kleinen Lagerfeuer oder in seinem Waggon. Gesprochen wird bisher hauptsächlich über Arbeitsanweisungen und nur zaghaft Versuche erster gegenseitiger unauffälliger Nachfragen gestartet, was man denn sonst noch so außer Zirkus mache … Beide Seiten hielten sich bislang bedeckt und auch jetzt verschwindet Tarek zügig im Waggon, schließlich … ist er auch noch immer … ‚eins mit der Natur‘ … nämlich recht unbekleidet.
Kurz abgetrocknet und wieder angezogen verlässt Tarek sein mehr als bescheidenes ‚Schlafgemach‘ und schreitet eilig an dem Trupp vorbei. „Ins Dorf … zum Kino …!“, grummelt er nur mal eben zu seinen ‚Arbeitgebern‘ rüber und gibt vor, sich weiter zu entfernen. Tatsächlich biegt er aber verborgen hinter Zeltplanen beim nächsten Gestrüpp am Rande des Lagerplatzes ab und schleicht sich wieder zum Horchen näher ran. Er will noch mehr über diesen Sixamer erfahren …, vielleicht ihn später selber mal ansprechen? Verwundert vernimmt Tarek so einiges Neues … Vor allem, dass dieser Künstlertrupp über Ecken … von Lotta hörte! Schon fast brüskiert ist Tarek, als ihm auf seinem Lauschposten auch klar wird, dass Malecantus Merlin zwischenzeitlich … zum Magier machte …
Wie geht das? Könnte ich … dann auch einer werden? Dann sogar selber … Lottas Fluch brechen …? Und sie … würde mir … dankbar dafür sein? Oder … im Gegenteil … erst recht sauer, wenn ausgerechnet ich … … …? Schwere Entscheidung!
Mit offenen Ohren und großen Augen erschließen sich Tarek immer weitere Informationen. Wie, wo, was? WiWo?Neben dem Sixamer ist selbst Santa nebst Rentieren bei irgend so einem Zeitungsblatt mit von der Partie und … ein Meermann und … noch weitere Magier … in Amerika, wo sie als nächstes hinwollen? Seit Batuu kennt Tarek diese Erdkugel als Globus. Hinter Amerika noch weiter im Westen liegt der große tropische Ozean, in dem er … einst lebte auf einer der vielzähligen weit verstreuten Inseln im endlosen Blau, wo Himmel und Meer am Horizont verschmelzen.
Unendliche Sehnsucht lässt Tarek das fast verhärtete Herz öffnen und das innere Gift mit den Tränen entströmen, die er seit dem Untergang seines Volkes kaum vergoss. Er erkennt jetzt den Weg, den er gehen sollte … und wenn es ihn … sein Leben kosten mag und niemals Vergebung zu erhoffen ist …
Bis in die frühen Morgenstunden verharrt Tarek auf seinem Lauschposten. Als der Besuch sich entfernt, passt er diesen noch auf deren Rückweg ab. „Hei, hallo! Hatte es gestern Abend etwas eilig und mich noch nicht vorgestellt. Tarek mein Name. Hab‘ mich bei Rückkehr früh in meine ‚Kajüte‘ zurückgezogen, weil ich so müd war und nicht mehr stören wollte … Hab‘ aber ein bisschen was mitbekommen. Ej, wollte nicht lauschen, aber … dünne Wände …!“ Tarek grinst die Sims der Künstlerkolonie und den Extrateresten und seine holde Gattin etwas vorwitzig an.
Selbst die sonst oberwache ehemalige Oberrichterin verspürt keinen Argwohn. Klingt doch ganz offen und ehrlich … und die beiden Magier hatten auch nichts Negatives über ihren Mitarbeiter bekundet. Eigentlich … gar nichts!, fällt Erín noch auf, aber dann redet dieser Tarek auch schon weiter auf sie ein …
Freundlich stellen sich also alle noch einmal vor und zeigen wiederum große Anteilnahme, dass auch Tarek ganz betrübt über das Verschwinden von Lotta … und überhaupt dieser ganzen traurigen Angelegenheit ist. Sie halten ihn für ebenso informiert und einbezogen wie die beiden Magier …
Ein Stück ihres Weges begleitet Tarek die Besucher noch und man schwätzt freimütig über Sixam und Batuu und auch den Namen dieses Meermanns Paka‘a erfährt er, fragt nach ob der von einem verlorenen Inselvolk gehört habe … Das wissen sie jedoch nicht … Und natürlich gibt Tarek nicht zu erkennen, was sein Beitrag zum Untergang war.
Auch er tauscht nun Kontaktdaten aus und verabschiedet sich freundlich mit der Zusicherung, garantiert mal nach Sixam zu kommen … für den Vergleich … mit Batuu. Über seine Rolle in dem ganzen … lässt Tarek auch hier im Unklaren! „Erste Ordnung? Nie gehört!“
Eine Weile noch schaut Tarek der Truppe winkend hinterher. Nette Sims! Schade, dass ich … nicht mehr unbefangen … Freundschaften aufbauen kann! Er dreht sich bedauernd um, schreitet langsam zurück zum Zirkuslager. Merlin und Malecantus sehen aus als wollten sie sich gerade nach dem Aufräumen der netten Tischrunde mit dem Besuch für eine Mütze Schlaf zurückziehen. Abwartend bleiben sie jedoch stehen, als sie Tarek so geradewegs mit festem Blick auf sich zugehen sehen.
Hoffentlich hören sie mir bis zum Ende zu und verwandeln mich nicht gleich in eine Kröte oder ein Kaninchen … Innerlich spannt sich Tareks Zwerchfell furchtsam an. Er hat doch einigen Respekt vor Sims mit solchen Mächten im kleinen Finger, aber jetzt oder nie, solange der Sturmtruppler noch nicht zurück ist …: „Ich muss mit euch reden!“ Die beiden Magier setzen sich wieder …
Diverse Nachrichten tröpfeln nun bei Don El Artichocke ein … Bugsy hatte ihm die Nummer von Jack Watanabe weitergeleitet und diese Familie Ogbanda auf den Weg geschickt. Das Spionelfchen steht am nächsten Checkpoint bereit, um weiter zu helfen.
Zu seiner größten Überraschung war Shakirah am Nil auf das ‚flüchtige‘ Mutter-Tochter-Gespann der Familie Watanabe getroffen. Miyu! Wie ist er froh, dass die alte Weggefährtin nebst Kind wohlauf ist. Erleichterung durchströmt sein Herz. Dumm nur, dass Miyu zum verwischen ihrer Spuren keinerlei Kontaktmöglichkeit mit sich führt. Überhaupt sind alle recht unzureichend ausgestattet und Geldmittel kanpp … Nun ja. Auch im WiWo-Verlag ist man kein Krösus. Wann war überhaupt die letzte Ausgabe rausgekommen? Und Einnahmen … rein?
„Das Galama mit der Easter-Western-Press hättest du mir ruhig früher mitteilen sollen, Ilsebill!“, schilt der Zeitungsverleger mild seine Vertriebsdame, die sich gerade ganz nach Quallenart in ihrem nautischen Innenbüro vor Verlegenheit windet. Man kann einfach nichts vor ihm verstecken ...„Aber du hättest dann doch auch nicht früher gewusst, Don … Ich meine, da stand doch nur was von einer Rektorin. Der Name Watanabe fiel doch gar nicht!“ Irgendwie versucht die Vertriebsqualle eine müde Ausrede, gibt’s aber letztendlich auf und fragt lieber nach: „Wie geht’s denn jetzt weiter, Don?“
Einen Moment noch versucht Don El Artichocke alle eingegangenen Informationen auf einen Nenner zu bringen … „Der nächste Ankerpunkt, den wir haben ist diese Farsane Fashani in Persien. Deren Adresse gab Jack Miyu mit auf den Weg und Familie Ogbanda versucht mit ein paar Tagen Verspätung eine Abkürzung quer durch die Wüste dorthin. Da muss das Spionelfchen als unsere Orient-Expertin behilflich sein.“
Eingedenk Miyus Bitte an Shakirah dürfen sie bei Recherchen hier vor Ort nicht zu viel Staub aufwirbeln „Wir können nur sehr sorgsam bei der Brindletoner Polizei nachhaken, dürfen nur unauffällig auf dem Friedhof …“, Don El Artichocke unterbricht sich als es an der Tür heftig klopft.
„Ach, Erín!“, begrüßt der Verleger herzlich die Nachbarin aus der Künstlerkolonie. „Was führt dich zu mir?“ Eher geht er rüber als dass sie herkommen. Der Besuch und noch allein durch die ehemalige Oberrichterin ist schon etwas Besonderes. Ein bisschen aufgeregt fällt die sonst besonnene und eher zurückhaltende Erín gleich mit der Tür ins Haus: „Stell‘ dir nur den Zufall vor, Don! Wir waren im Zirkus …“ Don hält die Tür dann auch gleich mal sperrangelweit auf, damit sie an ihm vorbei in den Flur stürmen kann. Draußen stürmt es auch mächtig herbstlich ungemütlich an einem rötlichen Firmament.
„Kaffee oder Tee?“, bietet Don an und wundert sich, was Erín an einem Zirkus so aus der Fassung bringt. „Tee bitte!“ Erín nimmt in der Küche Platz, während Don sich an das Aufbrühen macht.
Gleich nachdem sie nach einem längeren Schläfchen wieder wach wurde, machte sich die heutige Künstlerin auf den Weg zum Nachbarn, um vom Vortag im Wanderzirkus zu berichten … Don El Artichocke fällt fast die Teekanne aus den Händen …: „Lotta?! Die kennen Lotta?! Und Miyu und alle …?“Puh, immer mehr Puzzleteile kommen zusammen.„Irgendwo in Skandinavien? Wissen nicht genau wo?“ Erín nickt nur auf Dons Frage hin, während sie beide Hände an ihrer Teetasse wärmt und sacht über das heiße Getränk pustet, bevor sie einen kleinen Schluck nimmt.
Noch lange sinnt Don El Artichocke über diese neuen Informationen nach, auch nachdem die Nachbarin bereits gegangen ist. Als ehemalige Richterin hat sie noch mal einen sehr eigenen Blickwinkel auf die peinlich vermasselten Vorgänge bei der Brindletoner Polizei … Mhmmmm … So viele … in alle Erdwinkel verstreut … Werden sie sich … wieder finden?
Mit leerem Blick starrt Don weiter die Wände an …, der Tee in seiner Tasse neben ihm schon längst erkaltet … Dann zückt er das Handy und sucht noch einmal das Gespräch mit Shakirah: „Wo steckt eigentlich Santa mit seinen Rentieren?“
…………………………………………………………………………………………………………………………………………….. 5 WANDERUNGEN …………………………………………………………………………………………………………………………………………….. 5.1.1 – Bis ganz nach oben … Vorbereitungen …
https://www.youtube.com/watch?v=fpMhhNs-p70
In der fahlen Dämmerung macht sich Lotta früh am Morgen auf den Weg, den höchsten Gipfel der Umgebung und wie auch ihres jungen Lebens zu erklimmen. Die schneidend kalte Luft in der frostig eisigen Welt brennt bei jedem Atemzug in ihren Lungen, denn über Nacht sind die Temperaturen noch weiter gesunken. Der Himmel hingegen ist aufgeklart, kein Wölkchen trübt die Sicht. Ganz sacht sieht Lotta noch den Polarstern wie ein Leitlicht am Firmament blinken als sie ihr Antlitz suchend hebt, um Licht und Windverhältnisse zu prüfen. Neben ihr trabt der Wolf gemächlich bis zum Gartenzaun einher, streift immer wieder wie zufällig ihre Beine. Sein Fell ist in diesen kühlen Breitengraden wesentlich dichter geworden, ist ihr irgendwann aufgefallen.
Noch einmal vergräbt der Rotschopf zum Abschied das Gesicht in dem flauschigen Pelz als sie sich neben dem Tier niederkniet, krallt die klammen Finger in graue Haarbüschel, empfängt wohltuende Wärme, die der Leib des Tieres abgibt. „Achte mir gut auf mein Kind!“ Der feuchte Kuss einer kalten Schnauze ist Lotta Antwort und Bestätigung genug.
Thorger und Sven hatten sich gestern Abend noch überraschend angeboten, bei Takatuka die nächsten Tage zu übernachten, während sie den Berganstieg wagt. Lotta weiß ihr kleines starkes Mädchen also bestens versorgt. Sie war so gerührt über diese Geste und nahm sie mit Freuden an: „Bedient euch, Sven, Thorger, nehmt, was ihr mögt und braucht. Ich habe Elch, Schneehuhn, Bachforelle im Kühlhaus …“ Einen Kühlschrank braucht man hier wahrlich nicht. „Und nehmt euch zum Würzen oder für einen Tee von den Kräutern, was ihr mögt …“ Lotta war ganz bemüht, den beiden Bauarbeitern für ihre Freundlichkeit so viel Annehmlichkeit wie möglich in ihrer bescheidenen Hütte zu bieten.
„Ruhig, nur ruhig, mein Kind!“, hatte Sven gelacht. „Wir kommen nicht mit leeren Händen, haben natürlich von unserem Proviant mitgebracht und mit schönen Grüßen auch einiges von den anderen ...“ Seit einiger Zeit schon sind die Besucher von Lottas nachmittäglichen Teekränzchen geneigt, der alleinstehenden jungen Mutter mit Kleinkind das Leben zu erleichtern, wo es nur geht. Es wird schon untereinander wohlmeinend darüber getuschelt wie sie es überhaupt so weit in die einsame Wildnis schaffte und sich wie Töchterchen am Leben erhielt. Insgeheim sind alle heilfroh, dass hier in die Gegend alsbald mit dem Tourismus Geselligkeit einkehren wird, wenn die Horde weiter zu nächsten Baustellen in alle Winde verstreut ziehen wird. Insbesondere Sven und Thorger wähnen sich schon als so etwas wie die Großväter der kleinen Takatuka und bringen gerne kleine selbst geschnitzte Holzfiguren zum Spielen mit.
„Keine Angehörigen …“ hatte Sven seinem Kollegen und Kumpel schon manches Mal zu geseufzt. „Ja, schlimm, nicht wahr? Zeit, dass sich jemand Lottas und des Kindes annimmt.“, hatte Thorger betrübt erwidert. So hatten die beiden Bauarbeiter die zwei Rotschöpfe gewissermaßen ‚adoptiert‘ und versprochen, in Urlauben mit ihren Familien immer mal wieder zu Besuch zu kommen. „Meine Enkelin ist in Takatukas Alter! Das wird ein Spaß!“, hatte Sven Lotta versichert und sich fest vorgenommen, sich in einer der Skihütten einzumieten, wenn erst einmal der Wintersportort hier boomt.
Während Lotta auf dem Gipfel an der Errichtung des letzten Funkturmes für die Region mitwirken soll, werden im Tal die letzten Gebäude aus den bereits gefällten Tannen gezimmert werden. Selbst Skilifte und Pisten sind schon errichtet und ausgebaut. Die ersten Betreiber hatten sich bereits umgesehen und Lotta mit Thorgers Hilfe sogar einige erste Jobs ergattern können. Bauleiter Reuben hatte ihr ein paar Tage zuvor dann sogar noch ein paar Pflanzgeheimnisse des schweigsamen Norwegers für den Anbau in Kälteregionen verraten. Lotta selber hatte noch nicht die Verve, mit floralen Fragen auf diesen wortkargen Ansgar zuzugehen. Aber mit Reuben als ‚Informant‘ kann sie nun wieder ein wenig Obst und Gemüse anbauen, an die örtlichen Imbisse und Gaststätten verkaufen und auch den eigenen Speiseplan etwas bereichern. Es ist natürlich nicht zu vergleichen mit ihrem damaligen Garten und Lieferservice.
Auch erste Verträge für Schikurse sind geschlossen, denn Lotta kann hervorragend Ski laufen und versuchte auch, mit ‚Lehrtätigkeit‘ als Sportlehrerin zu punkten … „Äh, Arbeitszeugnisse …?“ Einen Moment lang hatte Lotta dann doch rumgedruckst bei dieser Nachfrage … Thorger, der sie begleitete, hatte ihre Verlegenheit bemerkt, schnell geschaltet und flugs erläutert, dass die Unterlagen … bei einer beeindruckenden Schneelawine am letzten Arbeitsort … irgendwie …verschollen seien.
Anschließend – als sie sich vom Bewerbungsgespräch wieder entfernt hatten – hatte er erheitert nachgefragt: „Echt? D u hast als Lehrkraft an einer Schule gearbeitet?“ Bei ihren Schreibkenntnissen etwas verwunderlich. Dass Lotta nicht ganz sattelfest im Lesen und Schreiben ist, hatte Thorger schon bei den Verträgen bemerkt und redlich geholfen, sie ihr verständlich zu machen. Lotta hatte nur etwas verzagt dankbar genickt. Trotz aller Freundlichkeit ihrer neuen Bekannten hatte sie sich bisher nicht durchringen können, wesentlich mehr über ihr früheres Leben zu erzählen als dass sie einst einen großen Garten besaß und na ja, … dass es eben keine Angehörigen gibt, die nach ihr fragen würden.
Im Moment versucht Lotta, während sie an diesem kühlen Morgen das Gartentor passiert und auf den Weg zum Berg macht, sich innerliche Gelassenheit zu verordnen. Wird schon irgendwie klappen … Tatsächlich stapft sie aber mit mulmigem Gefühl im Magen durch die tiefen Schneewehen, versucht sich abzulenken, in dem sie durchgeht, ob sie auch nichts vergessen hat: Fäustlinge, Schal, noch einen dicken Pullover … Es wird bitterkalt werden. Zum Glück ist es windstill.
Sven und Thorger hatten ihr am Abend zuvor noch einmal zu versichern versucht, dass sie sich keine Sorgen über Ansgar machen müsse – dem ‚ersten‘ Mann für die Gipfelerstürmung. „Er hat das schon zig Mal gemacht ... konnte bisher mit j e d e m zusammenarbeiten …“ Das ‚j e d e m‘ hatte Sven ausgesprochen gedehnt betont. „Gab nie Schwierigkeiten mit ‘nem Zweiten bei Errichtung eines Funkturms …!“ Wesentlich mehr wussten die beiden über den Kollegen aber sonst auch nicht zu berichten. „Eigentlich … so wie bei dir!“, schloss Thorger leicht schmunzelnd. „Du schwätzt zwar weitaus mehr als der Norweger zum Tee, aber auch nur, was du jetzt so erlebst oder für die Zukunft planst …“
Mit etwas erstaunt geweiteten Augen hatte Lotta recht überrumpelt auf diese Direktheit reagiert … „Ähm, äh… wie? Ich …, also … jaaa, öhm …“ Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Was hätte sie auch erzählen sollen? Dass sie Gedächtnislücken hat? Nicht mehr weiß, wer der Vater ihres Kindes ist. Dass Morde und unglückselige familiäre Verkettungen in ihrer letzten Heimat alles an Freundschaften und menschlichen Beziehungen zerbrochen hat …? Sie haspelte noch etwas rum bis Sven sie gutmütig erlöste …: „Lass gut sein Lotta. Wir wollen niemanden bedrängen. Wir quetschen auch unseren stummen Kollegen nicht aus, was immer den so schweigsam machen mag ...“ Erleichtert hatte Lotta die beiden gutherzigen Geister angelächelt und langsam wieder ausgeatmet.
Noch einmal versucht sie an diesem frostigen Morgen sich selbst innere Gelassenheit zu verordnen, während sie um den nächsten Felsbrocken Richtung vereinbartem Treffpunkt am Fuß des Gipfels biegt. Vielleicht auch so ein schwer verdauliches Ereignis … was diesen Norweger so verschlossen machte. Ich sollte auf Svens und Thorgers Einschätzung vertrau … … …
Augenblicklich ‚verweht‘ Lottas Zuversicht wieder bei Ansgars Anblick, trotz … Windstille. Der Ausdruck auf seinem Gesicht, als er ihr abwartend entgegensieht, während er mit gemächlichen aber sicheren Bewegungen ein Seil aufrollt, wirkt … wenig freundlich, eher … geringschätzig. Lotta versucht dennoch ein halbherziges Lächeln zur Begrüßung, das so viel ausdrücken soll wie ‚Tu mir nichts! Ich hab’s auch nicht vor …‘
Bevor sie nur einen verlegen gekrächzten Laut rausbringt, sagt Lotta lieber erstmal gar nichts und schaut geflissentlich auf die Ausrüstung zu des Norwegers Füßen. Sieht tatsächlich recht professionell aus. Wer wohl zuerst ein Wort sagt …? Lotta versucht, den bohrenden Blick zu ignorieren, den sie im Rücken zu spüren vermeint.
Sie braucht eine Weile, bis sie so viel Mut zusammengekratzt hat, sich dem zu stellen. Tatsächlich! Er betrachtet sie wie ein Tier, dessen Stärke und Fähigkeit es abzuschätzen gilt … Er traut es mir nicht zu … ärgert sich vielleicht doch, dass nicht der Mann aus Stockholm … „Umpf!“, entfährt es Lotta als ihr unvermittelt die Seilrolle zufliegt, die sie gerade noch so eben auffangen kann. Oh Gott, werde ich jetzt die ganze Zeit auf die Probe gestellt …? Lotta wird es zunehmend unbehaglicher …
Ansgars Blick gleitet langsam von unten nach oben über Lottas Erscheinung und scheint an der Pudelmütze mit Bommel kurz zu verharren. Leicht hebt sich eine Augenbraue … Bin ich unpassend gekleidet oder was? Gibt’s irgendeine Bergetikette, einen Gipfelknigge für Kleidung? So langsam steigt in Lotta Ärger auf. Ungehobelter Klotz …Soll das den ganzen Berganstieg so gehen? Hätte ja vorher was sagen können, wenn ihm was nicht passt.
Unwirsch zieht sich Lotta die Mütze tiefer über die Ohren und legt sich das Seil um, sichert mit dem Karabiner, der daran hängt und ist unwillkürlich … irritiert über Ansgars prüfende Griffe an ihr, ob alles richtig sitzt. Sie kann gerade noch ein empörtes Schnaufen unterdrücken … Gehört wohl … zum Sicherheitsscheck! Wortlos lässt sie alles über sich ergehen. I c h kann a u c h schweigen … unerbittlich, pffffft …
Mit kurzem Nicken bedeutet der Norweger, dass es nun los geht, nachdem er mit ansonsten ungerührter Mine wieder einen Schritt zurücktritt. Stumm schreitet er voran und Lotta beobachtet aufmerksam wie Ansgar am Felsen sorgsam nach ersten Haltepunkten sucht. Ab jetzt schwenkt sie über in das, was sie auch beim Fechten und Jagen gelernt hat, wenn es ums Überleben geht. Sie konzentriert sich allein nur noch auf Vorsprünge, Sichern, festen Tritt. Sie hängen beide voneinander ab und wenn er jetzt loslegt, scheint das wohl zu heißen, dass er doch in ihre Fähigkeiten vertraut.
Die nächsten Stunden erklimmen die beiden Bergbezwinger fast wortlos – unterbrochen nur von einzelnen kurzen Befehlen Ansgars und Bestätigungen Lottas - den ersten Abschnitt der frostigen glatten Felswand bis zu einem kleinen schmalen Überhang.
„Eine Stunde verschnaufen, dann geht’s weiter … Hier!“, reicht Ansgar Lotta eine Art Riegel, während er sich neben sie auf einem geschützten Vorsprung niederpflanzt. „Ich will vor Einbruch der Dunkelheit den zweiten Abschnitt geschafft haben. Da schlagen wir dann das Nachlager auf …“ Herzhaft beißt der Norweger in seine ‚Brotzeit‘, während sein Blick über die Landschaft vor ihnen schweift. „Mhmmm!“, erwidert Lotta nur als Zeichen, dass sie verstanden hat. Besser, sie spricht nicht zu viel. Scheint ihn milder zu stimmen, wenn sie sich allein aufs Klettern fokussiert. Zumindest scheint sein Blick, der sie zuweilen streift, nicht mehr ganz so aburteilend zu sein. Hab‘ wohl den ersten Test bestanden … spricht sie sich selber Mut zu und lässt ihre Augen lieber auch auf dem Ausblick vor sich ruhen als auf dem Sim neben ihr.
Nach einer Weile des Sitzens wird es Lotta zu kalt. Solange sie in Bewegung ist, reicht ihre Kleidung, aber im Moment … Sie versucht ein leichtes Zittern zu unterdrücken, erhebt sich von ihrem Ausguck und versucht auf dem engen Vorsprung, ein wenig Wärme durch Auf stapfen der Füße zu verschaffen … „Geht’s bald weiter?“, fragt Lotta beide Arme fest um sich geschlungen. Bis heute trägt sie keine Uhr. Eine Stunde ist nicht so einfach nach Sonnenstand abzuschätzen.
Ihr Ansinnen scheint wieder etwas Unmut im Norweger hervorzurufen … der gerunzelten Stirn nach zu urteilen. Statt einer Antwort räumt Ansgar aber nur kurz zusammen und macht sich mit versteinertem Gesicht an den zweiten Abschnitt des Berganstieg. Fels an Fels … schwirrt Lotta nur vorwitzig durch den Kopf. Soll er sich doch ärgern … Im Moment ist sie nur froh über jedes Stück Sportlichkeit, dass sie weniger frieren lässt. Ist ihm gar nicht kalt …? Mit der Frage beschäftigt Lotta sich nicht allzu lang, denn die gesamte Aufmerksamkeit ist wieder aufs Klettern zu richten.
Noch vor Abenddämmerung erreichen sie ein tiefverschneites Hochplateau. Die Baumgrenze haben sie noch nicht passiert, denn Gestrüpp und Tannen versperren den beschwerlichen Weg. Tief sacken beide bei jedem Schritt ein, dennoch überholt Lotta Ansgar fast frohgemut. Kräftiges Ausschreiten wärmt noch viel besser als das Hangeln in Hanglage. In diesen Höhen ist es weitaus kälter als Lotta es sich je vorgestellt hat. Also legt sie noch einen Schritt zu, um sich schön warm zu halten. Ansgar scheint witterungsbedingt passendere Kleidung zu tragen. Bei Gelegenheit will Lotta sich mal schlau fragen. Aber sie hat so eine Ahnung, dass das nicht ganz billig ist, was der Norweger da trägt, wobei sie wieder bei der Frage ungleichen Lohnes wären. Noch kann sich Lotta solch Ausstattung nicht leisten. Aber es nützt nichts … Irgendwie muss sie jetzt da durch. Der Gehaltsscheck für diesen Job auf dem Berg geht schon fürs kleine schmucke Eigenheim drauf. Das Falun farbige Knusperhäuschen kostet doch schon Einiges.
Es dämmert bereits leicht als Ansgar hinter ihr Halt gebietet und verkündet: „Das ist genau der richtige Platz, halbwegs Windgeschützt …“ Sorgsam entrollt der Norweger umgehend die Zeltplanen, spannt das Gestänge und beginnt Halterungen in den hartgefrorenen Erdboden zu schlagen. Lotta darf assistieren und kommt sich leicht verlegen wie überflüssig dabei vor. Ist ja … nur ein Zelt aufzubauen. Mehr hatten sie nicht mitschleppen sollen. Sei ja … ein Zwei-Mann-Zelt …
Bei einem kargen Abendbrot erhält Lotta noch einige knappe Information zum morgigen Abschnitt, der zu bezwingen wäre. „Länger und steiler als die beiden Strecken heute … Wir müssen das in einem Rutsch durchklettern. Keine Rast zwischendrin!“ Lotta nickt nur stumm. Den Rest der kurzen Mahlzeit schweigen beide, bis Ansgar gewissermaßen das Ende des Tages einläutet. „Wir müssen gut ausgeruht sein!“ Lotta schluckt. Das heißt dann wohl jetzt … ‚gute Nacht‘! Es ist nicht nur die zunehmende Kälte mit Einbrechen der Dunkelheit, die ihr zu schaffen macht. Dieses zwischenmenschlich kühle Gebaren ist auch nicht gerade … herzerwärmend und Lotta eigentlich so gar nicht zu eigen.
Zu gerne würde sich Lotta jetzt ein Iglu bauen können. Das würde von Innen sicherlich mehr Wärme verströmen als dieser Eisklotz, der sich gerade anschickt, vor ihr das Seidendünne Schlafgemach zu entern. Lotta muss sich innerlichen einen Riesenruck geben, um ins Zelt zu folgen. Verwundert registriert sie drinnen auf den ersten Blick, was Ansgar so unter seiner wetterfesten äußerlichen Schale trägt und auf den zweiten, dass die beiden Schlafsäcke … an den Reißverschlüssen verknüpft wurden. „Ähmmmmmm …“, versucht Lotta umgehend zu protestieren, was ihr aber nur einen Blick unter ziemlich gerunzelten Augenbrauen einbringt, der ihr wohl weiß machen soll, dass sie nicht ganz gescheit sei … Ob die das auch mit zwei Mann so machen? So ganz sicher ist sich Lotta nicht … Andererseits … Dieser Amundsen hatte seinerzeit Schlittenhunde zum Wärmen mit ins Zelt genommen auf seiner Reise quer durch die Antarktis … War auch ein Norweger gewesen. Lotta war sehr beeindruckt gewesen … von der Filmdoku … damals … als sie … noch einen Fernseher hatte …
Ach ja, so ein bisschen technischer Fortschritt schadet nicht, seufz … Lotta weiß augenblicklich wieder, wofür der Auftrag gut ist, den sie hier ausführt: ist der letzte Funkturm aufgestellt, gibt es endlich Verbindung in die ganze Welt. Ohne dem würde es gar keine Touristen heutzutage mehr herlocken. Von solchen Gedanken etwas befriedet fügt sich Lotta in ihr augenblickliches Schicksal. Ein letzter aufbegehrender Gedanke wünscht sich ihren Wolf zum Wärmen an ihre Seite. Schnell aus Pulli und Hose geschlüpft rutscht Lotta in den Schlafsack hinterher. Brrrr, das ist einfach soooo saukalt. Fast schlagen ihre Zähne klappernd aufeinander …
Lottas Versuch, sich etwas schicklich in die entgegengesetzte Ecke der verbundenen Schlafbutzen zu schmiegen, wird umgehend durch einen schweren Arm torpediert, der sich Kraken mäßig um ihre Leibesmitte schlingt und ihre Rückseite an dieses wölfische Wesen hinter ihr zwängt. “Hei!“, entfährt ihr ein erneuter kleiner Protestlaut, der nur mit einem dicht an ihrem Ohr geraunten „Sei nicht dumm!“, unwirsch quittiert wird.
I c h bin nicht d u m m! Ärger kocht in Lotta hoch, Zorn lodert auf … und … erwärmt … sie bis in die Zehenspitzen. Hat in diesen Breitengraden doch fast was Gutes, wütend zu werden. Zoff können sie sich hier oben aber nicht leisten und Lotta ahnt, dass sich jemand in ihrem Rücken nur eins grinst und weiß, dass sie sich gerade ganz ‚warme Gedanken‘ macht. Nun gut! Sie ist … nicht dumm! Das ‚Tier‘ hinter ihr hat auch tatsächlich so etwas wie ein Fell am Leib. Ganz schön … flauschig! Lotta beneidet den Norweger um seine wärmende Unterbekleidung. Also noch etwas, was er ihr witterungsmäßig voraushat. Was das wohl für ein Material ist?
Sie müssen wirklich schlafen, um den morgigen Tag zu bestehen und da der Bergführer sonst keine weiteren Avancen macht, lässt sich Lotta durch die zunehmend wohlige Wärme auch langsam einlullen, kuschelt sich schon leicht müde wegdriftend noch ein wenig mehr an dieses fellartige Strickgebilde ihres Zeltgenossen. Er wird schon keinen Quatsch machen … kann er sich nicht leisten bei dem Auftrag … Steht zu viel auf dem Spiel … Ihre Träume begleiten Bilder von Böser Wolf, der sich dicht an sie schmiegt …
Ein kühler Windhauch lässt Lotta am nächsten Morgen erwachen. Ansgar verlässt bereits komplett angekleidet als Erster das Zelt. Die Plane vom Eingang fällt hinter ihm direkt wieder zurück und verschließt sogleich die Sicht nach außen. Den kurzen Blick auf die Wetterlage, den Lotta erhaschte, zeigte eine leicht graue Nebelsuppe. Das verheißt nichts Gutes. Schneegestöber vielleicht in nächster Zeit … Zu ihrer eigenen Überraschung hat Lotta recht gut geschlafen und fühlt sich äußerst ausgeruht und tatkräftig für den Tag gerüstet. Nur … ein bisschen kälter ist es als gestern.
Plötzlich wird die Zeltplane wieder zurückgeschlagen und auf einem Handteller balancierend ein kleines Flauschpaket reingereicht. Auffordernd hält ihr Ansgar scheinbar eine Garnitur solch vortrefflicher Unterwäsche hin wie er sie selber trägt. „Guten Morgen!“, beginnt Lotta erst einmal freundlich den Tag, was scheinbar nicht zu des Norwegers Konversationsgepflogenheiten gehört. „Für mich?“ Ein strahlendes Lächeln gleitet über ihr Gesicht. Wie fürsorglich!„Danke!“ Überglücklich drückt sie die dargebotene Gabe an die Brust. Jetzt bin ich so gefeit für den weiteren Anstieg und die nächsten Nächte … das ist bestimmt gaaaanz schön teuer! Wieder etwas, was sie sich wohl nie leisten kann …
Verwundert starrt Ansgar diesen Rotschopf einen Moment an. Dass so eine kleine Geste solch ein Entzücken hervorruft, ihr Antlitz vor Freude regelrecht aufleuchten lässt … Der Norweger lässt irritiert die Zeltplane wieder fallen und zieht sich zurück, damit Lotta sich drinnen umziehen kann. Das leicht unterdrückte Schmunzeln um seine Mundwinkel hat sie nicht mehr gesehen.
Als Lotta kurze Zeit später quietschvergnügt in der Thermo-Unterwäsche aus dem Zelt schlüpft, um sie selig wie ein reich zu Weihnachten beschenktes Kind auf einem imaginären Laufsteg im Freien zu präsentieren, ist kaum zu übersehen, dass Ärmel und Hosenbündchen ordentlich um die Gelenke schlackern und alles ein bisschen zu lang ist.
Wieso habe ich nicht an ausreichend Ausstattung in der richtigen Größe gedacht …? Der Bergführer schilt sich selber einen unbedachten Holzkopf. Dass Lotta mit Kind kaum Einkommen hat, hat er doch nun oft genug von den anderen vernommen … Welch einen Ärger hätte er am Hals, würde sie hier oben Frostbeulen bekommen …
Geschickt ist Ansgar Lotta behilflich, Ärmel und Bündchen an den Füßen sorgsam aufzukrempeln, damit sie später beim Klettern nicht behindert wird. „In einer halben Stunde starten wir!“, gibt er unmissverständlich kund, dass sie sich nun eilen soll und blickt dabei so neutral wie möglich aus seiner eigenen Wäsche. Fang bloß keinen groben Unfug hier auf dem Berg an … Nur an den Job denken, an den Anstieg …!, mahnt er sich dabei selbst.
Lotta ist sogar schneller fertig und ganz darauf aus, keinerlei Scherereien zu bereiten und das ihrige dazu beizutragen, dass der Auftrag bestens gelingt: „Kann losgehen!“, strahlt sie immer noch hoch vergnügt, so wohlig warm verpackt den Tag begehen zu können, den Bergführer dermaßen an, dass dem kaum auffällt, dass keine Sonne heute scheint. Leicht den Kopf schüttelnd packt Ansgar ihre Sachen ein und auch Lotta klaubt rasch noch Restliches zusammen, damit ja nichts in dieser unberührten Natur liegen bleibt.
Wohlgemut macht sich Lotta hinter Ansgar wieder auf den Weg zum nächsten Anstieg. Hach, der Tag kann nur gut werden … So flauschige Unterwäsche … Fast pfeift sie ein Lied auf den leicht gefrosteten Lippen, stößt Atem mit Eiswolken aus und sieht vor sich … nur wieder einen leicht hin und her wiegenden Kopf … Soll er doch denken, was er will, dass sie ein albernes Geschöpf sei, oder so. Ich lass‘ mir heute die Laune nicht verderben …
„Was ist das … für eine … Wolle?“, wünscht Lotta dann doch weitere Auskunft und unterbricht wieder das zurückhaltende Schweigen. Obwohl die Eiseskälte fast jeden Atem nimmt, fährt sie im leichten Plauderton fort: „Nur dass ich es richtig wasche, bevor ich es dir später zurückbringe …!“ Sie vernimmt nur ein raues Gemurmel. Der Norweger dreht sich nicht mal für eine Antwort um. „Alpaka! Behalt‘s!“
Der Tag wird ja immer besser! Ich kann’s behalten … Lotta umschlingt beim Wandern über den letzten Rest der weiten Hochebene vergnügt mit beiden Armen kurz den eigenen Körper, um dieses flauschige Gefühl auf der Haut noch besser zu spüren … und die Wärme, die es ausstrahlt. Dreht sich ja eh keiner zu ihr um und sieht, welche Faxen sie hier hinten macht. Sie könnte jetzt glatt noch … zwei Hasenohren mit zwei V-förmig gestreckten Fingern … Langsam streckt Lotta die Hand vor …
„Ups!“ Beinahe wäre sie in den Norweger reingelaufen, so abrupt wie er stehen bleibt ... Nun dreht er sich doch glatt auch noch zu ihr um. „Hab‘ Augen am Hinterkopf!“, fährt er Lotta barsch an, die perplex einmal den Mund öffnet und wieder schließt.
Verlegen den Blick senkend setzt Lotta dann doch noch mit einer Erklärung nach: „Äh, wie?! Ich wollte nur nochmal ganz herzlichen Dank sagen für diese feine … flauschige … äh … Unterwäsche. Danke! Vielen, vielen Dank!“Wie peinlich! Der Bergführer wendet sich ebenso abrupt wieder ab, schreitet ohne weiteren Kommentar mit festen Schritten erneut voran.
Wie konnte er das sehen, häh? Lotta fühlt sich ziemlich ertappt, ist recht irritiert, bis ihr klar wird, dass die Sonne sich doch noch bei einem Wolkenaufriss zeigt. Klar! Das Schattenbild! Mist! Für den Rest des ‚Ausfluges‘ nimmt sich Lotta vor, bloß keinen Unfug mehr zu veranstalten. Das letzte, was sie brauchen kann, ist ein verdrossener Bergführer, der über ihr die Felsen erklimmt … „Tschuldigung …“, flüstert sie lieber nochmal leise nach vorn …, was aber keinerlei Resonanz erzeugt. Hat er’s nicht gehört? Lieber nochmal lauter? Ach nee, besser nicht!
Der Bergsteiger vorn hat’s vernommen und grinst breit! Sieht ja keiner! Der kleine Kobold hinter ihm schon mal gar nicht … Mach ja keinen Quatsch! Mahnt er sich erneut! Augen nur auf den Berg richten …! Seine Mine wird wieder ernster …
Die nächste Kletterpartie erweist sich als äußerst anstrengend. Es gibt keine Rast, keine Pause den ganzen Tag … bis Eintritt der Dunkelheit. Ein aufkommendes Schneegestöber wie schon am Morgen befürchtet, verschlechtert zusätzlich noch Sichtverhältnisse wie Kletterbedingungen. Die Felswand wird zunehmend rutschig, so mancher Tritt glitschig und nicht mehr ganz sicher. Lotta wie Ansgar sind nach vielen zähen Stunden doch langsam erschöpft, die Kräfte bald aufgezerrt. Der Berg fordert heute beiden seinen Tribut ab.
Auf allen Vieren kriechen sie die letzten Meter aufs nächste Plateau hoch. „Wir müssen vom Abgrund weg, weiter auf die Ebene vor!“ Ansgar brüllt fast bei dem aufkommenden Sturm und ist doch nicht mehr leicht zu hören. Lotta setzt sich sofort trotz gummiartiger Mattigkeit in den Knien in Bewegung, bereit, alle Anweisungen des Norwegers auszuführen. In den letzten Stunden ist ihr immer klarer geworden, dass sie sich ganz auf ihn verlassen kann, ja verlassen muss. Er hat die größeren Erfahrungen im Hochgebirge. Ansgar folgt Lotta auf den Fuß. Trotzdem haben sich beide binnen Sekunden aus den Augen verloren. Die Wetterverhältnisse sind nie hundertprozentig vorhersehbar in diesen Höhen und die Dämmerung ist schon längst der Nacht gewichen.
Besorgt hält Ansgar Ausschau nach Lotta. Sie hat sich bestens bewährt diese Tage. Jeder erfahrene Bergsteiger könnte sich in dem Gestöber verlieren. Es ist aber vor allem seine verdammte Verantwortung, dass ihr nichts passiert … Nicht auszudenken …, Mutter eines kleinen Kindes ... Ihm wird siedend heiß in der bitteren Kälte.
Lotta bleibt lieber auf der Stelle stehen als sie bemerkt, dass sie keinen Meter mehr weit sieht. Leicht kauert sie sich zusammen, duckt sich vor dem eisigen Wind und versucht, sich durch Rufen bemerkbar zu machen. „Hier! Hier bin ich!“ Weiter zu laufen würde bedeuten, ganz die Orientierung zu verlieren. Weit kann der Norweger nicht sein …
Fast stolpert Ansgar über etwas, das er erst für einen Felsbrocken hält, bis er feststellt, dass es ein fast eingeschneites Lebewesen ist, das da am Boden hockt und sich vor den eisigen Verwehungen zu schützen versucht. Heilfroh, Lotta gefunden zu haben, zieht Ansgar sie vom Erdboden hoch. „Du hast dich famos geschlagen heute. Komm, wir müssen weiter!“ Ganz erlöst zeigt der Norweger direkt ein Lächeln und schlägt sogar mit Lotta zu einem High Five ein. Wow, er kann lachen! Gutmütig nimmt sie sogar noch den ‚Ritterschlag‘ auf das rechte Schulterblatt hin, der sie locker fast ein paar Schritte im tiefen Schnee vorwärts treibt. Jupp, so kommt man auch voran! Wie befreiend, wenn er gut drauf und glatt mal etwas freundlich wirkt … Also, wenn sich das auch in der Mimik mal widerspiegelt …
Diese Nacht fallen beide Bergsteiger nach einem kurzen Imbiss an einem wärmenden Lagerfeuer eng beieinander sogleich erschöpft in tiefen Schlaf, während draußen der Wettergott unbarmherzig zuschlägt, das Zelt der beiden Murmeltiere sanft in weißen Puder hüllt und Wogen weißer Dünen an die Planen branden lässt - bis … nur noch ein kleiner halbrunder Kegel sich fast unscheinbar von der umgebenden Landschaft abhebt.
Den nächsten Tag müssen sich Ansgar und Lotta erst freischaufeln, so eingeschneit sind sie. „Lass das Zelt stehen!“, weist der Norweger den Rotschopf an als sie sich ans Zusammenpacken macht. „Oben gibt es Höhlen!“Okeeee. Was eine Verschwendung …! Bedauernd blickt Lotta auf die im Wind flatternde Plane, fügt sich aber der erfahreneren Einschätzung Ansgars. Dann wird der nächste Abschnitt wohl auch nicht ganz leicht …
Bei kurzem Frühstück am Feuer und erläutert der Bergführer, dass Lotta heute voran klettert. Uyyyy, ist das jetzt ein besonderer Vertrauensbeweis in ihre Kletterkünste? Sie wagt gar nicht zu fragen, was der Grund ist, denn heute gibt sich der Norweger wieder ganz nüchtern und abweisend.
Wagemutig macht sich Lotta an den Aufstieg, achtet besonders auf jeden Schritt, denn noch immer herrscht reges Schneetreiben. Unter sich hört sie nur gedämpft leichte Tritte, ein wenig schnaufen … Meter um Meter arbeitet Lotta sich vor, wohl wissend, dass Ansgar ziemlich direkt unter ihr an der Felswand entlang hangelt. Ob das wieder eine Probe ist, meine Kletterfähigkeit etwas genauer unter die Lupe zu nehmen …?
Noch ein paar Meter und Lotta hört plötzlich einen Aufschrei unter sich. Mit den rechten Fingerspitzen hakt sie sich am Gestein fest und versucht nach unten zu schauen, was passiert ist … „Oh nein …! Was … in drei Teufels Namen …?“, entfährt ihr sofort.
„Verdammte … Hölle! Verfluchter Mist noch eins! Teufel! Krätze!“ Erschrocken sieht Lotta den Norweger am Boden liegen und hört sein lautstarkes Fluchen. Wie konnte er nur abstürzen? Aber scheinbar ist er … ok, wenn man so lauthals noch vor Ärger krähen kann. Sicherheitshalber fragt sie aber lieber noch nach … „Ja, ja, alles gut! Klettere weiter! Los, hoch mit dir!“, lautet die ruppige Antwort von unten.
Oh, er könnt sich in den Allerwertesten beißen. Wovon hat er sich nur so ablenken lassen? Na gut, ich wollte mir das mal von unten besehen … also, die … Kletterfähigkeit! Natürlich! Was sonst? Blöder Idiot! Denk an deine Aufgabe! Ansgar schimpft sich selber noch so manches Unsägliche, während er sich mühsam erhebt. Au, das schmerzt!
Das muss hier gaaaaanz glatte Stellen geben …! Lotta klettert jetzt besonders achtsam, nachdem Ansgar schon einmal abgestürzt ist. Vorsichtig tastet sie sich jeden Meter voran, während der eigentliche Bergführer recht zügig wieder aufschließt … nur noch einen fachlich prüfenden Blick nach oben gerichtet. Ja, sie könnte selbst Bergführerin werden. Lotta hat ganz beachtliche Kletterfähigkeiten. Nur die Kleidung … Mhmmm. Nicht so geeignet! Hätte er das bloß vor Berganstieg mal abgecheckt. Aber … er wurde ja auch noch nie zu Lottas Teerunde eingeladen … Warum eigentlich nicht? Etwas grummelig ob dieser Erkenntnis klettert Ansgar weiter … immer mal wieder mit einem Blick auf Lotta über sich. Ja, sie machts gut, wirklich gut! Rein professioneller Blick eines Bergführers! Ja, ja …
Die weiteren Stunden sind zwar ähnlich beschwerlich wie am Vortag, denn die Wände sind steil. Zum Glück aber stellt sich nach kurzer Gewitterlage tatsächlich Sonnenschein ein. Der Norweger genießt einen Moment die wärmenden Strahlen auf dem Gesicht, bevor er sich weiter hoch hangelt. Lotta ist schon über die Abbruchkante des Felsen auf die nächste Ebene gelangt. Ist Ansgar froh, dass es keine weiteren Zwischenfälle gab.
Auf der Hochebene wartet Lotta bereits, scheinbar erfreut, dass er unversehrt folgt und ansonsten ebenfalls recht empfänglich für die angenehme Sonnenwärme. Wohlig hält sie ihr Gesicht dem willkommenen Licht entgegen, hakt aber besorgt auch nochmal nach, ob alle Knochen heil blieben. Es gibt nur ein stummes Nicken vom Norweger. Ok, dann spielen wir wieder ‚stumm wie die Fische‘. Lotta wird aus diesem Kerl nicht schlau. Muss sie auch nicht, Hauptsache der Job wird gut erledigt … und der Verdienst stimmt halbwegs …
Nach knapp einer halben Stunde Marsch auf fast grader Ebene deutet Ansgar nach vorn: „Da ist sie! Die Höhle!“ Lotta hatte sie bereits von weitem gesehen. Eigentlich liegt sie gar nicht so weit vom Abhang entfernt, den sie beide vorhin erklommen hatten. Aber in diesem tiefen Schnee stapft es sich nur sehr langsam voran. Tief sinken die Füße bei jedem Schritt ein. Heute Abend hätte Lotta gerne eine extra Portion Huhn, Fasan, Elch oder Ren … Ach, läuft ihr das Wasser im Munde dabei zusammen, das aber auch sogleich wieder versiegt, wenn sie an die zwar nahrhaften aber ziemlich drögen geschmacksneutralen kalten Energieriegel denkt, die Ansgar für beide mit sich schleppt. Der Mann hat keinen ausgeprägten Gaumen …
Kurzum erschließt sich Lotta aber eine neue Geschäftsidee. Wenn sie mal Klettertouren anbietet, dann mengt sie ein bisschen Zimt und Sternanis unter die Fruchtmasse. Ein wenig Honig könnte auch nicht schaden und weil sauer so lustig macht, noch ein bisschen Zitrone. Auch geriebener Ingwer sollte nicht fehlen … Ach, all die Gewürze … Ob Ansgar vielleicht weiß, wie man hier auch Ingwer in der steten Kälte ziehen kann? Ob sie den wortkargen Fisch mal fragen kann? Noch zögert Lotta … Ansgar lädt nicht gerade zum Plaudern ein, wirkt oft recht unterkühlt. Den an der Tafel und jedes Gespräch versiegt wohl binnen Minuten. Der Tee gefriert vielleicht sogar in Sekunden …
Lotta bremst augenblicklich ihre Gedanken, will sich wirklich keine albernen Ausrutscher wie mit den Hasenohren mehr leisten. Der Norweger mag wohl das ein oder andere Mal vor Erleichterung lächeln, ist sicher recht verantwortlich in seinem Job … aber ohne Spaß im Leben. Ein kalter Fisch halt und kein Spaßvogel! Also … keine Späße mehr mit …
„Sicher, dass kein Bär die Höhle unsicher macht?“ So ganz kann Lotta es dann doch nicht lassen. Leicht muss sie dabei kichern. So viel zu Vorsätzen … Die halten halt auch nur bis einen Tag nach Silvester! Wieder ‚erntet‘ sie lediglich einen frostigen Blick. Das ist wohl das Einzige, was sie je an ‚Gartentipps‘ von diesem Eisklotz bekäme …, besser sie ‚grast‘ nochmal bei Reuben ab, was der an floralem Wissen beim Norweger abstaubte. Zumindest innerlich gönnt Lotta sich ein erwärmendes Schmunzeln über den Unfug, der so beim Wandern durch den Kopf weht.
Für die Nacht machen es sich die beiden Bergwanderer in der Höhle so gemütlich wie möglich. Was man halt in einer kalten Höhle hoch oben auf einem vereisten Berg eben als behaglich erachten kann. Brrrrrrr. Aber Alpaka an Alpaka geschmiegt lässt die Nacht sogar neben einem Eisklotz ausreichend warm erscheinen. Die vielen Stunden anstrengender Bergtour fordern ihren Zoll. Die beiden Bergsteiger fallen augenblicklich in einen Bärenartigen Winterschlaf, ZzzzzzzZZZZ.
Noch fast mitten in der Nacht wird Lotta unsanft geweckt. „Der Hubschrauber kommt in den Morgenstunden mit dem Mast. Wir müssen zeitig auf der Bergspitze sein!“ Lotta blinzelt noch einen Moment benommen vor Müdigkeit über diese morgendliche Ankündigung Ansgars und erhebt sich dann ohne weitere Nachfrage. Er kennt den Zeitplan. Ihr hatte er ihn gestern Abend nur noch nicht verraten. Jetzt ist ihr aber auch klar, warum es so früh schon in die Falle ging. Wie er meint! Hauptsache der Lohn stimmt nachher!
Das letzte Stück Felswand ist gar nicht mehr so hoch und Lotta bass erstaunt, dass sie schon nach drei Stunden oben sind. Über ihnen blinken die Sterne in fast klarer Nacht. Vor ihnen liegt eine endlose Schneewüste. Kein Baum noch Strauch behindert die Sicht. Sie haben die Baumgrenze überschritten „Es ist … so wunderschön!“ Lotta kann diesen Gedanken nicht bei sich behalten, so überwältigend ist der Anblick dieser eigentlich menschenfeindlichen Umgebung. Diesmal erntet sie fast so etwas wie einen wohlwollenden Blick ihres Bergführers. Gibt also doch etwas, was ihn scheinbar ein bisschen bewegt.
Mit knapper Handbewegung deutet Ansgar auf einen schmalen Grat weiter den Hang hoch. Noch sind sie nicht ganz oben, aber es wird keine Kletterpartie, sondern eine Schneewanderung auf die letzte Anhöhe hinauf. Die Morgendämmerung dräut hinter ihnen herauf als sie sich auf das letzte Stück Weg zum Gipfel begeben. Zügig treten sie aus, froh, das Ziel bald erreicht zu haben.
Auf des Berges Spitze lässt sich Ansgar dann doch glatt dazu hinreißen, Lotta zu gratulieren und endlich für ihre meisterlichen Kletter- und Wanderfähigkeit zu loben. Eine unglaubliche Anspannung scheint von ihm abzufallen … Beschwingt hebt er eine Faust als Zeichen, dass sie den Berg bezwungen haben und heil oben ankamen. Lotta steckt Ansgars Aufregung an. Erst jetzt wird ihr selber diese wahnsinnige Leistung, die sie beide vollbracht haben, so richtig klar. Sie haben … es geschafft!
„Lotta, du bist wirklich unglaublich …“, beendet Ansgar gerade seine schon fast ausschweifende Lobeshymne mit ihr recht intensiv zugewandtem Blick. Das waren jetzt die längsten und meisten zusammenhängenden Sätze, die Lotta je von ihm hörte. Und … sie … waren … unendlich … freundlich … und … galten ihr! Er … hält mich … für eine … waschechte … Bergsteigerin! Anerkennt … meine … Fähigkeiten. Lotta ist zutiefst und … zu Tränen gerührt … auch nach all den Strapazen der letzten Tage … Oh man, gerade verdirbt sie wieder das Bild einer taffen Bergbezwingerin … schnief!
Was hab‘ ich denn falsch gemacht? Ansgar ist irritiert. Er wollte doch, dass sie sich freut … und jetzt … Umpf! Ratlos macht er das, was ihm als das nächst Gescheite deucht. Er nimmt Lotta in den Arm, um zu trösten …
Lacht sie da gerade leicht an meiner Schulter? Egal! Er weiß nichts Besseres und wiegt den Rotschopf wie ein scheinbar unglückliches Kind etwas zur Beruhigung hin und her. Wahrscheinlich der Stress, der jetzt etwas abfällt. Geht ihm ja genau so und auch er selber fühlt sich nicht unwohl bei der … wohltuenden Berührung.
Einen Moment verharren die beiden Bergbezwinger noch so, bis sich die Gemüter wieder etwas beruhigt haben und Lotta sich leicht verlegen aber zart lächelnd löst, um zu signalisieren, dass alles mit ihr ok sei. Soll er jetzt mal glauben, dass ich etwas überreizt war … Na ja, war ich wohl auch!
„Wann kommt denn der Hubschrauber?“, versucht sie geschäftlicher zu klingen und auch Ansgar nimmt räuspernd Anlauf, wieder mehr den Anschein arbeitsamen Gebarens zu vermitteln. „Dauert nicht mehr lang!“Mpfff. Die Stimme ist noch leicht belegt.
Die restliche Wartezeit verbringen die zwei Bergsteiger schweigend mit Blick auf die anbrechende Morgenröte. Es wird ein herrlicher Tag und Lotta hört schon erste Motorengeräusche. Die Wetterbedingungen sind ideal für das Vorhaben.
„Du steigst auf die Einfassung!“ Ohne weitere Umschweife wird Lotta unvermittelt in die Höhe gehievt, als sich das Fluggerät samt Metallgestänge direkt über ihnen befindet. „Greif nach den Enden und dann langsam an den seitlichen Nuten bis zum Einrasten entlangführen …“
„Kommst du ran?“, verlangt Ansgar von unten zu wissen. „Ja fast … noch ein Stück!“ Lotta bemüht sich um sorgsame Ausführung nach Ansgars Anweisungen … Beherzt packt sie nach dem leicht schwankenden Gestänge und muss einiges an Kraft für den rechten Lauf aufbieten. Unter ihr führt Ansgar die Mastenden bis zum Grund weiter. Sie brauchen beide einige Zeit, bis alles passt und ein deutlich vernehmbares Klicken nach den schleifenden Geräuschen von Metall auf Metall endlich den Erfolg der Mission verkündet.
„Hervorragende Arbeit, Lotta!“ Schon wieder ein freimütiges Lob aus Ansgars Mund. Lotta ist ganz überwältigt als sie wieder an einer Hand von dem Norweger gestützt auf den Erdboden zurückspringt. Es hat wirklich alles geklappt! „Dank deiner guten Erläuterungen!“, gibt sie freudestrahlend das Lob zurück, während Ansgar noch Verbindungen überprüft und nachzieht. Lotta schaut genau zu, und macht sich dann an weiteren Schrauben zu schaffen, bis alles fertig gestellt ist und sie einen fast freundschaftlichen Schlag auf die Schulter erhält. „Fertig für heute!“, verkündet Ansgar gutmütig den Abschluss ihres Auftrages.
Hach, sie hat ihren Lohn wirklich verdient. Lotta freut sich schon darauf, ihr Häuschen endlich zu bezahlen und es dann auch tatsächlich ihr eigen nennen zu dürfen. Sie vermisst nach drei Tagen Berganstieg ihr Töchterchen und auch die anderen ihrer Teerunde so langsam. „Steigen wir jetzt wieder runter?“Runter geht sicher schneller …
„Heute nicht mehr! Das wäre zu knapp!“, bescheidet Ansgar kurzum. Es stört ihn etwas, dass sie den Abstieg scheinbar kaum erwarten kann, aber vielleicht gefällt ihr ja … das ‚Nachmittagsprogramm‘. Sie haben jetzt Zeit für etwas … Muße. Der Mittag ist nach der ganzen Aufbau-Aktion bereits weit überschritten. „Hier oben gibt es eine weitaus bessere Höhle zur Übernachtung. Auch prima für ein reinigendes Dampfbad ausgerichtet, das wir uns redlich verdient haben, oder?“
Baden? Wir? Grinst er leicht? Etwas irritiert blickt Lotta den Norweger an. So … gesprächig?
„Wir müssen nur den Weg hier wieder runter …“ Ansgar wartet scheinbar auf eine Antwort.
… … … „Aha!“
Lottas Alarmglocken beginnen zu schrillen … also sie vor dem Norweger in die angewiesene Richtung herläuft und sich von Zeit zu Zeit nach ihm umsieht, ob sie irgendwas an der Mine deuten kann. Muss ich jetzt … ‚bezahlen‘? Für die ganze … Hilfsbereitschaft? Ihr wird leicht klamm. So hatte sie sich den Ausgang nicht vorgestellt nach den ganzen Lobhudeleien über ihre Wunder-Wer-Weiß-Was-Fähigkeiten.
Ganz vorsichtig versucht Lotta mal das ‚Terrain‘ abzutasten, auf dem sie sich jetzt gerade bewegt. ‚Unwegsames Gelände‘ will es ihr erscheinen … „Äh, Dampfbad? In einer Höhle? Wie funktioniert denn das?“
Ansgar bietet bereitwillig Erklärung. Er hat diesen Berg natürlich vorher schon bestiegen. Gehört zu seinem Auftrag. Einer musste ja die Einfassung zuvor verankern und das Gebiet erkunden, bevor ein zweiter ‚Mann‘ mit raufgeschickt wird. Der Norweger ist einer der erfahrensten Bergsteiger Nordeuropas, war aber auch schon viel in der Welt auf anderen Gipfeln unterwegs. „Nahe beim Eingang der Höhle ist eine tiefere Schneegefüllte Mulde. Machst du ein Feuer innen, fängt’s erst an zu schmelzen und dann zu verdampfen … Den Effekt hab‘ ich bei der ersten Tour hier hoch entdeck!“
Oh, wie genial. Ohne die Begleitumstände eine super Idee, muss Lotta zweifelsohne anerkennen, fragt aber lieber ganz umsichtig nochmal das zu treffende Arrangement nach: „Willst du zuerst oder soll ich …?“ Lotta beißt sich leicht auf die Lippen als sie endlich ihre ‚geteilte‘ Vorstellung zum Ganzen offenbart.
Ansgar vermeidet, seine leichte Enttäuschung zu zeigen. Was hatte ich denn erwartet? Nun, ganz sicher wird er sich keine Beschwerde bei seinem Arbeitgeber einhandeln noch will er irgendeinen Eklat auf dieser Anhöhe heraufbeschwören. Kein Dissens zwischen Bergsteigern am Hang!Wäre sie drauf eingestiegen …, dann also … nun ja … Aber so …
Der Norweger will keine Zwangslage ausnutzen als sie bei der Höhle ankommen. „Du kannst gerne zuerst rein. Ich entfache nur noch kurz das Feuer …“ Ganz langsam atmet Lotta unmerklich wieder aus. Puhhh, das klang doch … recht neutral. Den kurzen Atemstillstand hatte sie in der Anspannung an sich selber gar nicht gleich bemerkt. „Ok, danke dir!“, bemüht sie sich um ebenso gelassenen Ton. Sie will ja auch nichts Falsches unterstellen …
Lotta beobachtet einen Moment, wie Ansgar das zusammen gesammelte Reisig in der Höhle entzündet und sich dann ohne weitere Aufforderung zurückzieht. Als sich die Luft um sie herum dampfend erhitzt, wagt sie so langsam, sich zu entkleiden, immer mit etwas vorsichtigem Blick zum Eingang. Da rührt sich jedoch nichts … Lotta greift nach ihrem Handtuch, wickelt sich schnell ein und lässt die Beine bis zu den Knien schon mal in die Wassermulde gleiten. So köstlich warmes Wasser, eine natürliche Badewanne aus Stein. Wie ihr selbst gezimmerter Hottube in ihrer ehemaligen Behausung … Langsam gleitet Lotta tiefer, während sie das Handtuch beiseitelegt. Ein letzter wachsamer Blick … Alles gut, seufzt Lotta innerlich, während sie sich wohlig im Wasserbad rekelt.
Geduldig wartet Ansgar nicht weit vom Höhleneingang an einer Felswand gelehnt und überlässt sich seichten Träumereien … Das wird ja wohl noch erlaubt sein, im Wissen …, so nah diesem … wohl gerade … recht unbedeckten Rotschopf zu sein. Die Abendsonne rötet sich … während in des Norwegers Gedanken ein anderer Film abläuft als der tatsächliche vor seinen Augen …
Nun, der Rest ist schnell erzählt … Ansgar bekam auch noch sein Bad … allein! Lotta fühlte sich unendlich erfrischt und dankbar für diese Wohlfühloase, die sie ausgiebig … allein … genoss.
Gemeinsam stiegen sie am nächsten Morgen wieder den Berg hinab und erreichten Lottas Haus drei Tage später. Ach, welch freudige Begrüßung erwartete sie daheim von Kind, Wolf und zwei selbst ernannten Großvätern. Ansgar tippte sich zum Gruß wie auch Abschied kurz wortlos an die Mütze und ging … seiner Wege. Morgen würde die Horde weiterziehen. Alle Gebäude für den Wintersportort stehen bereits ...
4.2.1 - Von Süd nach Nord oder Ost ... Kaffeezeit mit Kamel …
https://www.youtube.com/watch?v=Yz0ZHjnsZDE
„Wo könnten Sie jetzt gerade stecken?“ Keito verschwendet bisher nicht allzu viel Gedanken auf die ‚Fata Morgana‘ vor ihm, schlürft langsam an seinem Mokka, während er darüber nachsinnt, wo Yuna und ihre Mutter gerade verweilen könnten. Wie weit mögen sie bereits gekommen sein?„Verdammt!“, entfährt es ihm bitter. „Warum haben sie kein Handy eingepackt?“ Fragend blickt er seine Mutter Elani und ihren Cousin Asante an, als hätten sie es zu verantworten, dass Miyu sich gegen portable nachverfolgbare Medien entschied.
„Hier gibt es eh kaum Empfang!“, schaltet sich das Spionelfchen gutmütig schlichtend ein und schenkt noch eine Runde des samtigen Kaffees mit fein duftenden Zimtaromen nach. Erst jetzt betrachtet Keito den Redaktionsgeist der WiWo etwas genauer und erschauert leicht in Erinnerung an eine äußerst ungemütliche Nacht als er … schon einmal nach Yuna suchte.
Bis heute ist ihm nicht ganz klar, was dort alles neben der Entführung durch seinen Pa noch vorfiel. Der Teen kennt Okkulte als Vampire – äußerts hilfreiche in der Villa – und eine liebliche Meerfrau … Aber einem dienstbaren Geist ist er bisher noch nicht begegnet. Mit leicht skeptisch gelupften Brauen hält Keito dem Spionelfchen erneut seine Tasse entgegen.
Der Marsch durch die Wüste hat durstig gemacht, obwohl … Kaffee nicht gerade förderlich ist, wieder Flüssigkeit zu tanken, aber … er tut im Moment ganz gut. „Danke! Wirklich köstlich!“ Keito entspannt sich langsam und nimmt noch einen Schluck des Gaumen kitzelnden dunklen heißen Gebräus. War der Geist in der Villa gut? Der Teen ist sich nicht sicher, nachdem Yuna später merkwürdig verändert war. Keito versinkt wieder in Grübelei. Aber vielleicht … war das auch noch die Nachwirkung … vom Grauen in diesem dunklen Verschlag …! Wandte sie sich letztendlich deswegen von mir ab, weil ich sie immer wieder … an meinen wüsten Erzeuger erinnerte?
Besorgt beobachten Asante wie Elani das gedankenversunkene Minenspiel des Jugendlichen. Wohingegen das Spionelfchen alle drei Gäste neugierig mustert und deren Hirnreiche Windungen zu ergründen sucht.
„Du warst eine erfolgreiche Köchin, hörte ich von Bugsy?“, wendet sich der Geist nun an Elani, die erstaunt hochblickt. Diese WiWo-Leute scheinen ja bestens untereinander informiert zu sein. Ein warmes Lächeln gleitet über Elanis Züge: „Na ja, zuletzt war ich Suppenköchin auf einem offenen Marktstand! Tatsächlich koche ich leidenschaftlich gerne und hatte mir mal einen Namen gemacht, aber …“ Das Leuchten der feinen Gesichtszüge verschwindet wieder. „Nun ja. Vorbei ist vorbei …“
Asantes Aufmerksamkeit wendet sich seiner Cousine zu. Wo ist das Sonnenscheinchen von damals nur hin? Liebevoll legt er Elani einen Arm um die Schulter: „Du bist immer noch eine wundervolle Köchin! Die beste, die ich kenne!“ Elanis Augen zeigen wieder ein sanftes Strahlen als sie ihren Kopf auf seiner Schulter bettet und einen Moment dort verharrt. Ich hab‘ doch immer noch ein Stück weit liebevolle Familie! Was hat Miyu? Was hat Lotta?An wen können sie sich anlehnen, während sie sich allein um ihre Kinder kümmern müssen – irgendwo hier auf der Welt … von allen guten Geistern verlassen?
Dann auch noch die WiWo-Leute die helfen wollen … Und Miyu und Lotta ahnen nichts davon! Warum meldet sich Lotta nicht? Lebt sie noch? Elani, noch immer von Schuldgefühlen erdrückt, hatte bisher nicht gewagt, selber wieder Kontakt aufzunehmen. Lotta hatte einen anderen Weg vorgezogen als mit ihnen zu gehen und Elani glaubt zu wissen, warum! Weil ihr Ex, Keitos Vater, für all das Unglück verantwortlich ist und damit irgendwie … auch sie! Elani kann diese Überzeugung einfach nicht abschütteln. Nicht nachdem auch Keito offenbarte, wie sehr er gelitten hatte, weil sie lange untätig blieb …
Tränen beginnen mal wieder über Elanis Gesicht zu fließen, sobald sie sich den unwirtlichen Erinnerungen überlässt. Asante fühlt sich leicht überfordert über diese schnellen Gemütswechsel. Ist es diese beschwerliche Reise in den letzten Tagen gewesen? Die anstrengende Suche wühlt vielleicht wieder viel zu viel auf! Hoffnung wie Verzweiflung liegen selbst bei ihm dicht beieinander, auch wenn er versucht, den Zuversichtlichen in der Runde zu geben …
„Möchtest du dich vielleicht ein wenig hinlegen … ein bisschen ausruhen?“, fragt Asante gerade sanft sein Cousinchen. Keito blickt verwundert auf als würde er gerade aus einem weit entfernten Traum auftauchen und sieht seine Mutter wieder einmal etwas aufgelöst vor sich. „Ma!“ betroffen steht er auf, zieht Elani hoch, um sie zu umarmen. Jetzt möchte er selber Trost spenden. „Wir finden sie! Bestimmt!“ Und leise flüstert er noch in ihr Ohr: „Du bist die beste Ma der Welt! E r war allein an allem schuld!“ Jetzt fließen die Tränen bei Elani erst recht, aber auch vor Erlösung. „Und du bist der beste Sohn, den sich eine Mutter wünschen kann …“ und den sie ohne dieses Ungeheuer nicht hätte …, aber dennoch immer innig als ihr Kind lieben wird.
Noch eine Weile halten sich Mutter und Sohn im Schmerz vereint fest, bis sich Elani wieder fasst und lächelnd mit noch etwas Tränennassem Gesicht von Keito wegschiebt. Entschlossen wischt sie mit einer Hand kurz die letzten Spuren ihres Ausbruches auf der salzig feuchten Wange beiseite. Es ist jetzt wieder an ihr, als Mutter ihrem Kind Stärke und Zukunft zu vermitteln.
Dabei macht Elani sich nichts vor – Asante ebenso wenig … Keito wird älter und reifer werden, aber … noch immer ist er auch ein ungeduldiger und zuweilen zorniger Teen. Und sein ‚Erbe‘ wird sein Wesen möglicherweise für sein ganzes Leben prägen. Es wird drauf ankommen, was er daraus machen wird.
Bei der ganzen Gefühlswallung schaltet sich das Spionelfchen nun doch etwas energischer ein. Die drei müssen noch einiges auf sich nehmen, wenn sie das Mutter-Tochter-Gespann auf Flucht aufspüren wollen. Sie stecken schließlich … inmitten einer kargen Wüste. Kein Problem für einen Geist, aber die drei da leben noch und sollten auch noch ein Eckchen länger unter den Sterblichen verweilen. Das bedeutet … Proviant klar machen! „Das war jetzt nicht nur so Smalltalk mit dem Kochen! Ich koche übrigens auch sehr passabel und leidenschaftlich, liebe Elani! Machen wir uns an die Versorgung für die nächsten Tage, während die beiden Burschen da sich mal um eure weiteren Wegbegleiter hinter dem Zelt kümmern …!“
Bei so pragmatischen Erwägungen schauen die drei ‚Gescholtenen‘ dann doch etwas ernüchtert hoch. In der Tat, sie haben eine Mission. Wieder beflügelter stimmt Elani sogleich ein: „Aber gerne, liebes Spionelfchen. Na, du bist sicher mehr als eine passable Köchin. Dein Kaffee war so hervorragend, dass ich dich doch gleich um die Rezeptur bitten möchte und verrate mit ja genau das Verhältnis von Zimt und … was war da noch drin?“ Noch etwas verlegen über ihren Gefühls- und Tränenausbruch streicht sich Elani das etwas zerzauste Haar aus der Stirn. „Packen wir es an! Im Zelt?“ Sie deutet auf das buntscheckige Stoffgebilde hinter dem Redaktionsgeist.
„Ja, ja, ich bin schon mehr als passabel in meinen Kochfähigkeiten!“, lacht das Spionelfchen herzhaft zurück. „Küchengeheimnisse gibt es aber nur für die in die Gourmetkunst Eingeweihten …“ Vertraulich zieht sie die ehemalige Fünf-Sterne-Köchin mit sich in das etwas abgewetzte Nomaden-Zelt. Drinnen hat der gute Geist bereits einige Vorbereitungen getroffen …
Asante und Keito begeben sich derweil mit etwas gerunzelten Brauen und fragenden Augen hinter das Zelt und sehen in einiger Entfernung endlich das, was ihnen schon die ganze Zeit als etwas seltsame leicht schnorchelnd grunzende Laute an die Ohren dringt.
„Kamele?“, bricht es aus Keito unvermittelt heraus. „Sollen d a s da unsere ‚Begleiter‘ sein?“ Der Junge kriegt sich kaum ein. Asante entringt sich nur ein Schmunzeln: „Na besser, als müssten wir alles auf dem Rücken durch die Wüste schleppen oder? Der Jeep ist hin! Eindeutig!“Entwendetes und Beschädigtes Eigentum des Kenianischen Militärs!, fährt es dem Fahnenflüchtigen kurz durch den Kopf. Es gibt kein Zurück mehr! Aber statt sich weiter deswegen zu sorgen, breitet sich auf Asantes Gesicht ein fettes Grinsen aus. Er hätte da nicht mehr lange mitmachen können. Zunehmend war es ihm gegen den Strich gegangen … Ob wir je wieder nach Kenia zurückkönnten …? Nein!, kommt Asante zum Ergebnis seiner Überlegungen. Wir hatten auch da keine Perspektive in der Großfamilie mehr … Nicht mit der Bürde von Keitos Vater im Gepäck. Flüchtige suchen Flüchtende …! Und die ‚liebe Familie‘ hatte Elani als junges unerfahrenes Mädchen allein auf weite Reise in unbekanntes Land geschickt … und hätte sich nie für das verantwortlich erklärt, was ihr dann zustieß. Nein, auch in Kenia gibt es keine Zukunft mehr!
Entschlossen marschiert Asante alle Gedankenspiele beiseite wischend auf die Höckertiere zu, winkt Keito mit einer Hand hinter sich her, dass er ihm folgen soll. Zögernd setzt sich der Teen in Bewegung: „Beißen die oder … spucken - wie Lamas!“ Asante lacht kurz trocken auf. „Hei, du mutiger Verfolger! Willst du jetzt deine Yuna finden oder was? Dann beweg deinen Hintern hierher! Die hier spuken nicht …, beißen … vielleicht ein bisschen oder treten …“ Der ehemalige Militarist, noch immer in seiner Kluft, hat das erste Kamel erreicht und streckt forsch die Hand nach den weichen Nüstern des Tieres aus, das interessiert nachschnuppert, ob es bei diesem Zweibeiner was zu holen gibt
„Und besser als selber laufen oder?“, wendet sich Asante seinem Neffen zweiten Grades abenteuerlustig zu und sieht gerade noch wie sich dessen Augen erstaunt weiten. „Wir sollen … auf ihnen reiten?!“ Keito steht leicht der Mund offen …
„Ich begleite euch in Richtung Nordost bis Bagdad!“, verkündet das Spionelfchen am nächsten Morgen ihren Zeltgästen. „Danach muss ich mich auf die Weiterreise begeben. Frau Bürgermeisterin erwartet mich in Amerika!“ Am Vortag hatten Elani und der Redaktionsgeist alle Zutaten zu hervorragenden und gut haltbaren Speisen verbruzzelt und in kleine Tagesrationen verteilt sorgsam verpackt. Ebenso wurde ausreichend Wasser in mehrere lederne Schläuche abgefüllt.
„Wie lange brauchen wir?“, wendet sich Keito gerade an das Spionelfchen, während er eines der Kamele, das er für sich auswählte, vorsichtig bepackt. Die Staffelei muss mit! Darauf hatte er bestanden, nachdem er sich mit diesen samtmauligen Riesen vertraut gemacht hatte und gewillt war, ihrem Rücken seine eigens von seinem Kellner-Lohn auf einem Festival erstandene Staffel anzuvertrauen. „Drei bis vier Tage, schätze ich in etwa!“, sinnt das Spionelfchen laut nach. Der Geist hat keine genaue Vorstellung davon, wieviel Elan und Durchhaltevermögen jeder Einzelne dieser Kleinfamilie mitbringt. „Hängt ein bisschen von eurer Kondition ab!“
Spionelfchens Augen folgen gerade Elanis zu den Höckern dieser Wüstenschiffe aufwärts entlangwanderndem misstrauischen Blick, der zu fragen scheint, wie es sich da oben wohl ‚segelt‘. „Wieeeee … kommt man da hoch?“, fragt die Gourmetköchin etwas scheel angesichts der ihr schier unglaublich anmutenden Höhe nach.
Jetzt ist es an Keito, seiner Ma Mut zuzusprechen, nachdem er sich gestern bereits mit dem Aufsitzen vertraut machte und langsam Gefallen darin findet, so fein schaukelnd einige Meter über dem heißen Wüstensand dahin zu schweben.
„Auf jeden Fall nicht klettern!“, lacht der Teen mittlerweile recht unbesorgt und gibt dem vor seiner Ma stehenden Kamel mit einem kleinen Stöckchen Befehl zum Niederknien. Erschrocken springt Elani ein paar Schritte zurück: „Waaaa … Ach Gott! Ich dachte, es bricht vor meinen Füßen zusammen!“
Angestachelt vom heiteren Gelächter um sie herum, wagt sich Keitos Ma dann wieder vor. „Hei, ich hab‘ gestern die ganze Zeit gekocht und nicht gesehen, welche Manöver euch der gute Geist hier gestern noch hinterm Zelt zeigte …“ Asante hilft seinem Cousinchen gutmütig beim Besteigen des Tieres, während der Teen - immer noch etwas kichernd bei Elanis holprigen Bemühungen - das Kamel per Zügel weiter am Boden hält. „Nimm’s ihm nicht krumm! Etwas Freude und Lachen tut uns allen gut!“, erbittet Asante schmunzelnd Nachsicht für den Neffen.
Gnädig ergreift Elani Asantes unterstützende Hand, lässt sich huldvoll wie die Königin von Saba auf der Satteldecke nieder und scherzt nun ihrerseits mit: „Na los, ihr Lakaien! Wo ist mein Palmenwedel? Fächert mir kühlende Luft zu! Huch …!“ Das Kamel erhebt sich mit dem Hinterteil zuerst und Elani schwankt bedenklich vornüber. Zum Glück hält Asante noch immer Händchen … Keito wirft sich kugelnd vor Lachen in den Sand als seine Ma beim nächsten „Hach!“ nach hinten geschwenkt wird, nachdem sich auch die unter dem Leib eingeknickten Vorderbeine des Tieres wieder aufrichten.
Nach einer Weile ist alles verstaut und alle sitzen auf, bereit, Wüstenstürmen und brennender Hitze die nächsten Tage zu trotzen. Das Spionelfchen sieht es mit Genugtuung, dass der kleine Trupp recht wohlgelaunt in den frühen Morgenstunden startet. Es wird noch hart genug werden auf ihrem Weg …
„Lass sie mir ja nicht in der Wüste allein!“ hatte Don El Artichocke dem Redaktionsgeist vor der Reise ins Morgenland noch eingeschärft. Die Freunde seiner ehemaligen Freunde und diese ganze mysteriöse Geschichte um die angeblich ermordete Rektorin und ihrer Tochter - nebst den Ungereimtheiten um diesen Rotschopf Lotta - hatte ihn zutiefst aufgewühlt und mitgenommen. Diskret versucht er daheim, alle Hebel zur Aufklärung in Bewegung zu setzen und alle verloren gegangenen Schäfchen wieder einzusammeln und zusammenzuführen.
Das Spionelfchen ist wegen Funkloch nicht auf aktuellstem Stand, weiß momentan seinen Gästen nicht mehr zu berichten als das, was Bugsy Melone oder Jack Watanabe den Wüstenwanderern schon vor ein paar Tagen mit auf den Weg gab. „Nach derzeitigen Schätzungen haben Miyu und ihre Tochter einen zeitlichen Vorsprung, den ihr ja durch den Marsch querfeldein bzw. quer durch die Wüste abzukürzen versucht. Wenn alles zeitlich klappt, müsstet ihr bei dieser Farsane in Persien aufeinandertreffen. Die Adresse, die euch Jack Watanabe gab!“, erinnert das Spionelfchen gerade die neben sich Reitenden. Noch steht die Sonne nicht sehr hoch und ihre Gesichter wirken noch recht gelöst, während sie durch die schier endlose sandige Weite traben.
Gemächlich lässt Asante seinen Blick über die Landschaft schleifen. So ein Kamelritt ist eine recht bedächtige Art des Reisens. „Ja, so ähnlich hatte ich es mir ausgerechnet!“, erwidert er gerade tief entspannt dem Redaktionsgeist. Asante ist gewohnt mit wenig unter verschiedensten Witterungsbedingungen auszukommen. Sorge hatte er erst mehr um seine beiden lebenden menschlichen Begleiter, aber Keito schlägt sich ganz gut und auch Elani hält ausgesprochen hervorragend mit. Hitze macht ihr sogar weniger aus als ihrem Sohn, der das in dem Ausmaß nie zuvor kennenlernte.
In den wenigen Wochen in Kenia in für ihn völlig ungewöhnlichen und weitaus kargeren Lebensumständen hatte er sich sehr gemausert und manche Teen Allüren sprichwörtlich über Bord geworfen, beobachtet Asante wohlwollend seine Entwicklung. Keito ist materiell weitaus weniger fordern geworden. Seine Staffelei und die wenigen Farben, die er hat, hegt und pflegt er wie ein kostbares Kleinod. Gemalt hat er bisher nicht, als sparte er alles für ein besonderes Bild auf.
Das andere Bild von der Wand mit Yuna und diesem grünhaarigen Mädchen …
Keito hatte es wieder auf die Leinwand gespannt und gut verpackt. „Ich lasse es nicht zurück!“ hatte der junge Mann störrisch gemurrt und Asante verstanden, dass es dem Jungen viel bedeutet. Vielleicht auch ein Aufbegehren gegen Terence, der seinen Sohn für dieses Interesse an der Malerei verlachte und erniedrigte … Vielleicht für Keito der Schlüssel … zu einem anderen Weg im Leben als sein verblichener Vater ihn beschritt.
Nachdenklich betrachtet Asante den Halbwüchsigen, der da neben ihm selbstvergessen und vor sich hinträumend durch die sengende Hitze der Wüste reitet. „Woran denkst du gerade?“
Keito schrickt erst wie ertappt hoch, grinst dann verlegen zu Asante rüber: „Ach, ich gucke mir nur die Gegend an!“ „Aha! Gibt ja auch wahnsinnig viel zu sehen! Sand, Sand, Sand …“, erwidert Asante seinem Neffen leicht neckend. Die Sonne steigt langsam zur heißesten Tageszeit auf. Zeit bald für eine Rast … Asante sieht die Köpfe der beiden Frauen in einem Gespräch vertieft vor sich hin und her schwanken. Ob sie Kochrezepte austauschen? Hier mitten in der staubigen Wüste? Wäre Elani zuzutrauen, wenn sie auf eine Gleichgesinnte trifft …
„Denkst du, sie will mich überhaupt wiedersehen? Was ist, wenn nicht?!“ Keito hat sich endlich entschieden, Asante zu antworten. Ganz vorsichtig tastet der Jugendliche sich vor. Vielleicht ist es an der Zeit, sich mal jemanden anzuvertrauen. Mal schauen, was so … ein anderer Mann meint.Ein anderer … als mein Pa! Von dem gab es nie … Hilfe oder Rat … nur … niederträchtige abfällige … ‚Lebensweisheiten‘, die Keito nichts außer einem gewissen Charme und im Rückblick zweifelhafte schnelle Abenteuer einbrachten. Wie anders sind Yunas Vater Jack oder Asante …
Asante kann ein fragendes Stirnrunzeln nicht ganz unterdrücken: „Warum sollte sie dich nicht sehen wollen? … … … Was … war das überhaupt zwischen euch?“ Er wartet eine Weile, erfreut, dass Keito sich überhaupt durchringt, etwas mehr noch an seinem Innenleben teilhaben zu lassen. Asante fragte sich schon eine Weile, welcher Art Beziehung zwischen Yuna und Keito bestand. So recht hatte der Junge sich nie dazu ausgelassen. Letztens hatte der Teen auch nur zart angedeutet, welche Erfahrungen Terence ihm bereits in jungen Jahren zumutete, als sein Leidensweg so aus ihm rausbrach. Vor seiner Mutter oder Bugsy war es Keito scheinbar zu unangenehm gewesen, deutlicher zu werden, aber Elani hatte durchaus verstanden und Bugsy sicher auch, wie Terence seinen Sohn verfrüht überforderte und ihm ein Stück seiner Kindheit und Jugend raubte, um einen ‚ganzen‘ Kerl aus ihm zu machen.
„Jack … hat nichts … davon erwähnt, dass … sie mich … nicht sehen will, oder?“ Keito müht sich um jedes Wort, so schwer scheint es ihm zu fallen, auszudrücken, was er sagen oder fragen möchte. Und gleichzeitig so hoffnungsvoll ist sein Blick auf Asante gerichtet, dass der ihm das Gewünschte bestätigen möge. „Nein, ich hatte nicht den Eindruck, dass Jack dir gegenüber irgendwelche Vorbehalte hatte oder dass er dies für Yuna annahm. Worüber sorgst du dich wirklich, Keito?“ Wieder herrscht eine Weile Stille …
„Ich mochte Yuna von Anfang an … Also, sie gefiel mir auf Anhieb … Ich meine …“ Leicht errötend fällt Keito wieder ein, wohin einer seiner ersten Blicke bei Yuna gewandert war und wie sie ihm, gleich lachend gekontert und erklärt hatte, dass sie sich aus Jungs nichts mache … Eigentlich hatte Keito diesbezüglich bisher wenig Schamempfinden gehabt … Aber jetzt so vor Asante und nach allem …
„Du stehst auf Yuna!“, fasst Asante kurzum zusammen und schließt gleich eine Frage hinten an: „Fürchtest du, sie steht nicht auf dich? Was ist sie denn für dich?“ Er möchte Keito nicht düpieren, aber vielleicht ist es mal an der Zeit, alles an Befürchtungen rauszulassen. Asante gibt sich äußerlich so gelassen wie möglich, auch wenn er jetzt doch schon recht gespannt ist und ungeduldig weitere Offenbarungen erwartet. Lenkt auch gut von … eigenen Themen ab … Kurz blitzt ein wirbelnder brauner Lockenschopf durch Asantes Gedanken, den er schnell beiseiteschiebt. Hoffnungslos!
Zum Glück für Asante fährt Keito fort … „Sie ist mein bester Freund!“, erklärt er gerade mit Bestimmtheit. „Aber, … wir waren auch … irgendwie … eine Zeit zusammen … Also … Aber dann nicht mehr so … Ich weiß auch nicht … Es wurde schwierig … und …“ Keitos Redefluss gerät ins Stocken … Versiegt einen Moment … … … „Sie mag Mädchen!“
„Ahhhhh …“ Jetzt kommen sie der Sache schon etwas näher. Asante und Keito sind etwas weiter zurückgefallen. Elani und Spionelfchen bemerken sicher nichts von der Entwicklung des Gespräches hinter ihnen, vermeint Asante. „Es geht also nicht nur darum, dass sie dich wegen deinem Pa nicht mögen könnte …“ Asante findet seine detektivischen Schlussfolgerungen geradezu brillant.
„Weiß nicht! Alles so verwirrend!“ war aber jetzt nicht die Antwort, die der ehemalige Soldat auf seine ‚geniale Analyse‘ hin von seinem Neffen erwartete. Der Junge zuckt nach dem Satz nur ergeben die Schultern, starrt wieder in die endlose staubige Weite, während ihn das Kamel unter seinem Podex weiter sanft durch den Wüstensand schaukelt.
Mhmmm, wird nicht ganz leicht! Ganz so erfahren ist Asante nun auch wieder nicht mit Teenager-Gesprächen und die Keitos führen noch schweres Themen-Gepäck mit sich. „Deine kurzweiligen nächtlichen Ausflüge mit erwachsenen Damen habe ich ja … mitbekommen bzw. verstanden. Aber, die waren wohl nie von Bedeutung?!“ Asantes Worte klingen mehr wie eine Feststellung denn wie eine Frage, die Keito Kopfnickend auch bestätigt.
„Und … Erfahrungen … mit Mädels in deinem Alter?“ Diesmal ist es Asante, der sich vorsichtig herantastet. „Kaum! Außer mal ein bisschen … flirten oder tanzen …“, kommt eine zögerliche Antwort. Bea, Tania, Nadine und auch andere Mädchen seiner Schule davor tauchen vor Keitos innerem Auge auf.
Yuna … wusste davon!“, kommt es gedämpft von dem Teen. „Von den älteren Frauen! Es hat ihr … nichts ausgemacht!“ Sie hatte ihn dafür nicht verachtet. War eigentlich sogar … aus anderen Gründen … in ähnlicher Lage gewesen. „Es war für sie auch schwer … Mädchen in ihrem Alter kennen zu lernen! Wir haben uns … da mal überraschend getroffen … abends … in der gleichen Bar …“ Keito blickt hoch zu Asante, ob er versteht … ob er deutlicher werden muss … Muss er nicht. Der Ältere begreift das Dilemma, dass die beiden Teens in ihrer Freundschaft verband.
„Hast du dann … was Blödes gemacht oder gesagt, was eure Beziehung, Freundschaft oder was auch immer jetzt belastet?“, hakt er sanft nach. „Weiß nicht!“ Wieder zuckt Keito ratlos mit den Schultern.
„Ach, komm schon! Wie soll ich dir helfen, wenn du mich so auf die Folter spannst!“ Nun ist Asante doch geneigt, das Ganze etwas voranzutreiben.
Und als hätte diese etwas barsche Art den Damm gebrochen sprudelt Keito alles Mögliche hervor, wie Yuna ihn erst um eine Scharade bat, er sie dann nach der Spuknacht mehr oder minder überrumpelte, danach der Höllentrip auf dem Festival … „Sie hatte so viel durchgemacht in diesem dunklen Verschlag und auch auf dem Festival war es nicht leicht für sie und dann dieser Wolf, diese Horrornacht, wo ich sie kaum wieder erkannte … aber ich hatte immer nur im Sinn, wie ich sie für mich gewinnen kann …“ Keito fällt fast in sich zusammen. „Und dann … die letzte Nacht! Auf dem Ball! Ich war gemein! Wusste, dass sie Ängste da unten aussteht … Alleingelassen … in einem fensterlosen Raum! Ich ließ sie schmoren … Gekränkt, weil ich sie nicht haben konnte …“
Nur noch leise erklingt Keitos Stimme … „Und wieder … musste sie sich gegen i h n wehren, brachte zu Ende, was ich in der Geistervilla außer Wut schon fast vollzogen hätte. Sie … hinderte mich damals. Wollte … trotz allem nicht, was er ihr angetan hatte, … dass ich so eine schwere Bürde … auf mich lade. Nicht mal für sie! Und jetzt … trägt sie sie – statt meiner!“ Keito wischt sich mit einer Hand über das vom Erzählen erschöpfte Gesicht. Die ganze Erinnerung laugt ihn aus. Er bekommt seine kreisenden Gedanken und Selbstvorwürfe einfach nicht sortiert …
„Und ich hab‘ mich nicht mal wirklich entschuldigen können … in der letzten Nacht unserer Begegnung. Danach …“ Keitos Stimme bricht bei der Vorstellung, wie sein Pa Yuna erneut aufgelauert hatte … Asante hat nur noch stumm zugehört und sein Reittier näher an Keitos herangetrieben, damit er den verzweifelten Jungen an sich drücken kann. Im Moment gibt es keine Worte ...
Sacht schaut Elani sich um, als es eine Weile hinter ihr verstummt. Sie haben mitgehört da vorn. Fast die ganze Zeit. „Mach einfach gerade nichts! Lass ihn! Es ist gut so!“ hatte ihr das Spionelfchen wiederholt wohlmeinend zugeraunt und sie bestärkt, Asante gerade die Zügel zu überlassen. „Euer Gespräch kommt noch!“ Zart hatte der gute Geist Elani über die Schulter gestrichen, um ihr aufgewühltes Gemüt etwas zu besänftigen.
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